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Ein Jahr Hartz IV - und viel Ärger

Monika Lohmüller2. Januar 2006

Zwei Millionen weniger Arbeitslose - dies war das Ziel der so genannten Hartz-IV-Reform in Deutschland. Doch große Teile des Paketes verfehlen ihre Wirkung - und die Kosten explodieren.

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Schlange in einem ArbeitsamtBild: dpa

Arbeitslosenbeschäftigung
Hartz IV-AntragBild: AP

Als am 1. Januar 2005 die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II in Deutschland in Kraft trat, waren die Demonstranten bereits seit Wochen auf den Straßen. Unsozial, ungerecht lautete das Urteil. Der Protest richtete sich vor allem gegen die Absenkung der früheren Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau.

Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II, wurden arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger zu Arbeitslosengeld-II-Beziehern. Auf diese Weise sollten sie leichter in den Arbeitsmarkt vermittelt werden. Doch gleichzeitig tauchten die ehemaligen Sozialhilfeempfänger nun auch in der Arbeitslosenstatistik auf. Mit einem Mal hatte die Bundesagentur für Arbeit zu verkündigen, dass die Arbeitslosenzahl über die Fünf-Millionen-Grenze gesprungen war. Dabei war der Namensgeber Peter Hartz vor drei Jahren angetreten, die Zahl der Arbeitslosen mit all seinen Reformvorschlägen zu senken. "Wir stehen ja dazu, dass wir in drei Jahren 2 Millionen Arbeitslose weniger haben wollen", hatte er damals erklärt.

Fast doppelt so teuer wie geplant

Inzwischen halten Forschungsinstitute in einer Studie fest, dass große Teile der Hartz-Reformen, wie beispielsweise die Personal-Service-Agenturen, ihre Wirkung verfehlen. Diese Agenturen übernehmen Arbeitslose und leihen sie an Unternehmen aus, um sie dann leichter in Festanstellungen vermitteln zu können.

Auch mit Hartz IV können Langzeitarbeitslose bislang nicht besser vermittelt werden. Da sich Kommunen und Arbeitsagenturen um die Betreuung der Arbeitslosengeld-II-Empfänger kümmern, kam es von Anfang an zu einem undurchschaubaren Kompetenzgerangel. Kräftiger als dieser bürokratische Wirrwarr machten schon bald Finanzlöcher dicke Schlagzeilen. Es sieht ganz danach aus, dass das Arbeitslosengeld II den Steuerzahler 2005 rund 26 Milliarden Euro und nicht wie von der Regierung Schröder geschätzt 14,6 Milliarden Euro kosten wird. Denn die Zahl der Leistungsempfänger übertraf bei weitem alle Erwartungen.

Eine Klagewelle zeichnet sich ab

Ein Grund dafür ist, dass nun viele Hilfsbedürftige, die sich früher geschämt haben, Sozialhilfe zu beantragen, jetzt das aus ihrer Sicht weniger anstößige Arbeitslosengeld II beziehen. Dass unter den Antragstellern von vornherein auch viele Selbständige waren, die sich bewusst "arm gerechnet haben", erhitzt nach wie vor die Gemüter. Franz Müntefering, der neue Arbeitsminister im Kabinett von Kanzlerin Merkel, versprach nicht nur, diesen Missbrauch zu bekämpfen, sondern kündigte gleichzeitig auch Einsparungen beim Arbeitslosengeld II an: "Wir werden etwas sparen können, aber mir ist auch ganz klar, dass der Missbrauch längst nicht so groß und durchschlagend ist in seiner finanziellen Wirkung wie das zeitweise dargestellt worden ist."

Es wird bald einige Änderungen bei der Hartz-IV-Reform geben: So sollen künftig wieder die Eltern für jugendliche Arbeitslose aufkommen. Eine bereits von den Wirtschaftsforschungsinstituten angekündigte Studie wird diese Arbeitsmarktreform noch genauer untersuchen. Fest steht schon jetzt, dass auf die Gerichte wohl eine Klagewelle zurollt. Ein Großteil der Klagen und Anträge bezieht sich auf die Anrechnung von Einkommen und Vermögen auf das Arbeitslosengeld II. Und auch die Frage, ob die Leistungsempfänger in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, ist Gegenstand vieler Verfahren.