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Ein Muskelmann geht, ein Asket kommt

4. Januar 2011

Der "Gouvernator" ist von Bord gegangen, nun kommt der Asket: Kaliforniens neuer Gouverneur Jerry Brown muss die Bürger auf harte Zeiten einstimmen. Denn der "Goldene Staat" stöhnt unter einer gigantischen Schuldenlast.

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Jerry Brown bei der Amtseinführung (Foto: AP)
"Harter Haushalt für harte Zeiten": Jerry Brown bei der AmtseinführungBild: AP

Bereits mit seiner Amtseinführung setzte Jerry Brown eindeutige Signale: Von jetzt an sollen die Kalifornier den Gürtel enger schnallen. Kaliforniens neuer Gouverneur verspeiste nach seiner Vereidigung am Montagabend in Kaliforniens Hauptstadt Sacramento einen Hot Dog und feierte im Anschluss seine Inauguration ähnlich bescheiden. 100.000 Dollar machten private Spender für die Party locker, berichtete die Tageszeitung "Los Angeles Times" in ihrer Online-Ausgabe am Dienstag (04.01.2011). Sein Vorgänger Arnold Schwarzenegger hatte den Steuerzahler seine Amtseinführung vor sieben Jahren das Zwanzigfache kosten lassen.

Jüngster und ältester Gouverneur Kaliforniens in einer Person

Doch ein Blick genügt, um zu sehen, dass nach dem Leinwandhelden Arnold Schwarzenegger nun mit dem Demokraten Brown ein neuer Stil in Sacramento Einzug hält. Denn schon äußerlich ist der Unterschied enorm. Anders als der frühere "Mister Universum" und Muskelmann Schwarzenegger ist der glatzköpfige Brown ein intellektueller, asketischer Typus. Mehr ins Gewicht fällt jedoch der Unterschied, dass Schwarzenegger politisch unbeleckt war, als er seinen Job übernahm; dagegen ist Jerry Brown ein alter Hase: Wenn der 72-Jährige nun sein Amt antritt, ist er der älteste Politiker, der es in Kalifornien zum Gouverneur brachte. Und dies ist bereits sein zweiter Altersrekord: Im Jahr 1974 wurde er mit nur 36 Jahren erstmals in dieses Amt gewählt - damals als jüngster Gouverneur seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Er ist ein Karrierepolitiker, aber hat es geschafft, nie wie einer zu klingen - mit seiner gehörigen Portion Populismus und missionarischem Eifer verbindet man ihn eher mit einer Basisbewegung als mit dem politischen Establishment.

Jerry Brown bei der Vereidigung in Sacramento Kalifornien am Montag, 3. Januar 2011 (Foto: AP)
Einst 36., nun 39. Gouverneur Kaliforniens: Jerry Brown, hier bei der Vereidigung, ist zugleich jüngster und ältester Gouverneur KaliforniensBild: AP

Geboren wurde Edmund Gerald Brown Jr. am 7. April 1938 in San Francisco als Sohn von Edmund "Pat" Brown, dem einstigen kalifornischen Gouverneur und "Vater" des Autobahnnetzes in dem Staat. Sohn Jerry besuchte ein Jesuitenseminar und absolvierte anschließend ein Jura-Studium an der renommierten Yale-Universität. 1970 übernahm er als Wahlaufsichtsbeamter seinen ersten politischen Job im "Goldenen Staat". 1974 wurde er Gouverneur und vier Jahre später wiedergewählt. Seine Jahre in Sacramento gelten als besonders innovationsfreudige Zeit für Kalifornien. So machte er seinen Staat zum Vorreiter bei der Nutzung alternativer Energien.

"Gouverneur Spinner"

Seine zum damaligen Zeitpunkt noch als unzeitgemäß geltenden Ideen wie strikte Umweltgesetze oder Satelliten zur Kommunikation in Notfällen trugen dem Weltraumfan bei seinen Kritikern den Spitznamen "Governor Moonbeam" ein - was etwa "Spinner" bedeutet. Und auch Browns Lebensstil war ungewöhnlich: Er lebte nicht in der Gouverneursvilla, sondern in einer kleinen Mietwohnung, schlief auf einer Matratze auf dem Fußboden und fuhr einen Gebrauchtwagen. Die Freundin des strikten Vietnamkriegsgegners war die Country-Rock-Sängerin Linda Ronstadt.

Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger mit Besen (Foto: AP)
Kehrte gewaltigen Schuldenhaufen zusammen: Vorgänger SchwarzeneggerBild: AP

Zumindest sein Image als disziplinierter Asket dürfte Jerry Brown demnächst zugutekommen. Um die vor ihm liegende titanische Aufgabe dürften ihn die wenigsten beneiden: Der 72-Jährige erbt von Schwarzenegger in dem mit 40 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Staat der USA ein gigantisches Haushaltsloch. Politiker sowohl der demokratischen als auch der republikanischen Partei müssten daher zum Wohl Kaliforniens ihre "Komfortzonen" und Ideologien hinter sich lassen, forderte Brown. Seinen Haushaltsentwurf will er am kommenden Montag vorlegen.

Es wird "ein hartes Budget für harte Zeiten" werden, soviel kündigte Brown bereits in seiner Antrittsrede am Dienstag an. Es sprach von "schmerzhaften, aber ehrlichen" Einschnitten für die Staatskasse. Doch er habe schon wegen seiner Familiengeschichte Grund zur Zuversicht. Sein deutscher Großvater August Schukman habe in den 1850er Jahren die beschwerliche Reise über den ganzen nordamerikanischen Kontinent nach Kalifornien bewältigt. Diesem Beispiel folgend könne er den Staat aus der schweren Krise holen.

Autor: Sven Töniges (dpa, ap)

Redaktion: Oliver Pieper