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Neue Einblicke ins Erdmagnetfeld

Cornelia Borrmann19. Juni 2014

In Kopenhagen stellen Geoforscher erste Ergebnisse der SWARM-Mission vor. In den kommenden Jahren wollen sie aus den Daten und wissenschaftlichen Erkenntnissen Produkte für ganz neue Anwendungen entwickeln.

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SWARM-Mission der ESA
Bild: ESA

Ein Sonnensturm trifft auf die Erde

Schon fünf Monate nach dem Start lieferte das SWARM-Satellitentrio präzise Messungen für fast alle Instrumente. Frühere Missionen hätten zehn Jahre gebraucht, um deren Genauigkeit zu erreichen. "Ich war schwer begeistert von den ersten Daten", schwärmt Claudia Stolle.

Die Professorin leitet am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam die Sektion "Erdmagnetfeld". In Kopenhagen präsentieren sie und ihre Kollegen am 19. Juni 2014 ihre Ergebnisse zu den sogenannten externen Anteilen des Erdmagnetfelds. Das ist der Bereich, in dem es die schnellsten Veränderungen gibt. Sie entstehen durch die Wechselwirkung des Erdmagnetfelds mit Sonnenstrahlung und kosmischer Strahlung aus unserer Heimatgalaxie. Deshalb spricht die Fachwelt auch von Weltraumwetter.

Die große Herausforderung für Magnetfeldforscher

Die SWARM-Satelliten haben stets alle Quellen des Erdmagnetfelds zugleich im Blick. "Wir bekommen hier eine Mischinformation in der Messung." erklärt Claudia Stolle. "Wenn wir die verschiedenen Prozesse im Erdkern und im nahen Weltraum erforschen wollen, dann müssen wir die unterschiedlichen Quellen des Magnetfelds sauber trennen."

Ein Sonnensturm trifft auf die Erde

Und das geht nur mit hochgenauen Daten. Die liefern die Messinstrumente an Bord. Das Vektorfeldmagnetometer VFM zusammen mit dem Absolutmagnetometer ASM können zum Beispiel Stärke und Richtung des Magnetfelds präzise ermitteln. Und das Elektrische Feldinstrument EFI ist mit speziellen Sensoren ausgerüstet, die Geschwindigkeit und Eintrittswinkel von aufprallenden Ionen bestimmen.

Mit diesen Daten können Claudia Stolle und ihre Mitarbeiter dann elektrische Ströme in der Ionosphäre, der Lufthülle unseres Planeten erforschen und ergründen, wie diese Ströme zustande kommen. Das wird unter anderem auch helfen, die Vorhersage von stürmischen Weltraumwettern zu verbessern.

Der schwierige Weg zur Präzision

Um die nötige Präzision der Messsdaten zu erreichen, muss die Position der Satelliten immer genaustens bekannt sein. "Der Satellit fliegt ja mit einer Geschwindigkeit von acht Kilometern pro Sekunde durch die Magnetfeldlinien hindurch." erklärt Dr. Ludwig Grundwald vom GFZ das Problem. "Wenn ich das Magnetfeld wirklich genau kartografieren will, dann muss ich schon wissen, wo der Satellit sich befindet. Da geht es dann schon um Zentimeter." Denn die Wissenschaftler müssen die Messungen aus dem All mit der Erdoberfläche verorten.

Zur genauen Positionsbestimmung der Satelliten dienen gleich drei Instrumente an Bord: Sternenkameras, die ständig die Sternenkonstellation im Blick haben, GPS-Empfänger und Laserreflektoren - spezielle Prismen aus Quarzglas. Diese Prismen haben Wissenschaftler am GFZ entwickelt. Jedes Mal, wenn die Satelliten über Potsdam fliegen, nimmt eine Bodenstation sie mit einem Laser ins Visier. Und mißt: Wie lange braucht das Licht vom Boden zum Satelliten und wieder zurück? Aus der Zeitdauer lässt sich die Position der Satelliten präzise berechnen.

