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Ein Sorbe für alle Sachsen

Bernd Gräßler29. August 2014

Der Christdemokrat Stanislaw Tillich steht vor einem erneuten Wahlsieg in Sachsen. Manche vergleichen ihn mit Angela Merkel. Dass er Sorbe ist, interessiert die Bürger kaum.

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Porträt von Stanislaw Tillich, Foto: Getty Images
Bild: Sean Gallup/Getty Images

Vor Jahren ritt Stanislaw Tillich (CDU) noch selber mit beim traditionellen Oster-Reiten der Sorben in der Lausitz. Damals war er noch nicht Ministerpräsident. Die Teilnahme an der prächtigen religiösen Prozession seiner slawischen Minderheit habe er wegen Terminproblemen schon lange aufgegeben, heißt es mittlerweile aus der Dresdener Staatskanzlei. Geblieben sei aber noch der sonntägliche Gottesdienst, den der Katholik mit seiner Familie nach Möglichkeit nicht versäumt.

Ein Ministerpräsident hoch zu Ross, das würde Tillich immerhin einmal herausheben aus der politischen Unauffälligkeit. Denn die gehört zu seinem öffentlichen Erscheinungsbild: kein lautstarkes Einmischen in die Bundespolitik, kein sichtbares Drängen auf ein Amt im gar nicht so fernen Berlin. Solidität und Bodenständigkeit sind seine Markenzeichen, Krisen lässt er von seinen Ministern bewältigen. Sachsen hat eine stabile wirtschaftliche Entwicklung, ist neben Bayern das am geringsten verschuldete deutsche Bundesland und glänzt mit gutem Abschneiden seiner Schüler in Bildungstests. Wie groß Tillichs Anteil daran ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Viele schreiben das Verdienst vor allem Kurt Biedenkopf zu, einem Amtsvorgänger.

"Der bessere Merkel"

Beliebt ist Tillich auf jeden Fall. Immer tadellos gekleidet, führt er seit 2008 das bevölkerungsreichste ostdeutsche Bundesland mit ruhiger Hand und ohne persönliche Affären. Manche vergleichen ihn mit Angela Merkel. Der Politsatiriker und Europa-Abgeordnete Martin Sonneborn witzelte sogar, Tillich sei "der bessere Merkel".

Sachsens Ministerpräsident Tillich und Kanzlerin Merkel schleppen gemeinsam einen Sandsack bei der Hochwasserbekämpfung an der Elbe; Foto: dpa
Stanislaw Tillich und Angela Merkel im Hochwasser-Einsatz (Juni 2013)Bild: picture-alliance/dpa

Als Tillich 2009 die Wahl gewann, sei dies auch ein Prestigegewinn für die Sorben gewesen, sagt David Statnik, der Vorsitzende des Sorbenverbandes Domowina. Die Sorben siedeln seit Jahrhunderten in der Lausitz, die im frühen Mittelalter von Westslawen beherrscht war. Das Zusammenleben in der Lausitz verläuft seit langem konfliktlos. Die 60.000 Sorben haben weder ein Mutterland noch fordern sie Autonomie. Weil deutsche Staatsbürger ihre Nationalität nicht angeben müssen, kann man die Zahl der Sorben ohnehin nur schätzen. Ihr Dachverband, die Domowina, war unter den Nazis verboten. In der DDR wurden die Sorben gefördert und galten als eine Art Vorzeigeminderheit. Auch heute schreiben die Verfassungen von Sachsen und Brandenburg die Pflege von Sprache und Kultur vor, allerdings bekennen sich immer weniger junge Sorben zu ihrer Nationalität oder lernen die Sprache ihre Eltern.

Sorbisches Oster-Reiten, Foto: Andreas Franke
Oster-Reiten in der sorbischen LausitzBild: picture alliance/Andreas Franke

"Unser Ministerpräsident"

#link:http://www.stanislaw-tillich.de/:Stanislaw Tillich# entstammt einem Elternhaus, in dem die Tradition durchaus hochgehalten wurde. Der studierte Konstrukteur, der 1987 in die CDU eintrat und während der Wende die Chance einer politischen Karriere ergiff, spricht neben Deutsch auch Sorbisch. "Gespräche mit Herrn Tillich kann ich in unserer Muttersprache führen", freut sich David Statnik. Seine Zusagen zur Förderung der Minderheit habe Tillich immer eingehalten, lobt er gegenüber der DW.

Dass der Ministerpräsident daneben auch Tschechisch und Polnisch spricht, erleichtert die Zusammenarbeit mit Sachsens beiden östlichen Nachbarländern.

Die Bürger nehmen es als Normalität, dass ein Sorbe an der Spitze ihres sächsischen "Freistaates" steht. Schon 2009 stand auf den CDU-Wahlplakaten in großen Lettern "Ein Sachse". Es war nicht etwa die Botschaft, dass ein Sorbe auch ein Sachse ist, sondern es wies darauf hin, dass nach zwei Ministerpräsidenten westdeutscher Herkunft erstmals ein Einheimischer das Ruder übernehmen will. In diesem Wahlkampf plakatierte die CDU Tillichs Porträt mit der Aufschrift "Unser Ministerpräsident".