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Ein Jahr der Krisen und der Erfolge - Deutschland hat 2001 an internationalem Ansehen gewonnen

Bettina Marx21. Dezember 2001

Das Jahr 2001 war ein Jahr der Krisen und der Erschütterungen. Für Bundesaußenminister Joschka Fischer jedoch war 2001 auch ein Jahr außergewöhnlicher diplomatischer Erfolge. Ein Kommentar von Bettina Marx.

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Dabei fing es für ihn äußerst schlecht an. Seine Position war in den ersten Monaten des Jahres so geschwächt, dass sogar ein Rücktritt nicht ausgeschlossen werden konnte. Es war seine militante Vergangenheit als Straßenkämpfer in Frankfurt, die ihm mit dreißigjähriger Verspätung zum Verhängnis zu werden drohte. Jetzt aber, am Ende des Jahres, steht er nicht nur unangefochten an der Spitze der Beliebtheitsskala deutscher Politiker. Er kann auch auf ein Jahr gelungener Außenpolitik zurückblicken.

Gefragter Krisenmanager

Vor allem als Krisenmanager hat er sich einen Namen gemacht, nicht nur in der Außenpolitik, sondern auch in seiner eigenen Partei, die er beim Parteitag in Rostock Ende November mit einer furiosen Rede hinter sich und seine Politik brachte. Im Nahen Osten ist er unversehens sogar in die ungeliebte und bisher immer sorgsam gemiedene Vermittlerrolle hineingerutscht.

Und obwohl er dort keinen dauerhaften Erfolg erzielen konnte, ist es ihm doch immerhin gelungen, mit einem Zugewinn an internationalem Ansehen aus den erfolglosen Vermittlungsversuchen herauszukommen. Bei beiden Konfliktparteien wird er hochgeschätzt, im Nahen Osten hat er sich - trotz der historisch begründeten Belastung der deutsch-israelischen Beziehungen - einen Ruf als ehrlicher Makler erworben.

Die beste Figur machte der deutsche Außenminister aber im Zusammenhang mit der Afghanistan-Krise. Die Terroranschläge des 11. September trafen Fischer natürlich genauso wie alle anderen - völlig unvorbereitet. Die Eskalation des Konflikts in Afghanistan kam für ihn jedoch nicht überraschend. Seit langem hat er sich mit dem vergessenen Land am Hindukusch beschäftigt, hat er sich Gedanken gemacht, wie die Taliban überwunden und die Menschenrechte in Afghanistan wieder hergestellt werden können und wie der Wettlauf um die zentralasiatischen Ressourcen in konfliktfreie Bahnen gelenkt werden könnte.

Afghanistan schon länger im Blickpunkt

Bereits im Frühsommer war Fischer zu einer Reise in die an Afghanistan angrenzenden zentralasiatischen Staaten aufgebrochen. Die ganze Region mit ihren wichtigen Erdöl- und Gasvorkommen werde zwangsläufig immer mehr in den Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit geraten, sagte er damals. Der Westen und vor allem Europa müsse sich rechtzeitig Strategien überlegen, wie man das Gebiet friedlich an die Entwicklung anschließen und islamistische Regime verhindern könne. Schwerpunkt seiner Besuche in den Hauptstädten war dabei die Begegnung mit Bürgerrechtlern, Journalisten und Hilfsorganisationen, womit er die Neuorientierung der deutschen Außenpolitik unter grüner Führung unterstrich.

Als der lange erwartete Krieg dann Anfang Oktober ausbrach, reiste Fischer umgehend nach Pakistan und Tadschikistan, in den Mittleren und Nahen Osten. Sein selbstgestellter Auftrag war es, die Anti-Terror-Koalition zusammenzuhalten und einen Entwurf für das Afghanistan nach dem erwarteten Sturz der Taliban zu entwickeln. Die intensiven Gespräche vor Ort, mit den europäischen Kollegen, den USA und den Vertretern der UNO mündeten in die Petersberger Afghanistan-Konferenz, der es nach langem hartem Ringen gelang, eine Übergangsregierung für Afghanistan zu bilden. Fischer selbst war an dieser Konferenz nicht beteiligt. Die Tatsache aber, dass die afghanischen Parteien nach Deutschland gekommen waren, um sich über die Zukunft ihres gepeinigten Landes zu einigen, kann als Beweis für die erfolgreiche Arbeit des deutschen Außenministers und seiner Diplomaten bei den Vereinten Nationen angesehen werden.

Fischer hat sich profiliert

Am Ende des Jahres 2001 also steht die deutsche Außenpolitik trotz der schweren internationalen Krisen, die das vergangenen Jahr erschüttert haben, gestärkt da. Sie hat in diesem Jahr eine bisher nicht gekannte Handlungsfähigkeit entwickelt und Deutschland fest in seinen politischen Allianzen verankert. Berlin ist dadurch für seine Partner berechenbar und als aktives Mitglied von EU und NATO auch belastbar. Mit unbeirrbarer Zielstrebigkeit hat Fischer die deutsche Außenpolitik aus der bescheidenen Zurückhaltung früherer Jahre hinausgeführt.

Drei Jahre nach seinem Amtsantritt als Außenminister, am Ende eines krisengeschüttelten schweren Jahres und zu Beginn eines sicher nicht weniger aufreibenden Wahljahres steht Fischer so erfolgreich wie kein anderer deutscher Minister da. Doch im bevorstehenden Kampf um das Überleben der Grünen steht ihm die größte Herausforderung noch bevor.