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Türkei Kirche

Senada Sokollu16. Januar 2015

Zum ersten Mal seit der Gründung der Republik wird in der Türkei eine neue Kirche gebaut. Die schwierige Lage für die Christen in der Türkei wird dadurch aber nicht wesentlich verbessert.

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Syrisch-orthodoxe Messe (Foto: DW)
Syrisch-orthodoxe Glaubensgemeinschaft in Istanbul wird bald eine neue Kirche bauen dürfenBild: DW

In das neue Jahr startete die türkische Regierung mit einer hoffnungsvollen Nachricht. Eine Kirche darf gebaut werden - die Erste seit der Gründung der Republik 1923. Diese Entscheidung verkündete Premierminister Ahmet Davutoglu bei einem Treffen mit Vertretern nicht-muslimischer Religionsgemeinschaften Anfang Januar. "Alle Bürger sind gleich und sie alle sind echte Bürger der türkischen Republik", begründete Davutoglu die Entscheidung der Regierung. Die syrisch-orthodoxe Kirche wird auf einem staatlichen Grundstück im Istanbuler Stadtviertel Yesilköy gebaut, die Kosten für den Bau übernimmt die syrisch-orthodoxe Gemeinde.

Diese Ankündigung kam überraschend, denn die islamisch-konservative AKP-Regierung wurde insbesondere in den letzten Jahren immer wieder wegen ihres rigiden und islamisch geprägten Regierungsstils kritisiert. Dabei hatten es die religiösen Minderheiten in der Türkei schon vor der Regierungszeit der AKP nicht einfach: In den vergangenen 91 Jahren durften christliche Minderheiten in der Türkei lediglich ihre Kirchen renovieren, nicht jedoch neue bauen.

Eine Kirche von Notwendigkeit

"Es ist sehr aufregend für uns. Die erste Kirche, die seit der Gründung der türkischen Republik gebaut wird, wird eine syrisch-orthodoxe Kirche sein", sagt Kenan Gürdal, Vize-Vorsitzender der syrisch-orthodoxen Jungfrau Maria-Kirche in Istanbul. Bisher müssten die syrisch-orthodoxen Gemeindemitglieder überwiegend in den "fremden" Kirchen beten, so Gürdal im DW-Gespräch. "Die einzige Kirche, die unserer Gemeinde angehört, befindet sich im Istanbuler Stadtviertel Beyoglu. Der Rest sind katholische und griechisch-orthodoxe Kirchen. Wir brauchen diese neue Kirche wirklich", sagt er. Rund 20.000 syrisch-orthodoxe Christen leben in der Türkei, die Mehrheit davon in Istanbul.

Der türkische Premier Ahmet Davutoglu (Foto: Britta Pedersen/dpa)
Der türkische Premier Ahmet DavutogluBild: picture-alliance/dpa

"Wir glauben daran, dass die türkische Regierung wirklich unseren Forderungen gerecht werden möchte", sagt Gürdal. Im Jahr 2013 habe die Istanbuler Stadtverwaltung ein Grundstück für den Bau gefunden. "Es ist ein Grundstück in Yesilköy auf dem sich ein katholischer Friedhof befindet. Wir haben die Baupläne bereits an das Amt für Denkmalschutz gesendet. Jetzt warten wir nur noch auf die Baugenehmigung", so Gürdal.

Ein positiver Schritt, aber...

Die Erlaubnis zum Bau der Kirche sollte ein "normaler" Schritt sein, sagt Elcin Aktoprak, Politologin und Minderheitenexpertin an der Universität in Ankara. "Es ist ein Rechtsanspruch, der alle religiösen Minderheiten in der Türkei betrifft. Laut dem Vertrag von Lausanne (von 1923, Anm. d. R.) dürfen alle nicht-muslimischen Bürger der Türkei ihre eigenen religiösen und sozialen Institutionen errichten und leiten", erklärt die 36-Jährige im DW-Gespräch. Dieses Recht sei aber viele Jahrzehnte lang missachtet worden. "Bevor die AKP-Regierung an die Macht kam, haben die Kemalisten dieses Recht im Namen des Nationalismus verletzt. Sie brandmarkten die Nichtmuslime sogar als mögliche Bedrohung und als Gäste. Die AKP-Regierung unterstützt diesen kemalistischen Nationalismus nicht", so Aktoprak.

