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"Unheimlich": Künstler über "For Forest"

Torsten Landsberg
13. September 2019

Die Installation "For Forest" im Fußballstadion von Klagenfurt soll ein Mahnmal der Natur sein - eines, das im Wahlkampf von Rechtspopulisten instrumentalisiert wurde, sagt der Künstler Klaus Littmann im DW-Gespräch.

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Klagenfurt | Waldinstallation im Fußballstadion - For Forest von Klaus Littmann
Bild: Getty Images/AFP/G. Eggenberger

In Klagenfurt in Österreich stehen 299 Bäume auf dem Spielfeld eines Fußballstadions. Ein Mahnmal für die Natur soll die Installation "For Forest" des Schweizer Künstlers Klaus Littmann sein. Doch trotz der Waldbrände am Amazonas und der globalen Klimadebatte trat die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Kunstprojekt in den Hintergrund: Mitglieder der rechtspopulistischen Parteien BZÖ und FPÖ behaupteten zu Unrecht, das Projekt werde über Steuern finanziert. Weil sie zur Eröffnung am 8. September dazu aufriefen, mit Motorsägen dagegen zu protestieren, muss das Stadion nun Tag und Nacht bewacht werden.

Den Anhängern des früheren Kärntner Landeshauptmanns, FPÖ-Vorsitzenden und BZÖ-Gründers Jörg Haider (der im Oktober 2008 verstarb) gilt das für die Fußball-EM 2008 neu gebaute Stadion als dessen Vermächtnis. Die 30.000 Plätze werden heute selten genutzt, in dem Stadion spielt der Zweitligist Austria Klagenfurt vor ein paar hundert Zuschauern. Für die Dauer der Installation weicht der Verein auf ein benachbartes Stadion aus.

Der Künstler Klaus Littmann sitzt an einer Illustration.
Natur in zugewiesenen Orten: Initator Klaus Littmann über der Illustration von Max PeintnerBild: Emmanuel Ffradin

"For Forest" ist vom Gemälde "Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur" des österreichischen Künstlers Max Peintner inspiriert und soll ausdrücken, "dass die Selbstverständlichkeit der Natur eines Tages nur noch in ihr speziell zugewiesenen Gefäßen zu bestaunen sein könnte, wie das bereits heute etwa mit Tieren im Zoo der Fall ist". Der Initiator Klaus Littmann sprach mit der DW über persönliche Anfeindungen, den Wahlkampf in Österreich und die Annäherung von Dystopie und Realität.

DW: Herr Littmann, Ihrem Kunstprojekt ist ein massiver Protest vorausgegangen. Die Installation ist seit einigen Tagen geöffnet, wie hat sich die Situation seitdem entwickelt?

Man muss wissen, dass hier Wahlkampf ist, weshalb eine gewisse Partei das Projekt instrumentalisiert hat. Aber jetzt hat es sich zum Glück beruhigt und man kann sicher ins Stadion gehen.

Sie sind im Vorfeld auf offener Straße beleidigt und körperlich angegangen worden. Dadurch gerät Kunst schnell in den Hintergrund.

Das war das Problem. Ich kannte solche Reaktionen nicht. Inzwischen kommen Leute auf mich zu und bedanken sich und reden mit mir über das Projekt. In den sozialen Medien wird weiter herumgespukt, dort kann man offensichtlich alles rauslassen.

BZÖ und FPÖ haben behauptet, dass Steuergelder für das Projekt verschwendet werden, obwohl es komplett durch Spenden finanziert wurde. Warum konnten Argumente die Debatte nicht abkühlen?

In der Mitte des Projektes liegt der Wahlsonntag. Vertreter dieser Parteien wurden auf Podiumsdiskussionen gefragt, ob sie sich die Installation anschauen, und sie sagten: Nein! Von dieser Ablehnung wird nicht abgerückt, dieses gebetsmühlenartige Behaupten von Unwahrheiten ist offensichtlich nicht auszurotten.

Die Bäume standen nicht plötzlich im Stadion, vorausgegangen war eine Vorbereitungszeit von sechs Jahren. 2017 haben Sie mit der Stadt die Verträge geschlossen. Gab es denn in dieser Phase schon Kritik?

Ich komme seit sechs Jahren hierher, vor drei Jahren hat sich Frau Mathiaschitz, die Bürgermeisterin, für das Projekt ausgesprochen. Ab dem Moment ging es los mit der Behauptung, wir würden Steuergeld verbraten. Jetzt gab es, um es in der Fußballsprache zu sagen, noch eine Steilvorlage: weil der Wolfsberger AC, ein Verein aus der Region, in die Europa League gerutscht ist und für diese Spiele plötzlich das Stadion nutzen wollte. Das war natürlich nicht mehr möglich, weil unser Projekt so weit fortgeschritten war. Aber diese Parteien nehmen das auf und instrumentalisieren das im Wahlkampf.

Illustration - Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur von Max Peintner 1970/71
Max Peintners "Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur" aus dem Jahr 1971 diente als Vorlage für das KunstprojektBild: Max Peintner

Das Stadion gilt als Vermächtnis des verstorbenen Rechtspopulisten Jörg Haider. Ihr Projekt ist privat finanziert und der Eintritt ist kostenlos, es wird also niemand vom Zugang ausgeschlossen. Wieso konnte die Ablehnung trotzdem auf so fruchtbaren Boden fallen?

