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Museum ohne Ausstellung

Tania Krämer18. Mai 2016

Das Museum hat fast alles, was man so braucht: ein modernes Gebäude, einen guten Standort, ausreichend Platz, einen Terrassengarten... Nur eines fehlt noch: eine Ausstellung. Die muss noch konzipiert werden.

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Außenansicht des Palästinensischen Museums in Birzeit (Foto: Heneghan Peng Architects)
Bild: Heneghan Peng Architects

Die Planung dauerte fast 20 Jahre, jetzt endlich ist es soweit: Das Palästinensische Nationalmuseum in Birzeit in der Nähe von Ramallah öffnet seine Tore - doch zu sehen ist außer dem Gebäude erst mal nichts. Die erste Ausstellung soll es im Herbst geben, der neue Kurator hat erst in dieser Woche die Arbeit aufgenommen. Sein Vorgänger hatte sein Amt über Differenzen niedergelegt. Das Museum ist eine private Initiative und wird aus privater Hand finanziert.

Neben dem Ausstellungssaal und den Archiven für Kollektionen gehört ein Terrassengarten zum Herzstück der Anlage. Pflanzen und Gewächse, die dort eingepflanzt wurden, erzählen einen Teil der Kulturgeschichte der Palästinenser. Das Museum will eine symbolische Verbindung herstellen - unter Palästinensern, die geographisch und politisch getrennt im Gazastreifen und im Westjordanland leben, aber auch zwischen Palästinensern, die im Exil oder im Ausland leben. Da Palästinenser aus Gaza oder im Ausland wenig Chancen haben, israelische Reisegenehmigungen ins besetzte Westjordanland zu erhalten, soll es Partnermuseen im Libanon, Jordanien, Gaza und in Südamerika, wo eine große Exilgemeinde lebt, geben.

Die erste Ausstellung in einer "Außenstelle" eröffnet nächste Woche in Beirut. Gezeigt wird die politische Geschichte palästinensischer Stickkunst. Einer, der von Anfang an mit dabei war, ist der Kulturschaffende Omar al-Qattan, Vorsitzender des Museums. Al-Qattan wurde als Kind palästinensischer Eltern in Beirut im Libanon geboren. Er hat unter anderem in Großbritannien studiert, ist Filmregisseur, Produzent und Kulturschaffender.

Omar al-Qattan in der Museumhalle (Foto: Heneghan Peng Architects)
Der Vorsitzende des Museums, Omar al-QattanBild: Heneghan Peng Architects

DW: Es hat lange gedauert, bis dieses Museum entstanden ist. Sind Sie zufrieden, dass das Museum nun seine Türen öffnet?

Omar al-Qattan: Ich bin ziemlich aufgeregt. Es hat 19 Jahre gedauert, bis wir diesen Moment erreicht und seitdem wir das erste Mal über die Idee gesprochen haben. Natürlich ist das ein besonderer Moment. Es gab selbstverständlich auch Unterbrechungen, während der Zweiten Intifada, und dann lag es noch einmal sechs oder sieben Jahre brach. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir es jetzt geschafft haben. Es ist ein besonderes Beispiel dafür, dass Palästinenser etwas Gemeinsames geleistet haben, das von ihnen gezahlt und initiiert wurde. Und es ist fantastisch in einer Zeit, in der es soviel Spaltung und Zynismus gibt.

Was ist die Idee des Museums?

Das Museum will Geschichte, Kultur und Gesellschaft Palästinas und der Palästinenser thematisieren. Wir wollen daraus ein Programm und Bildungsprogramme entwickeln, die die Geschichte und die Kultur Palästinas wiedergeben. Dabei werden wir besonders die Moderne berücksichtigen, vom 18. Jahrhundert angefangen, aber natürlich auch darüber hinaus.

Es ist sehr ungewöhnlich und wurde auch bereits kritisiert, dass nur das Gebäude des Museums eröffnet wird. Was wird man denn letztlich im Museum sehen können?

