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"Ein ganz Großer unter den Großen"

Carola Hoßfeld3. April 2005

Der Papst ist gestorben. Im Laufe eines Vierteljahrhunderts hat Johannes Paul II. der römisch-katholischen Kirche seinen Stempel aufgedrückt. Ein Nachruf.

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Er wird als Papst der Superlative in die Geschichte eingehenBild: AP

"Der Auftrag der Kirche ändert sich nicht ...", diese Auffassung vertrat Papst Johannes Paul II. zeitlebens mit Nachdruck. Der am Samstag (2.4.2005) verstorbene ehemalige Erzbischof von Krakau wurde am 18. Mai 1920 in Polen geboren. Karol Wojtyla hat die römisch-katholische Kirche mit seiner Autorität über ein Vierteljahrhundert lang geführt.

Seine Wahl zum Papst am 16. Oktober 1978 hatte er den Italienern zu verdanken, die sich nicht auf einen Kandidaten aus ihren eigenen Reihen einigen konnten. So saß mit Papst Johannes Paul II. zum ersten Mal seit 455 Jahren ein Nicht-Italiener auf dem Stuhl Petri. Die charismatische Ausstrahlung des Polen, sein Intellekt und nicht zuletzt seine robuste Gesundheit hatten die Kardinäle im Konklave für ihn stimmen lassen. Schließlich war sein Vorgänger, Johannes Paul I., nach nur 33 Tagen im Amt gestorben.

Anpassung an den Zeitgeist

Galerie Papst 25 Jahre New York
Johannes Paul II. in New York, ein Jahr nach seiner Wahl zum PapstBild: AP

Das heutige Profil der römisch-katholischen Kirche trägt die Handschrift von Papst Johannes Paul II., geht aber auch auf die Auseinandersetzung mit einem veränderten Zeitgeist zurück. Der pochte schon vor der Wahl von Karol Wojtyla an die Kirchenpforten. Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1962 bis 1965 hatte sich die katholische Kirche daher Modernisierung verordnet: Sie schaffte die lateinische Messe ab, wertete Laien und Bischöfe auf und strebte eine kollegiale Kirchenleitung an. Diese "Öffnung zur Welt" blieb nicht ohne Wirkung: Theologen stellten alle Dogmen in Frage, Katholiken ignorierten das Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung, und in Lateinamerika verbündeten sich Priester und Ordensleute mit dem Marxismus.

Moralisch restriktiver Kurs

Noch vor der Amtsübernahme durch Johannes Paul II. begann aber eine Phase der Restauration. Sie erreichte ihren Höhepunkt mit dem als "Pillen-Enzyklika" populär gewordenen päpstlichen Lehrschreiben "Humanae Vitae", das Empfängnisverhütung verbietet. Johannes Paul II. hat den moralisch restriktiven Kurs fortgesetzt, gerade auch in punkto Sexualität und Empfängnisverhütung. Geschlechtsverkehr - darunter verstand dieser Papst ausschließlich einen ehelichen Akt zum Zwecke der Kinderzeugung: "Lasst die eheliche Liebe fruchtbar werden in den Kindern, die Gott Euch schenken will." Mit dieser Haltung rief er besonders in den westlichen Industriegesellschaften viele Kritiker auf den Plan, auch innerhalb der Kirche. Seine Einstellung sei "unzeitgemäß", lautete der Vorwurf.

Schuldbekenntnis für Sünden der Kirche

Johannes Paul II in China
Der Papst, als er in China um Vergebung für die Sünden der katholischen Kirche batBild: AP

In anderen Domänen wusste Johannes Paul II. aber durchaus, die Zeichen der Zeit vorausschauend zu deuten. Er hat deshalb Weltgeschichte geschrieben wie kaum einer seiner Vorgänger: Viel Beachtung fand sein großes Schuldbekenntnis für vergangene Sünden der Kirche - ein Jahrhundertereignis. Johannes Paul II. hat das ökumenische Gespräch gesucht und als erster Papst eine Synagoge und eine Moschee besucht. Sein Plädoyer für die Achtung der Weltreligionen war ein grandioser Dienst am Frieden. Seine Friedensgipfel der Religionsführer aus aller Welt in Assisi bedeuteten schließlich einen Meilenstein in der Religions- und Zivilisationsgeschichte. Unermüdlich ergriff der Papst das Wort für den Frieden und gegen Krieg, Unterdrückung, Menschenrechtsverletzungen und Unfreiheit.

Konsequent trug Karol Wojtyla auch seine Kritik am materialistischen Zeitgeist vor: "Im Osten haben die atheistischen Regime geistig-seelische Wüsten hinterlassen, während im Westen der Gefahr einer übermäßigen Konsumorientierung zu begegnen ist, die die geistigen Werte der Gesellschaft zu ersticken droht."

Ein "ganz Großer unter den Großen"

Auch wenn sich an Johannes Paul II. stets die Geister schieden: Unstrittig geht er als Papst der Superlative in die Geschichte ein. Er war ein charismatischer, visionärer, willensstarker Nachfolger Petri. Er war, in den Worten eines italienischen Schriftstellers, ein "ganz Großer unter den Großen dieser Erde". Der Nachfolger von Johannes Paul II. wird - soviel ist schon jetzt klar - ein schweres Erbe antreten.