Ich glaube, es hat schon stark mit der Geschichte dieses Stadions zu tun, das auf dieser Stadt lastet wir eine Hypothek. Die Bevölkerung zahlt dieses Stadion immer noch ab, es hat fast hundert Millionen Euro gekostet und belastet hier die Bürger und den Haushalt extrem. Das ist schon immer ein Politikum und ein Zankapfel gewesen. Es ist kleiner politischer Hickhack und hat mit meinem Projekt inhaltlich überhaupt nichts zu tun. Die Ablehnung geht gegen den Landeshauptmann und die Bürgermeisterin, beide von der SPÖ. Ich habe auch mal eine Dame, die bei der FPÖ für Kunst und Kultur zuständig ist, gefragt, was ihre Partei an dem Projekt auszusetzen hat. Am Ende hat sie gesagt, sie seien halt in der Opposition.

Wir haben die Waldbrände im Amazonas-Gebiet verfolgt, in Europa werden Pläne zur Aufforstung von Mischwäldern erarbeitet, um Monokulturen und Waldsterben zu verhindern. Ihre Installation ist hochaktuell. Wie sehr wurmt es Sie als Initiator und Künstler, dass diese Themen in den Hintergrund getreten sind?

Das ist lokal bedingt, weltweit steht der Inhalt schon an vorderster Stelle. Kunstprojekte sind immer auch politisch. Dieses Projekt beinhaltet ja wahnsinnig viele verschiedene Themen, die in sämtlichen künstlerischen Ausdrucksformen vorkommen: der Wald, der Baum, die Natur. Ich verfolge die Idee seit 30 Jahren - und dass sie nun so punktgenau gelandet ist, das ist mir selbst ein bisschen unheimlich. Durch diese Tagesaktualität ist es wirklich ein Mahnmal in der ganzen Klimadiskussion. Ich produziere ein radikales Bild, aber von der Machart her ist es relativ einfach: Ich nehme etwas und stelle es in einen neuen Kontext, was die Wahrnehmung des Einzelnen herausgefordert. Mir ist es wichtig, dass die Menschen sich da frei bewegen und fragen: Was hat das mit mir zu tun, wie gehe ich mit Natur um?

Kunst soll herausfordern, man kann eine Umsetzung auch aus inhaltlichen Gründen ablehnen. Die Bäume sind aus Baumschulen durch halb Europa transportiert worden, was man kritisieren kann. Haben Sie den Eindruck, dass solche Diskussionen erstickt wurden, weil niemand die Argumente der Rechtspopulisten befeuern wollte?

Inzwischen wird offen diskutiert, auch kritisch. Ich muss darüber diskutieren und erklären, wie weit das unter ökologischen Gesichtspunkten verantwortbar ist. Es sind verschulte Bäume, anders geht es bei so einer Installation nicht. Da stehe ich dann auch in der Verantwortung. Solche Gespräche finden statt und manchmal lassen sich Menschen davon überzeugen, dass es eine künstlerische Radikalität braucht.

Klagenfurt | Waldinstallation im Fußballstadion - For Forest von Klaus Littmann
Die 299 Bäume, die einen Mischwald ergeben, sollen nach der Installation auf dem Campus in Klagenfurt gepflanzt werdenBild: picturealliance/dpa/UNIMO

Die Bäume sollen nach dem Ende der Installation auf dem Campus in Klagenfurt eingepflanzt werden.

Ja, wenn Sie mit einem Projekt in den öffentlichen Raum gehen, hat immer jemand etwas zu kritisieren. Deshalb müssen Sie sich vorher über die Angriffsfläche des Projekts Gedanken machen. Das wäre hier die spätere Verwendung der Bäume gewesen. Wir verpflanzen den Wald eins zu eins in der Nähe der Universität und planen einen Pavillon aus Holz, in dem das Thema und die Geschichte des Projekts weiter verhandelt werden.

Ein Bild des Malers Max Peintner diente Ihnen als Inspiration: eine Dystopie, die damals, 1971, weit weg schien - wie Orwells "1984" oder Huxleys "Schöne neue Welt". Konnten Sie sich damals vorstellen, dass die Realität der Kunst einmal so nahe kommen würde?

Ich habe das Bild vor 30 Jahren gesehen, und es war für mich damals schon faszinierend, dass Max Peintner die Vision hatte, dass wir Natur eines Tages nur noch in zugewiesenen Orten wie einer kraterartigen Architektur anschauen können. Der wunderbare Titel des Bildes, "Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur", drückt eine Sehnsucht aus, und ich schließe nicht aus, dass es noch weiter in diese Richtung geht.

Die Installation "For Forest" ist bis zum 27. Oktober 2019 täglich zwischen 10 und 22 Uhr im Wörthersee Stadion in Klagenfurt zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Klaus Littmann ist Schweizer Galerist, Kurator und Künstler. Von 1970 bis 1976 studierte er an der Düsseldorfer Kunstakademie, unter anderem bei Joseph Beuys.

Das Gespräch führte Torsten Landsberg.