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Fast eine Nicht-Beziehung

Christoph Hasselbach23. September 2012

Die EU weiß nicht, wie sie mit Belarus umgehen soll. Weder Partnerschaftsangebote noch Sanktionen haben Präsident Lukaschenko von seiner autokratischen Politik abgebracht. Der laviert zwischen Ost und West.

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Präsident Alexander Lukaschenko (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments, hat dem Thema Belarus eine besonders prominente Rolle eingeräumt. Gleich zu Beginn der Sitzungsperiode nach der Sommerpause rief er die Regierung unter Präsident Alexander Lukaschenko in Minsk dazu auf, "sicherzustellen, dass bei den Parlamentswahlen die internationalen Standards gewahrt bleiben und dass alle Kandidaten eine faire Chance haben."

Schulz sprach von "fortgesetzten Verletzungen der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Werte" in Belarus. Das müsse sich ändern: "Wir fordern alle hier in diesem Parlament den Diktator zu Reformen und zu politischem Wandel auf. Als erster Schritt muss die sofortige und bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen und ihre volle Rehabilitierung erfolgen." Schulz nannte namentlich die Oppositionspolitiker Ales Bialiatski, Mikalai Statkevich, Pavel Sevyarynets, Syarhey Kavalenka und Dzmitry Dashkevich. "Diese Leute sollen wissen: Wir hier im Europäischen Parlament haben sie nicht vergessen."

Schwankende EU-Politik

Nicht jeder in der EU nimmt so eindeutig Stellung. Im Grunde genommen hat die EU im Umgang mit Belarus unter Präsident Lukaschenko immer eine Doppelstrategie verfolgt. Das gibt die EU-Außenrepräsentantin Catherine Ashton auch offen zu: "Auf der einen Seite gezielte Sanktionen, auf der anderen Seite ein verstärkter Dialog mit der Zivilgesellschaft und ihre Unterstützung".

Demonstranten mit Spruchband "europäisches Belarus" (Foto: dpa)
Demonstration in Minsk 2009 für die EUBild: picture-alliance/dpa

Aber die EU suchte durchaus auch mit Lukaschenko selbst die Zusammenarbeit. So nahm die EU Belarus trotz fortgesetzter Menschenrechtsverletzungen und der Unterdrückung der Opposition 2009 in das Programm der "Östlichen Partnerschaft" auf. Dadurch sollen sechs ehemalige Sowjetrepubliken möglichst nah an die EU herangeführt werden. "Unsere Tür steht offen", sagte damals der schwedische Außenminister Carl Bildt dazu. Der Grad der Zusammenarbeit hänge aber innerhalb der Partnerschaft "vom inneren Zustand der Länder ab". Es gab auch von belarussischer Seite zu Beginn der Ost-Partnerschaft eine relative Tauwetterphase. So bemühte sich Lukaschenko eine Zeitlang um Annäherung und versprach eine Öffnung seiner Politik.

Deutsche Hilfe für belarussische Polizei

In diese Zeit fällt auch die vorübergehende deutsche Hilfe für die belarussische Polizei, die jetzt heftig kritisiert wird. Bundespolizei und Bundeskriminalamt bildeten zwischen 2008 und 2011 Sicherheitskräfte aus Belarus aus und überließen ihnen Computer, Kameras und Fahrzeuge. Die Belarussen konnten dabei auch sehen, wie die deutschen Polizisten bei den heftig umstrittenen Atommülltransporten nach Gorleben mit Demonstranten umgehen. Erst im Sommer dieses Jahres wurde die Zusammenarbeit bekannt - und schlug ein wie eine Bombe.

Auch wenn Schlagstöcke und Kampfmonturen offenbar nicht zu den Ausrüstungsgegenständen gehörten, ereiferte sich der deutsche Grünen-Europaabgeordnete Werner Schulz: "Ausgerechnet der deutsche Rechtsstaat liefert Anschauungsunterricht für Diktatoren. Was die Milizen von Lukaschenko in Gorleben gelernt haben, haben sie später erfolgreich bei der Niederschlagung von Protesten angewendet." Dem belarussischen Innenministerium zufolge ging es bei der Zusammenarbeit um "die Bekämpfung des illegalen Autohandels und der illegalen Migration".

