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Ein "Hauch von Olympia" weht durch Berlin

3. August 2019

Um ihre Präsenz im TV und somit die Wahrnehmung in Deutschland zu steigern, führen zehn Sportarten ihre nationalen Meisterschaften zeitgleich in Berlin durch. Mancher träumt schon von viel mehr.

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Leichtathletik - DM - Konstanze Klosterhalfen
Läuferin Konstanze Klosterhalfen rennt zu neuen RekordenBild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

Sie alle eint ein Dilemma: Die Präsenz ihrer Sportarten ist angesichts der gesellschaftlichen und medialen Übermacht des Fußballs in Deutschland nicht besonders hoch. Zumindest nicht regelmäßig. Es sind gerade die traditionellen Olympischen Sportarten, denen nur selten die "großen Bühne des Sports" vorbehalten ist. Als Leichtathlet, Schwimmer oder Bahnradfahrer weiß man, es muss mindestens eine WM, besser noch Olympia sein, damit man dort stattfindet, wo das Millionenpublikum erreicht wird: in TV-Übertragungen zur besten Sendezeit.

Taktgeber Fernsehen

Mit den "Finals" in Berlin gehen die zehn Sportarten Bahnradsport, Bogensport, Boxen, Kanu, Leichtathletik, Moderner Fünfkampf, Schwimmen, Turnen, Triathlon und Trial zum ersten Mal einen gemeinsamen Weg. Mit ARD und ZDF sind die benötigten Medienpartner mit an Bord. Und der Sport richtet sich nach den Vorgaben der Sender: ein zentralisiertes Event, von den Sendern maßgeblich mitbestimmte Wettkampf-Zeitpläne, TV-konforme Terminierung - damit der Fernseh-Boost auch richtig funktioniert, stellt der Sport den Anstalten quasi einen Blankocheck aus. Die Marketing-Abteilungen der Sender wiederum schaffen mit dem Motto "ein Hauch von Olympia" das publikumswirksame Motto.

European Championships als Vorbild

Wie gut ein solches zentralisiertes und an TV-Übertragungen ausgerichtetes Gemeinschaftsevent diverser Sportarten funktionieren kann, hat im vergangenen Jahr die Erstauflage der "European Championships" gezeigt. Hier wurden ebenfalls Meisterschaften - in diesem Falle Europameisterschaften - diverser Sportarten parallel ausgetragen und zentral vermarktet. Auch hier war Berlin, neben Glasgow, mit der Ausrichtung der Leichtathletik Veranstaltungsort. Dieses "Mini-Olympia" fand bei Athleten, Fans wie auch den Fernsehanstalten nahezu ausschließlich ein positives Echo .

Meistertitel im Vorbeigehen, Klosterhalfen mit Rekord

Die sportliche Relevanz der Finals, also der nationalen Meisterschaften, ist dabei hinter der Vermarktungsstrategie teils zweitrangig. Als "völlig irrelevant" bezeichnete Schwimm-Teamchef Bernd Berkhahn die Wettbewerbe bereits im Vorfeld. Der Zeitpunkt passte so kurz nach dem Saisonhöhepunkt, der WM in Südkorea, eigentlich gar nicht. Die enorme mediale Bedeutung der Finals schien aber jedem bewusst und machte eine Teilnahme trotz sportlicher Bedeutungslosigkeit attraktiv.

Schwimmen: Deutsche Meisterschaft - Florian Wellbrock
Deutscher Meister über 1.500 m Freistil: Florian WellbrockBild: picture-alliance/dpa/B. Thissen

Und so sicherte sich Florian Wellbrock, frisch gebackener Weltmeister über 1500 Meter Freistil, auch in Berlin die Goldmedaille als Deutscher Meister in der gleichen Disziplin. Meistertitel quasi im Vorbeigehen, und das unter höchster Medienpräsenz kurz nach seinem WM-Doppelgold - keine schlechte Leistung. "Ich habe mich darauf konzentriert, dass es einigermaßen schnell wird. Ich wollte hier nicht abbaden, das wäre unsportlich gewesen", so der 21-Jährige, dessen Triumphe in Südkorea nicht live im deutschen Fernsehen zu sehen waren. Die sportlichen Sternstunden gab es bei der WM, die publikumswirksamen nun in Berlin quasi nachgeliefert. "Der Hype ist schon krass", sagt Wellbrock über die Finals in der Hauptstadt. Worte, die Veranstalter, Verbandsvertreter und die Chefetagen der Sender wohlwollend vernommen haben dürften.

Selbiges gilt sicherlich auch für die Sternstunde der Konstanze Klosterhalfen am Samstag vor 26.200 Zuschauern im Berliner Olympia-Stadion. Mit einer Traumzeit von 14,26.76 Minuten über die 5000 Meter lief sie nicht nur zum Deutschen Meistertitel sondern auch gleich zu einem neuen nationalen Rekord. Es sind Geschichten wie diese und Protagonisten wie Klosterhalfen, Wellbrock oder Sprinterin Tatjana Pinto, die den Meistertitel über 100 Meter holte und dabei die EM-Zweite Gina Lückenkemper hinter sich ließ, die die Premiere der Finals braucht. Und es sind möglicherweise die Finals, die die Athleten ihrerseits brauchen, um endlich auch regelmäßig in den Genuss von Erfolgen nicht sportlicher Natur zu kommen.

Initialzündung für Olympische Spiele?

Und dann ist da ja noch der "Hauch von Olympia in Berlin", den Veranstalter und TV-Sender im Vorfeld beschworen hatten. Er ist an diesem Wochenende in der Hauptstadt durchaus spürbar gewesen. Nicht nur die Athleten dürfte es nach "mehr davon", nach mehr Medienpräsenz und mehr Vermarktungsmöglichkeiten dürsten.

Auch der eine oder andere Funktionär träumt im Fahrwasser der Finals-Premiere in ganz anderen Sphären. "Ich glaube, es würde uns gut zu Gesicht stehen, gegenüber der Weltöffentlichkeit wieder Gastgeber zu sein", sagte Jürgen Kessing, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), bereits am Sonntag vor dem Ende der Finals. Gemeint war natürlich Gastgeber von Olympischen Spielen - für einen DLV-Präsident naturgemäß eines der höchsten Ziele.

DW Kommentarbild David Vorholt
David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion