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Ein Palästinenserstaat in Etappen?

28. September 2011

Die von den Palästinensern beantragte UN-Vollmitgliedschaft wird warten müssen - auf juristische Fachgutachten und einen Verhandlungserfolg. An diesem Mittwoch ist der Antrag wieder Thema im Weltsicherheitsrat.

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Palästinenser schwenken Flaggen (Foto: dapd)
Palästinenser demonstrieren für die UN-MitgliedschaftBild: dapd

Die kontroverse Frage, ob Palästina als 194. Mitglied den Vereinten Nationen beitreten darf, wird den Sicherheitsrat wohl länger beschäftigen. Nach Einschätzung von Experten könnten sich die Beratungen in dem Gremium über Monate hinziehen. An diesem Mittwoch (28.09.2011) wird der Sicherheitsrat das Thema erneut beraten, nachdem man sich am vergangenen Montag nach nur einstündigem Treffen vertagt hatte.

Aus Diplomatenkreisen verlautete, dass man die Frage zunächst an einen Unterausschuss weiterleiten werde. 15 Juristen aus allen derzeit im Sicherheitsrat vertretenen Staaten, darunter auch Deutschland, sollen die Frage überprüfen, ob die Palästinenser überhaupt die Aufnahmekriterien für eine Vollmitgliedschaft erfüllen. Nach der UN-Charta gehört dazu auch die Klärung der Frage, ob Palästina ein friedliebender Staat wäre. Hier dürfte von Seiten der USA vor allem kritisch hinterfragt werden, welche Garantien hierfür bestehen, sollte die radikale Hamas in einem künftigen Palästinenserstaat die Regierung stellen. Die radikalislamische Hamas stellt das Existenzrecht des Staates Israel grundsätzlich in Frage. Sie lehnt bisher auch den palästinensischen Mitgliedsantrag bei den Vereinten Nationen ab. Gegenwärtig stellt die Hamas die Regierung im palästinensischen Autonomiegebiet des Gazastreifens.

Verzögerungstaktik im Sicherheitsrat

Während China bei der Sitzung am Montag Unterstützung für den palästinensischen Antrag signalisierte, droht Washington weiterhin mit einem Veto im Sicherheitsrat. Um sich das Ja des Sicherheitsrats für ihre UN-Aufnahme zu sichern, brauchen die Palästinenser aber die Zustimmung von neun der 15 Ratsmitglieder. Zudem darf keine der fünf Vetomächte - USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien - dagegen stimmen. Ein Veto der USA würde aber nicht nur den palästinensischen Traum von einer Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen zerstören, es käme auch US-Präsident Barack Obama ungelegen. Er stünde in der arabischen Welt als Buhmann da und müsste seine Hoffnungen auf einen Durchbruch im Nahost-Friedensprozess in dieser Amtszeit wohl endgültig begraben.

Infografik Nahostkonflikt (Grafik: DW)

Grenzen von 1967 als Verhandlungsgrundlage?

Also setzen die USA mit ihren Partnern im Nahost-Quartett (Vereinte Nationen, Europäische Union, Russland) auf direkte Gespräche zwischen den Konfliktparteien, um auf diesem Wege einen Friedensvertrag und einen Staat Palästina zu erreichen. Schon unmittelbar nach dem Antrag der Palästinenser legte das Nahost-Quartett deshalb einen ambitionierten Zeitplan für neue Gespräche vor. Sie sollen innerhalb eines Monats aufgenommen werden und bis Ende 2012 zu einem Friedensabkommen mit Israel führen. In der Erklärung des Nahost-Quartetts, die erst nach zähen Verhandlungen zustande kam, werden die Konfliktparteien aufgefordert, bis drei Monate nach Verhandlungsbeginn einen ausführlichen Vorschlag über die künftigen Grenzen und über Sicherheitsarrangements vorzulegen. Bis diese Verhandlungen in eine entscheidende Phase treten, könnte Washington die Beratungen über die Vollmitgliedschaft der Palästinenser im Sicherheitsrat bewusst verzögern.