Es ist ein wachsender Prozess. Wir starten mit der Suche nach passender Kunst, und das ist in der Tat etwas außergewöhnlich für ein Museum. Aber andere haben es auch so gemacht, wie zum Beispiel das African American Museum in Washington DC. Zunächst wird es einen Recherche-Prozess geben, und das dafür zuständige Team wird relevante Themen auswählen und versuchen, diese dann für das Publikum in Ausstellungen zu interpretieren. Dadurch können wir sehen, welche Art von Kunst wir für unsere Sammlung gut finden, seien es Kunstobjekte, Filme, Fotos und alle möglichen Arten von Objekten. Diese können dann gekauft oder ausgeliehen werden. Die Ausstellungen finden dann entweder hier statt, oder auch online, oder sie touren von hier zu unseren Satelliten-Museen oder von dort hierher zurück.

Eine Herausforderung des Museums wird sein, dass Palästinenser es auch besuchen können. Wer im Gazastreifen oder in einem arabischen Land lebt, wird es aufgrund der israelischen Reisebeschränkungen schwer haben, nach Birzeit ins besetzte Westjordanland zu reisen.

Das ist ein anderer wichtiger Aspekt des Museums. Es ist ein "transnationales" Museum. Das Gebäude in Birzeit wird in Zukunft Teil eines Netzwerks mit Partnern und Außenstellen sein, um auch Palästinenser zu erreichen, die außerhalb von Palästina leben, aber auch die, die im Land sind, wie zum Beispiel Palästinenser im Gazastreifen, oder in Haifa oder Jaffa. Wir sprechen dabei von einem Mutterhaus hier in Birzeit und den Satellitenstellen, wo immer wir Partnerschaften aufbauen. Eine Woche nach der Eröffnung hier in Birzeit etwa wird eine Ausstellung in einem Kulturzentrum in Beirut eröffnet. Dabei geht es um die politische Geschichte palästinensischer Stickkunst. Es ist wirklich der Anfang eines langen Weges.

Leerer Ausstellungsraum mit großen Fenstern (Foto Heneghan Peng Architects)
Noch sind die Museumsräume leerBild: Heneghan Peng Architects

Es gibt mehrere kleinere Museen und Ausstellungsorte im Westjordanland und auch ein archäologisches Museum in Gaza. Welche Rolle wird dieses Museum einnehmen?

Es ist kein "nationales" Museum per se, wir sind nur Teil einer gemeinsamen Anstrengung. Es ist sicherlich das neuste und auch das größte Museum, und wir haben das Glück, die wahrscheinlich beste Infrastruktur zu besitzen. Aber ich denke unsere Besonderheit liegt darin, dass wir mehr redaktionelle und intellektuelle Unabhängigkeit besitzen als die anderen Museen, denn sie sind meist finanziell abhängig, gehören einer politischen Fraktion an oder werden von der Palästinensischen Autonomiebehörde unterstützt. Und in Israel sind die meisten palästinensischen Museen vom israelischen Kulturministerium abhängig. Wir haben das Privileg, künstlerisch unabhängig zu sein, da wir von einer privaten Organisation unterstützt werden. Das gibt uns sicher eine gewisse Haltung, die andere Institutionen so nicht haben können. Auch unsere transnationale Vision, unser Ehrgeiz, über die Landesgrenzen hinaus zu agieren, ist hierzulande ungewöhnlich. Und letztlich haben wir auch als Museum die Möglichkeit, Objekte und Kunstwerke im Museum zu lagern und zu konservieren. Das ist besonders wichtig.

Wann also können wir denn mit der ersten Ausstellung in Birzeit rechnen?

Der neue Kurator (Anm. der Red.: Mahmoud Hawari) hat diese Woche seine Arbeit aufgenommen und es ist seine Aufgabe, das Programm der nächsten drei Jahre auszuarbeiten. Es gibt sehr viele Ideen, die wir diskutieren werden, von moderner Kunst bis Archäologie. Dieses Land hat eine so reiche und vielfältige Geschichte, nicht nur in den letzten 100 Jahren. Wir sind hier noch ganz am Anfang und werden viel entdecken in den kommenden Jahren.