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Ein Börsianer ist nicht rot

Michael Knigge23. August 2002

Sinkende Konzerngewinne, betrügerische Vorstände und fallende Aktienkurse. Den Börsen geht es genau so schlecht wie der Wirtschaft ingesamt. Schafft ein Regierungswechsel Abhilfe? Die Experten sind geteilter Meinung.

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Neue Regierung - Kaufrausch an der Börse?Bild: APTN

Schröder oder Stoiber, rot oder schwarz? Wenn es um das Thema Wirtschaft geht, setzen die Deutschen klar auf den Bayern Edmund Stoiber. Den Umfragen zufolge liegt der Herausforder der Unionsparteien beim Stichwort Wirtschaftskompentenz deutlich vor Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Weniger klar ist dagegen das Stimmungsbild der Wirtschaftsexperten. Während manche eine Aktienrallye nach einem Regierungswechsel prognostizieren, sehen andere keine großen Auswirkungen der Bundestagswahl auf den Aktienmarkt.

Steigende Kurse bei Regierungswechsel

Das Wahl-Szenario von Heinz von Mallek, Chef-Analyst bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser, ist eindeutig. "Die Börsianer erwarten einen Wahlsieg von Schwarz-Gelb und dann ist auch eine Aktienhausse durchaus möglich", sagte er im Interview mit DW-WORLD und verweist auf das traditionelle Image von Aktienhändlern und Analysten: "Ein Börsianer ist einfach von Natur aus nicht rot und eine rot-grüne Regierung gilt nun einmal nicht als börsenfreundlich." Diese Meinung herrsche vor, obwohl die rot-grünen Koalitionäre "mit der Unternehmenssteuerreform geschafft haben, was ihre Vorgänger in 16 Jahren nicht zu Wege gebracht haben", sagte Mallek.

Dagegen gibt es in der Börsen-Gemeinde nach Einschätzung des Chef-Volkswirts von Barclay Capital keine Präferenz eine bestimmte Regierung. "Die Finanzmärkte wollen eine klare Entscheidung", betont Thorsten Polleit im Gespräch mit DW-WORLD. "Schlecht für die Börsen wäre eine große Koalition oder ein Tolerierungsmodell." Denn anhaltende politische Unsicherheit und ständig wechselnde Rahmenbedingungen der Politik mögen die Aktienexperten überhaupt nicht. "Dann lieber eine absolute Mehrheit für eine einzige Partei."

Große Koalition ist Gift für die Börse

Bernd Janssen, Leiter deutsches Aktien-Research bei UBS Warburg, sieht das ähnlich. "Eine große Koalition wäre schlecht für die Börsen", sagte er im Interview mit DW-WORLD. Ansonsten werde keine mögliche Regierungskonstellation gravierenden Einfluss auf die Entwicklung der Börsen haben.

"Die Differenzierung zwischen den Parteien ist so gering, dass keine Auswirkungen des Wahlausgangs auf die Aktienmärkte zu erwarten sind", betont Janssen und Barclays Capital Chef-Volkswirt Polleit ergänzt: "Ingesamt wird die Bedeutung der Bundestagswahl für die Finanzmärkte überschätzt. Denn die Aktienkurse auch in Deutschland basieren immer mehr auf internationalen statt auf nationalen Kriterien."

Trübe Aussichten

Ob der Wahlausgang die Aktienkurse beeinflusst, lässt sich an den Chartkurven am 23. September ablesen. Einig sind sich die meisten Finanzexperten, dass die Aussichten für das Wirtschaftsklima in Deutschland schlecht bleiben – egal wer die nächsten vier Jahre regiert. "Es gibt keine politischen Kräfte, die auf radikale Reformen setzen, um die Wirtschaft dynamischer zu machen und dafür ein Mandat bekämen", lautet das nüchterne Fazit einer Wahlsstudie des Bankhauses UBS Warburg.