Wie das Erdmagnetfeld vor kosmischer Strahlung schützt

Wie aus Daten Erkenntnisse werden

Schon seit mehreren Wochen sind die Messungen der SWARM-Satelliten so genau, dass sich die unterschiedlichen Quellen des Erdmagnetfelds nun trennen lassen. "Das in seiner Stärke dominante Hauptfeld entsteht im flüssigen Teil des Erdkerns", beschreibt Claudia Stolle. Den zweiten Anteil steuern magnetisierte Gesteine in der Lithosphäre bei, das sogenannte Krustenfeld. Eine weitere Quelle sind Stromsysteme im erdnahen Weltraum. Und auch die Ozeanströmungen erzeugen eine schwache magnetische Signatur.

Um die einzelnen Quellen zu trennen analysieren die Forscher die Satellitendaten mit speziellen Computerprogrammen. Wie Siebe, die unterschiedlich große Sandkörner herausfiltern, so durchforsten diese Programme die Datenberge nach Magnetfeldveränderungen, die sich über Sekunden, Stunden, Tage und sogar über Jahre vollziehen, die also verschieden schnell ablaufen.

SWARM-Mission der ESA
Die SWARM-Satelliten umkreisen die Erde im Team und erfassen das Magnetfeld hochpräzise.Bild: ESA–P. Carril

Die Quellen des Erdmagnetfelds fassbar machen

Denn die einzelnen Quellen des Erdmagnetfelds haben eine sehr unterschiedliche Dynamik. Im Inneren der Erde, wo das Hauptfeld entsteht, am äußeren Rand des heißen Erdkerns, bewegt sich das Strom leitende, flüssige Eisen nur sehr langsam. Deshalb verändert sich das Erdmagnetfeld hier nur über lange Zeiträume wie Jahre und Jahrzehnte.

Im Gegensatz zum Magnetfeld im erdnahen Weltraum. Dort kann es innerhalb weniger Sekunden zu turbulenten Veränderungen kommen. Zum Beispiel wenn ein Sonnensturm die Erde trifft.

Den Analysewerten ordnen die Geoforscher dann Farben zu. So entwickeln sie aus den Daten zum Beispiel anschauliche Modelle für die unterschiedlichen Quellen des Erdmagnetfelds: vom Kern über die Gesteinskruste bis hin zum erdnahen Weltraum.

Das goldene Zeitalter beginnt

Auf der Konferenz in Kopenhagen präsentieren Wissenschaftler aus der ganzen Welt erste Ergebnisse. Unter anderem können sie schon zeigen, wie sich das Erdmagnetfeld in den letzten sechs Monaten verändert hat.

Spektakuläre Entdeckungen sind dabei noch nicht zu erwarten. Mit ihren Präsentationen wollen die Forscher der Fachwelt und möglichen Nutzern demonstrieren, wie hoch die Qualität der SWARM-Daten ist. Und sie motivieren, neue Anwendungen dafür zu entwickeln. Um das enorme Potenzial der Informationen, die nun verfügbar sind, so schnell und so weit wie möglich auszuschöpfen.

Claudia Stolle und ihre Kollegen wollen mit den SWARM-Daten im Detail erforschen, wie Magnetfeld, Erdatmosphäre und Sonnenstrahlung mit einander wechselwirken. Sie sind schon ganz gespannt darauf, nun viel kleinere Strukturen und auch kurzlebigere Prozesse im externen Magnetfeld beobachten zu können, als das bisher möglich war. Um zum Beispiel zu klären: Wie beeinflussen irdische Wetterphänomene die Auswirkungen von Turbulenzen in der hohen Atmosphäre und auch die Auswirkungen von Sonnenstürmen?

Welche Rolle das Magnetfeld zum Beispiel für das Klima spielt und über welche Prozesse es einen Einfluss darauf hat, das ist noch weitgehend unbekannt. Auch hier erwarten die Wissenschaftler bahnbrechende Erkenntnisse. Das Goldene Zeitalter der Magnetfeldforschung hat begonnen.