Wer nicht hören will, muss fühlen

Insgesamt überwiegt im Verhältnis zwischen der EU und Belarus aber nicht das Zuckerbrot, sondern die Peitsche. Das gilt vor allem für die Zeit um die Präsidentschaftswahl Ende 2010, als die Regierung besonders heftig gegen Oppositionelle vorging. Spätestens seitdem sprechen viele westliche Politiker von der "letzten Diktatur Europas".

Teddybären an Fallschirmen landen in der Stadt (Foto: picture-alliance/dpa)
Wirbel um TeddybärenabwurfBild: picture-alliance/dpa

Die EU reagierte mit Sanktionen. "Präsident Lukaschenko muss verstehen, dass er alle politischen Gefangenen freilassen muss", sagte der niederländische Außenminister Uri Rosenthal bei einer der Sanktionsrunden. "Wenn er das nicht auf sanfte Art begreift, dann eben durch Härte." Seit 2011 besteht ein Waffenembargo, und die EU hat Lukaschenko und zahlreiche seiner Regierungsmitglieder mit einem Einreiseverbot belegt.

Operation Teddybär

Beinahe komische Aspekte hatte dagegen eine schwedische Aktion in diesem Sommer: Ein schwedisches Kleinflugzeug hatte hunderte Teddybären mit kleinen Fallschirmen über dem belarussischen Territorium abgeworfen. Sie trugen Schilder mit Protestbotschaften gegen Menschenrechtsverletzungen. Minsk verwies daraufhin alle schwedischen Diplomaten des Landes. Aber auch die Chefs der belarussischen Luftwaffe und des Grenzschutzes mussten gehen, offenbar weil sie die Aktion nicht verhindert hatten.

Insgesamt haben die Sanktionen aber nach Meinung der Belarus-Expertin Giselle Bosse von der Universität Maastricht wenig genützt. Sie seien für Lukaschenko zwar "schlecht fürs Image", auch "ärgern sich die Eliten des Landes, dass sie nicht ausreisen können". Doch die Sanktionen würden von manchen EU-Staaten auch unterlaufen. Dass sie Lukaschenko dazu bewegen, seine Politik zu ändern, "ist wirklich fraglich".

Die Bevölkerung hofft auf Besserung - aus Moskau

Wie geht es weiter in dieser schwierigen Beziehung? Der österreichische Außenminister Michael Spindelegger hofft auf Lukaschenkos Einsicht: "Letztlich hat er ja wenig Alternativen. Entweder bindet er sich noch stärker an Russland, oder er geht in Richtung einer Partnerschaft mit der Europäischen Union." Und die liege in seinem eigenen Interesse. "Da muss ihm klar sein, dass ihm der Weg versperrt sein wird , wenn er sich weiter so gegenüber der Opposition verhält."

Giselle Bosse (Foto: G.Bosse)
Belarus-Expertin Giselle Bosse von der Uni MaastrichtBild: G.Bosse

Giselle Bosse dagegen hält gerade das Nichtentscheiden Lukaschenkos für dessen Strategie. Seit fünf, sechs Jahren versuche er einen Spagat: "Sowie die Beziehungen zu Russland schwieriger wurden, hat er sich der EU angenähert. Als die EU dann wieder Sanktionen auferlegt hat, hat er versucht, sich Russland anzunähern." Ohnehin habe Russland ungleich bessere Einflussmöglichkeiten, glaubt Bosse, und sollte Lukaschenko irgendwann einmal auf Druck von außen verschwinden, dann auf Initiative Russlands und nicht der EU.

Im Moment tendiere auch die Bevölkerung eher Richtung Moskau. Sie erhoffe sich laut Umfragen wirtschaftlich "mehr von einer Union mit Russland als mit der EU". Deswegen warnt auch Giselle Bosse vor Illusionen, was die Parlamentswahl am Sonntag (23.09.2012) angeht. Die Opposition werde nicht nur unterdrückt, sie werde auch von weiten Teilen der Bevölkerung nicht als Alternative anerkannt. Lukaschenko bleibe dagegen weiter unbeliebt. Fazit der Belarus-Kennerin: "Der Gewinner der Wahl könnte am Ende tatsächlich Russland sein."