1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ein indonesischer Jesuit aus Deutschland

Rodion Ebbighausen6. November 2013

Franz Magnis-Suseno ist in Deutschland nur einem kleinen Kreis von Indonesienexperten bekannt. Dabei gehört er zu den wichtigsten Brückenbauern des interreligiösen Dialogs weltweit, wie eine neue Biografie zeigt.

https://p.dw.com/p/1AD68
Franz Magnis-Suseno, SJ (* als Franz Graf von Magnis; 26. Mai 1936 in Eckersdorf, heute Bożków in Polen; Landkreis Glatz) ist ein katholischer Theologe und Sozialphilosoph in Indonesien. Quelle: Wikimedia English: frans magnis suseno Date 2008 Source Own work Author Channel443 http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Frans_magnis_suseno.jpg
Franz Magnis-SusenoBild: gemeinfrei

Der Jesuitenpater Franz Magnis-Suseno wurde 1936 in Schlesien geboren. 1961 führte ihn sein Weg in das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt: Indonesien. Dort fand der junge Katholik eine neue Heimat. Er vertiefte sich zuerst in die Kultur und Sprache der Insel Java, später in die Landessprache "Bahasa Indonesia", bis er in den Kulturen des größten Inselstaats der Welt genauso zuhause war wie im abendländischen Denken. Damit wurde er zu einem einzigartigen Vermittler, der Europas Kultur in Indonesien und die indonesische Kultur in Europa wie kein zweiter erklären und verständlich machen konnte. "Sein Anliegen ist, das Denken und Handeln Indonesiens zu begreifen, es anderen verständlich zu machen und um Dialog zu werben", so der Soziologe Heinz Schütte in der gerade unter dem Titel "Dialog, Kritik, Mission" erschienenen Biografie Magnis-Susenos.

Kritiker der indonesischen Politik

Als katholischer Priester, Philosoph und engagierter Intellektueller beteiligte sich Magnis-Suseno aktiv an den politischen und religiösen Debatten seiner Wahlheimat Indonesien. Ein Beispiel: 2013 verleiht die US-amerikanische Stiftung "The Appeal of Conscience Foundation" dem amtierenden indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono den "World Statesman Award". Die Stiftung fördert ihrem Selbstverständnis nach die Beziehungen zwischen den Religionen und deren Führer, die für Frieden und Toleranz einstehen. In der Begründung der Stiftung heißt es, der Präsident erhalte den Preis für die Förderung der religiösen Toleranz.

Magnis-Suseno protestiert in einem Brief an die Stiftung mit scharfen Worten: "Es ist eine Schande, eine Schande für Sie. Der Preis diskreditiert jeden Anspruch, den Sie als Institution mit moralischen Grundsätzen erheben." Der Pater begründet seinen Widerspruch damit, dass Präsident Yudhoyono den Schutz von ethnischen und religiösen Minderheiten in seiner mehr als achtjährigen Amtszeit sträflich vernachlässigt habe. Der Preis ging trotzdem an Präsident Yudhoyono.

Schütte berichtet, dass Magnis-Suseno, wie viele andere muslimische Geistliche und führende Intellektuelle in Indonesien von den Politikern ihres Landes enttäuscht sind.
Diese seien in ihren Augen absolut korrupt. Die Geistlichen werfen ihnen vor, die sozialen Probleme des Landes nicht anzugehen und die Demokratie insgesamt zu gefährden.

Überzeugung und Neugier

Das unbeugsame Einstehen für die eigenen Überzeugungen bei gleichzeitigem Respekt gegenüber anderen Sicht- oder Lebensweisen begründet Magnis-Susenos Wirkung in Indonesien und gilt als Vorbild für den interreligiösen Dialog. Magnis-Suseno bemühe sich um Verständnis, ohne Unterschiede zu unterschlagen und die Wahrheit allein für sich zu beanspruchen, schreibt der Biograf Schütte: "Er nimmt sein Gegenüber, die anderen, ernst, respektiert sie in ihrem Anderssein, aber er bleibt Katholik und Jesuit."
Magnis-Suseno betrachtet sich selbst als "Missionar, der eine Botschaft weitertragen und Menschen dafür gewinnen will, allerdings aufgrund eines katholischen und menschlichen Verständnisses, das die Identität des anderen respektieren und sogar hochachten kann."

Der interreligiöse Dialog, den Magnis-Suseno über Jahrzehnte mit führenden Vertretern des Islams geführt hat, zielt immer auf die rationalen Gemeinsamkeiten des Glaubens. Das ist auch das zentrale Anliegen der philosophischen Hochschule Driyarkara in der indonesischen Hauptstadt Jakarta, die der Jesuit gegründet hat und an der er bis heute lehrt.

