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Eigene Wege - Die russische Jugendbewegung "Smena"

17. April 2008

Die Präsidentenwahl in Russland hat es gezeigt: Die Opposition kämpft derzeit auf verlorenem Posten. Trotzdem gibt es eine Jugendbewegung, die mit eigenen Aktionen einen friedlichen Machtwechsel erreichen will.

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Ukrainische Bewegung "Pora" als VorbildBild: Markian Ostaptschuk/DW

Eine Ausfallstraße am Stadtrand von Moskau. Nahe der Metrostation reihen sich Kioske und Blumenstände aneinander, gerahmt von Plattenhochhäusern. Ein Mann, Mitte 20, steht an einer Fußgängerampel. Er trägt Jeans, einen Anorak und eine altmodische Herrentasche über der Schulter.

Kolja ist Aktivist der oppositionellen Jugendbewegung "Smena", auf Deutsch "Wechsel". Er ist auf dem Weg zu einem Treffen mit Gleichgesinnten. "Bis vor einem Jahr hatten wir ein Büro, aber der Vermieter wurde gezwungen, uns rauszuschmeißen", sagt Kolja. "Ihm wurde gesagt, wir seien Jugendliche, die eine falsche Position einnehmen. Das ist in unserem Land so: Wer nicht für Putin ist, hat Unrecht."

Vorbild Ukraine

Wladimir Putin ist in Koljas Augen immer noch eindeutig der starke Mann in Russland. Aber auch von dessen Nachfolger an der Staatsspitze, Dmitrij Medwedew, erwartet er nichts Gutes. Dessen Image als gutmütiger und weicher Liberaler werde schnell verfliegen.

"Smena" gehört dem Oppositionsbündnis "Anderes Russland" des ehemaligen Schachweltmeisters Garri Kasparow an. "Smena" hat nach eigenen Angaben einen harten Kern von etwa 20 Aktivisten. Dazu kommen einige Dutzend Unterstützer in den Regionen. Es ist ein Netzwerk, das mit gewaltlosem Widerstand einen Regimewechsel in Russland herbeiführen will - irgendwann. Gelernt haben sie das von der Jugendbewegung "Pora" ("Es ist an der Zeit") in der Ukraine. Zwei Monate waren Kolja und seine Freunde dort, während der so genannten orange Revolution.

Kritische Blicke ungern gesehen

In der Ukraine haben sie gelernt kritisch hinzusehen. Bei der russischen Parlamentswahl im Dezember letzten Jahres wiesen sie auf Unregelmäßigkeiten hin. Ein Aktivist von "Smena" hatte mit seinem Mobiltelefon gefilmt, wie ein Mitglied der Wahlkommission mehrere Wahlzettel nacheinander unter dem Schreibtisch hervorzog und in die Urne warf. Die Zentrale Wahlkommission tat das Video als "Fälschung" ab, sprach von "Provokation".

Kolja, sein Freund Mischa und die anderen Mitstreiter wollen sich davon nicht entmutigen lassen. Sie setzen nun auf kleine Veränderungen. Mischa erzählt von einer Rattenplage, die es in ihrem Wohnbezirk gab. "Die Bewohner hatten sich lange damit abgefunden. Wir haben dann eine Kampagne gestartet", erzählt Mischa. "Und jetzt unternimmt die Bezirksverwaltung wirklich etwas, und die Ratten werden weniger. Als das passierte, habe ich begriffen, dass auch wir hier wirklich etwas verändern können."

Für ihren Einsatz werden die Aktivisten von "Smena" immer wieder verprügelt und festgenommen - zuletzt beim "Marsch der Nicht-Einverstandenen" am Tag nach dem 2. März, dem Tag der Präsidentenwahl. Sie werden als "Staatsfeinde" oder "ausländische Spione" verunglimpft.

Politik geht an Jugend vorbei

So einsatzbereit wie die Jugendlichen von "Smena" sind nicht viele. Das unabhängige Lewada-Institut hat in Umfragen herausgefunden, dass sich die meisten russischen Jugendlichen überhaupt nicht für Politik interessieren.

Auch deshalb seien in Russland zurzeit keine Massenproteste möglich, erläutert Betriebswirt Kostja, der Wortführer der kleinen Gruppe. Zudem fehle ihnen das Geld. "In Russland gibt es niemanden, der reich genug wäre, um es mit der von Putin organisierten Export-Oligarchie aufzunehmen. Und deshalb bereiten wir uns auf einen hartnäckigen Kampf vor." Ein Kampf, der nach Aussage von Kostja wohl mehr als ein Jahrzehnt dauern wird.

Gesine Dornblüth