Nahostdiplomatie unter Zeitdruck

Inhaltlich macht das Quartett zwar keinen Vorschlag. Allerdings bezieht es sich in seinem Text auf eine Erklärung vom 20. Mai 2011 und auf eine Rede von US-Präsident Obama. In beiden Dokumenten wird festgehalten, dass die Vorkriegsgrenzen von 1967 als Grundlage für eine Gebietsteilung dienen, inklusive eines zu verabredenden Landtausches. So könnten bestehende Siedlungen auf palästinensischem Gebiet im Westjordanland Israel angeschlossen werden, die Palästinenser erhielten im Gegenzug israelisches Territorium. Eine solche Verhandlungsbasis hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu allerdings bei seiner Rede vor dem US-Kongress im Mai ausgeschlossen.

Israelische Siedlung Har Homa in Ost-Jerusalem (Foto: dpa)
Israelische Siedlung Har Homa in Ost-JerusalemBild: picture-alliance/dpa

Der Zeitdruck für die Verhandlungen entsteht nicht nur durch den Antrag der Palästinenser im UN-Sicherheitsrat, sondern auch durch die politischen Rahmenbedingungen. Im November 2012 wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Im gleichen Jahr wird auch in den palästinensischen Autonomiegebieten und möglicherweise auch in Israel gewählt. Je nach Ausgang dieser Wahlen könnten sich die Grundlagen für Verhandlungen erneut verändern. Schon jetzt verlangen die Palästinenser als Vorbedingung einen israelischen Siedlungsstopp. Die israelische Seite akzeptiert jedoch keine Vorbedingung für Verhandlungen. Im Gegenteil: Am Dienstag genehmigte die Regierung den Bau von 1000 Wohnungen für Israelis in einer Siedlung in Ostjerusalem.

Moskauer Nahost-Konferenz

Konkrete Vereinbarungen über Grenzen und Sicherheit sollen nach Vorstellung des Quartetts sechs Monate nach Aufnahme der Verhandlungen, also bis Ende April, getroffen sein. Über die Resultate soll auf einer Konferenz in Moskau befunden werden. Darauf hatte Russland gedrungen. Die Regierung in Moskau befürchtet einen Rückgang ihres Einflusses im Nahen Osten, weil ihr wohl gesonnene Regime durch die Erschütterungen in der arabischen Welt inzwischen zusammengebrochen sind, oder, wie in Syrien, unter Druck stehen. Frankreich, dessen Präsident Nicolas Sarkozy den Antrag der Palästinenser bei den Vereinten Nationen zunächst unterstützt hatte, dann aber unter dem Druck der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton von dieser Position Abstand nahm, wird eine Geberkonferenz organisieren. Dabei sollen in Paris internationale Gelder für den palästinensischen Staatsaufbau gesammelt werden.

Deutschland setzt auf Verhandlungen

Peter Wittig, deutscher UN-Botschafter im Sicherheitsrat (Foto: dpa)
Deutschlands UN-Botschafter: Peter WittigBild: picture-alliance/dpa

Damit dieser Prozess in Gang kommen kann, muss sich der Aufnahmeprozess für die Palästinenser über Monate hinziehen. So könnte die konstituierende Sitzung des beratenden Ausschusses schon gegen Ende dieser Woche stattfinden. Deutschland will sich nach Auskunft seines UN-Botschafters Peter Wittig konstruktiv an den weiteren Beratungen des palästinensischen Antrags durch den Sicherheitsrat beteiligen. Das Hauptaugenmerk legt jedoch auch die Bundesregierung auf Verhandlungen. Bis dahin hofft man, sich in der Frage einer Empfehlung des Sicherheitsrates für eine Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen nicht festlegen zu müssen.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Diana Hodali