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EHEC-Erreger schadet Gemüsebauern

1. Juni 2011

Noch ist der Ausbruch des gefährlichen Keims nicht geklärt. Und solange Unklarheit darüber herrscht, verzichten viele Verbraucher auf rohes Gemüse. Einige Bauern bangen um ihre Zukunft.

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Landwirt bei der Salaternte (Foto: dpa)
Blattsalate - bleiben sie ein, zwei Tage zu lange auf dem Feld, sind ihre Köpfe zu großBild: picture-alliance/ dpa

Zwischen Mai und Oktober ist die beste Zeit für Gemüsebauer Norbert Pesch. Dann pflanzt er in der Nähe von Bonn Kopfsalate und Romana-Herzen, ein Blattsalat, der bei den Deutschen momentan im Trend liegt. Vier Millionen Romana-Herzen wollte Pesch in dieser Saison verkaufen und zwei Millionen Kopfsalate. Doch dann erkrankten die ersten Menschen in Deutschland am EHEC-Erreger. Das Robert-Koch-Institut warnte vor dem Verzehr von Blattsalaten, Gurken und Tomaten.

Stapel frischer Gurken (Foto: AP)
Wer sich auf Salatgurken spezialisiert hat, den trifft es am härtestenBild: AP

Das stellte Peschs Planung auf den Kopf: Seit Samstag verkauft er keinen einzigen Salat mehr. Sie bleiben auf dem Feld und werden "zu dick", wie er sagt. Jeden Tag kommen 10.000 zu dicke Salatköpfe dazu. "Die werden dann im Lauf der Woche mit einer Maschine umgepflügt oder gefräst", sagt Pesch. Ob pflügen oder fräsen, weiß er noch nicht, jedenfalls verschwinden sie wieder unter der Erde.

Hochspezialisierte Landwirte leiden am meisten

Bleibt Pesch noch der Blumenkohl, den er ebenfalls anbaut - und im Winter Petersilienwurzel und Chinakohl. Immerhin. Viele seiner Kollegen trifft es noch härter, sagt Karl Schmitz, Geschäftführer der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse. "Der Trend geht geht seit Jahren hin zu den so genannten Profis und Experten, die eine Kultur komplett beherrschen und auch nur diese eine machen." Schuld daran ist nicht zuletzt der unerbittliche Preiskampf, den deutsche Handelsketten untereinander führen und oft an die Erzeuger weitergeben. Die Landwirte versuchen mit größtmöglicher Spezialisierung ihre Kosten zu drücken, um den Preisvorstellungen der Discounter zu entsprechen.

Mikroskopische Aufnahme von EHEC-Bakterien, einer gefährlichen Variante des harmlosen Darmbewohners Escherichia coli (Foto: Manfred Rohde/HZI)
Wie der EHEC-Erreger in den Umlauf kam, weiß keinerBild: picture-alliance/dpa

Für die hochspezialisierten Landwirte sei die Kundenzurückhaltung nun "existenbedrohend", sagt Stephan Weist, Geschäftsführer der Vermarktungsgenossenschaft Landgard. Weist hält kurz inne bei der Frage, wie lange die Bauern noch durchhalten können. "Wir sprechen eher von Wochen als von Monaten", sagt er dann. Bis zu 90 Prozent weniger Gurken verkauft Landgard, bei Tomaten und Blattsalat stellt Weist Einbrüche von bis zu 50 Prozent fest. Aufgrund des anhaltend warmen Wetters hat sich der Saisonhöhepunkt um drei Wochen vorverschoben. Der EHEC-Erreger kommt zur Unzeit. "Es hätte kaum schlechter im Timing passieren können", bedauert Weist.

Spanien will klagen

Zwei Millionen Euro verlieren die betroffenen Bauern - jeden Tag, sagt der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Gerd Sonnleitner. Und es könnte noch mehr werden, wenn die Kunden nicht bald wieder zugreifen. Zwei bis drei Wochen gibt sich Bauer Pesch noch. Dann wird er endgültig entscheiden, ob er für diese Saison den Salatanbau komplett einstellt. Auch wenn seine Felder dann leer stehen - einfach ein anderes Gemüse anbauen kann er trotzdem nicht, weil er dann "ein Ungleichgewicht in das betreffende Produkt bringt", wie er sagt. Und mit einem Überangebot ließen sich eben keine kostendeckenden Erträge erzielen.

Das Logo von Aldi Nord ragt in den bewölkten Himmel (Foto: dpa)
Viele Handelsketten haben Gemüse aus Spanien aus dem Sortiment genommenBild: dpa

Bleibt die Hoffnung, dass sich schnell aufklärt, wie der EHEC-Erreger letztlich in Umlauf kam. Lediglich auf vier Gurken wurde er bislang gefunden, drei davon spanischer Herkunft. Das führt dazu, dass die großen Handelsketten wie Metro, Rewe oder Aldi spanische Gurken aus dem Sortiment nahmen. Mittlerweile ist jedoch klar, dass der entdeckte EHEC-Erreger offenbar nicht die Erkrankungswelle ausgelöst hat. Spanien fühlt sich zu unrecht diffamiert. Agrarministerin Rosa Aguilar spricht von einem Schaden von wöchentlich 200 Millionen Euro - und droht mit Schadensersatzforderungen. Und auch die Niederlande sind betroffen. Sie wollen Finanzhilfe von der Europäischen Union für ihre Gemüse-Produzenten, die fast keine Gurken, Tomaten oder Blattsalate mehr nach Deutschland exportieren.

Laboranalysen für neues Vertrauen

Präsident des Deutschen Bauernverbandes Gerd Sonnleitner (Foto: dpa)
Sieht schwarz für seine Bauern - Präsident des Deutschen Bauernverbandes Gerd SonnleitnerBild: picture-alliance/ dpa

Karl Schmitz von der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse versucht indes möglichst viel Licht ins Dunkel zu bringen und lässt das Gemüse, das er anbietet, auf EHEC-Erreger testen - nicht zuletzt, weil seit vergangenem Montag die großen Handelsketten den Nachweis fordern. Einen Din-A4-Ordner voller Nachweise hat er in seinem Büro liegen. Erzeuger für Erzeuger, Produkt für Produkt lässt er untersuchen. Mehr als tausend Analysen hat er schon. Alle sind ohne Befund. Und auch bei Landgard-Chef Weist stapeln sich die Nachweise, dass sein Gemüse ungefährlich ist: "Beim Verbraucher kommt das natürlich noch nicht an. Eine gefundene schlechte Gurke ist in den Medien natürlich stärker beachtet als Tausende ohne Befund."

Auch Pesch hat so einen Nachweis - seine Kopfsalate und Romana-Herzen muss er trotzdem vernichten. Seit 35 Jahren ist er Landwirt. Nur einmal hat es ihn schon so hart getroffen wie jetzt: Vor 25 Jahren, als es in Tschernobyl zur Reaktorkatastrophe kam und selbst in Deutschland das Gemüse auf dem Feld radioaktiv verseucht wurde. Damals hat Pesch schon einmal alles untergepflügt.

Autorin: Jutta Wasserrab
Redaktion: Monika Lohmüller