Istanbul mit Bosporus (Foto: MaanImages/Wissam Nassar +++(c) dpa - Report)
Die syrisch-orthodoxe Kirche wird auf einem staatlichen Grundstück im Istanbuler Stadtviertel Yesilköy gebautBild: picture-alliance/dpa/MaanImages/Wissam Nassar

Die Grundlage für die AKP-Politik den religiösen Minderheiten gegenüber sei das sogenannte Millet-System, sagt sie. Es ist eine Rechtsordnung aus der Zeit des Osmanischen Reiches, durch die den Minderheiten Schutz und mehr Rechte geboten wurden. "Die AKP-Regierung definiert sich selbst als ein Befürworter der osmanischen Zeit. Doch, ist das Millet-System wirklich demokratisch? Wenn man genauer hinsieht, dann basiert dieses System auf der Toleranz der Muslime gegenüber Nichtmuslime. Toleranz ist ein kniffliges Wort, denn es beinhaltet eine Art Hierarchie", so Aktoprak. Der Vertrag von Lausanne habe den Minderheiten einen Rechtsanspruch im Rahmen eines demokratischen Staates gegeben, und nicht im Rahmen von Toleranz durch eine Art Millet-System, findet die Politologin. "Das Millet-System akzeptiert die Nichtmuslime nicht als gleichwertige Bürger. Das ist das Problem", so Aktoprak.

Die Minderheitenexpertin kritisiert vor allem den Umgang der türkischen Regierung mit der theologischen Schule auf der Prinzeninsel Heybeliada unweit von Istanbul. "Wenn die türkische Regierung wirklich ein Zeichen setzen will, dann sollte sie das griechisch-orthodoxe Priesterseminar wieder eröffnen. Seit 1971 ist es geschlossen. Doch die türkische Regierung erwartet im Gegenzug den Bau einer Moschee in Athen. Diese gegenseitige Erwartungshaltung sollte es aber in einer Demokratie nicht geben, wenn es um die Menschenrechte geht. Die Moschee in Athen hat nichts mit den Rechten der nichtmuslimischen Bürger in der Türkei zu tun", so Aktoprak.

"Die türkische Regierung hat uns sehr enttäuscht"

Die Haltung der anderen christlichen Gemeinden in der Türkei zu der Politik der türkischen Regierung gegenüber den religiösen Minderheiten ist gespalten. Einerseits freue man sich darüber, dass die syrisch-orthodoxe Gemeinde nun eine eigene Kirche bekommt, sagt der griechisch-orthodoxe Erzbischof Elpidophorus Lambriniadis. "Das haben sie tatsächlich gebraucht. Ihre Gemeinde ist groß und sie haben nicht genug Platz zum Beten", sagt er im DW-Gespräch. Die griechisch-orthodoxe Gemeinde in der Türkei sei nicht so groß, so Lambriniadis. "Wir brauchen keine neue Kirche. Wir brauchen lediglich die Erlaubnis, um alte Kirchen zu restaurieren und die bekommen wir", so der Erzbischof im Gespräch mit der DW.

Elpidophoros Lambriniadis Metropolit von Bursa 22.11.2014 in Istanbul (Foto: Jonathan Lewis/dpa)
Christen werden benachteiligt, sagt der griechisch-orthodoxe Erzbischof Elpidophorus LambriniadisBild: picture-alliance/dpa/J. Lewis

Andererseits sei es jedoch unfair wie die türkische Regierung mit der griechisch-orthodoxen Gemeinde umgehe, kritisiert Lambriniadis. "Anfänglich hatten wir Hoffnung mit der AKP. Aber als das Demokratisierungspaket 2013 veröffentlicht wurde, war die Wiederöffnung des Priesterseminars auf Heybeliada nicht Teil davon. Wir waren uns sicher, dass die AKP uns einen Schritt entgegenkommen wird", sagt er. Die Enttäuschung sei daher umso größer. "Ich bin nicht mehr ganz so optimistisch, ob die Regierung es wirklich ernst meint mit dem Schutz und vor allem mit der Ausweitung der Minderheitenrechte", so Lambriniadis.