Der Dialog gelingt, weil Magnis-Suseno selbstbewusst eigene Position vertritt, zugleich aber offen und neugierig ist für andere Perspektiven. Eben diese Fähigkeit ist die Grundlage jedes echten interreligiösen Dialogs - so zeigt Schütte in der Biografie. Die Grundlage dafür wurde nach Ansicht des Biografen bereits in der Schulzeit gelegt. Von 1957 bis 1960 studierte Magnis-Suseno an der Jesuitenhochschule in Pullach bei München Ordensphilosophie – natürlich auf Latein. Aber Magnis-Suseno lernte auch Russisch und befasste sich kritisch mit der kommunistischen Philosophie. Bis heute hat er große intellektuelle Achtung vor Marx, für den Religion "Opium fürs Volk" ist.

JAKARTA, INDONESIA - SEPTEMBER 06: A member of an Indonesian hardline Islamic group shouts slogans during a protest against the forthcoming Miss World competition on September 6, 2013 in Jakarta, Indonesia. Hundreds of members of hardline Islamic groups have been protesting against the holding of the 63rd annual edition of the Miss World pageant, which is set to start this Sunday in Bali, saying that the competition is immoral, indecent and is counter to Islamic values. (Photo by Ed Wray/Getty Images)
Die radikalen Muslime in Indonesien sind gut organisiert. Hier protestieren sie gegen die Wahl zur Miss Muslim World 2013.Bild: Getty Images
Bildbeschreibung: Heinz Schütte auf dem Domforum in Köln am 05.11.2013 Titel: Heinz Schütte Schlagworte: Soziologe, Biograf, Autor Wer hat das Bild gemacht?: DW/Rodion Ebbighausen Wann wurde das Bild gemacht?: 05.11.2013 Wo wurde das Bild aufgenommen?: Köln, Domforum In welchem Zusammenhang soll das Bild/sollen die Bilder verwendet werden?: Artikel
Heinz Schütte präsentiert die Biografie auf dem Domforum in KölnBild: DW/R. Ebbighausen

In diesem Jahr verbrannten radikale Muslime Magnis-Susenos indonesische Bücher über Marx öffentlich. Der Jesuitenpater prangerte die Bücherverbrennungen daraufhin in Fernsehen und Zeitungen an. Aufgrund seiner deutschen Vergangenheit fiel es ihm leicht, die Parallelen zum Faschismus zu ziehen. Es dauerte nicht lange, bis die Anstifter der Bücherverbrennungen zu Magnis-Suseno kamen, um mit ihm zu reden. Sie verließen das Haus des Paters, jeder ausgestattet mit einer handsignierten Ausgabe eines Marxbuches.

Berufung

Das Beispiel zeigt, dass der Dialog schwierig, aber möglich ist. Ein jesuitischer Mitpater beschreibt Magnis-Suseno in der Biografie als Optimisten: "Franz glaubt an die Möglichkeit eines rationalen Austausches." Dessen selbstbewusste Offenheit geht einher mit einer fast schon übermenschlichen Geradlinigkeit, die den Lebensweg des Paters auszeichnet. Keine Krise, kein Zweifel haben ihn erschüttert – zumindest ist davon nichts nach außen gedrungen. Das kann auch der Biograf Heinz Schütte nur mit einem Begriff der Religion erklären: Magnis-Suseno ist ein Berufener: "Sein Leben ist in Indonesien; seine Tätigkeit ist für Indonesien, und dies deckt sich mit seiner Berufung."

Heinz Schütte: Dialog, Kritik, Mission. Franz Magnis-Suseno, Ein indonesischer Jesuit aus Deutschland. Berlin : regiospectra Verlag 2013. 447 Seiten, 29,90 €. Mit einer Übersetzung ins Indonesische ist der renommierte Gramedia Verlag aus Jakarta befasst. Das Buch wurde vom Goethe-Institut Indonesien gefördert.

Buchpräsentation der Biografie über Magnis Suseno im Goethe-Institut 5454: Heinz Schütte und Bacharuddin Jusuf Habibie Schlagworte: Indonesien, Jesuit, Magnis-Suseno Wer hat das Bild gemacht?: Goethe-Institut Wann wurde das Bild gemacht?: 5.10.2013 Wo wurde das Bild aufgenommen?: Jakarta, Goethe-Institut
Heinz Schütte und der ehemalige indonesische Präsident Habibie auf der Buchpräsentation in JakartaBild: Goethe-Institut