1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase ist tot

Jochen Kürten | Christine Lehnen
5. Oktober 2022

Mit Drehbüchern zu Filmen wie "Berlin - Ecke Schönhauser", "Solo Sunny" und "Sommer vorm Balkon" wurde er berühmt - und schrieb deutsche Filmgeschichte. Nun ist Wolfgang Kohlhaase mit 91 Jahren gestorben.

https://p.dw.com/p/342EL
Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase ist tot
Der Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase in seinem GartenBild: Patrick Pleul/dpa/Zentralbild/picture alliance

Kaum einer hat die Atmosphäre und den manchmal barschen Tonfall Berlins so liebevoll eingefangen wie er: Der Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase, der am Mittwoch im Alter von 91 Jahren in Berlin verstorben ist.

Dabei bildete er sich nie ein, es besser zu wissen als andere: "Man macht ja überhaupt nicht Filme, weil man irgendetwas besser weiß als andere, sondern weil man versucht, irgendetwas herauszufinden über die Welt", so sagte er einmal gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR).

Aus Kohlhaases Feder stammten die schönsten und bewegendsten Erzählungen der gesamtdeutschen Filmgeschichte, teilte Kulturstaatsministerin Claudia Roth mit. "Getragen von großer Menschenliebe und einem besonderen Gespür für Zwischentöne kreierte er Figuren, die Millionen Menschen tief berührten." Aus kleinen Geschichten habe Kohlhaase ganz großes Kino machen können, aus Alltag Poesie. 

Mit seinen Filmen überwand Kohlhaase schon früh Grenzen

Wolfgang Kohlhaases Sprachwitz war zeitlos. Wenn die Sängerin Sunny, gespielt von Renate Krößner, einen One-Night-Stand mit den Worten "Is' ohne Frühstück" hinauskomplimentiert und dessen Gemurre mit "Is' auch ohne Diskussion" quittiert, dann hat das heute so viel Biss wie 1980, als der DEFA-Film "Solo Sunny" international Furore machte.

Der 1931 in Berlin geborene Autor war einer der profiliertesten Drehbuchautoren der DDR, später, nach der Wende, aber ebenso in Gesamtdeutschland. Welcher andere Autor konnte das schon von sich behaupten? Kohlhaase überwand Grenzen, mit seinen Drehbüchern - und sicher auch mit seinem Wesen. Kollegial und ruhig, sachlich und doch mit der notwendigen Klarheit in seiner Wortwahl, so erlebte man ihn auf Podien und im Gespräch.

Wolfgang Kohlhaase steht hinter einem Rednerpult.
Wolfgang Kohlhaase im Jahr 2018 beim Filmfestival ohne Grenzen in Bad SaarowBild: Boris Trenkel

In Ostdeutschland hatte sich Kohlhaase mit den großen Regisseuren der DEFA (Deutsche Film AG) zusammengetan, mit Kurt Maetzig und Gerhard Klein, Konrad Wolf und Frank Beyer. Für sie arbeitete er meist mehrmals. Später suchte er wieder die Nähe zu Regiepersönlichkeiten: Bernhard Wicki, Volker Schlöndorff, Andreas Dresen, zuletzt zu Matti Geschonneck, dem Sohn des großen DDR-Schauspielers Erwin Geschonneck. Es schloss sich also ein Kreis.

Bei den DDR-Behörden eckte er oft an

Seine Themen orientierten sich stets an den Bedürfnissen der Menschen. Dass er damit an Grenzen stieß in der DDR, war klar. Manche seiner Arbeiten kollidierten mit den Vorstellungen der DDR-Zensurbehörden. Das hatte auch zur Folge, dass sich Kohlhaase zeitweise aus dem Filmgeschäft zurückzog und sich auf das Schreiben von Büchern konzentrierte. Er schrieb vor allem Hörspiele und erzählerische Werke, kehrte aber wieder zum Drehbuch zurück.

Dafür erhielt er viel Anerkennung und gewann zahllose Preise. 1954 schon einen Nationalpreis der DDR, außerdem einen Ehren-Bären bei der Berlinale und eine Lola beim Deutschen Filmpreis fürs Lebenswerk.  

Er blieb neugierig

Kohlhaase arbeitete noch bis ins hohe Alter: So schrieb er das Drehbuch zu "In Zeiten des Abnehmenden Lichts" (2017) und zwei Jahre zuvor zu "Als wir träumten", basierend auf dem gleichnamigen Roman von Clemens Meyer, über die Nachwendejahre in Leipzig. Bei "Als wir träumten" standen wieder einmal Jugendliche im Mittelpunkt. Und obwohl er damals bereits weit über 80 war, fand Kohlhaase ganz selbstverständlich den richtigen Ton, der diese Suchenden auf dem Weg ins Erwachsenendasein lebendig und liebenswert macht.

"Solange man neugierig ist auf die Menschen und die Welt, wie sie ist und nicht sein sollte", sagte er einmal der Münchener "tz", "solange man ein Ohr für die Tonlagen und den Blick für die Lebenslagen hat, kann das klappen."

Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels vom 6. September 2018.