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Der Lehrer Europas

26. April 2010

Auf dem Weg zum 500-jährigen Reformationsjubiläum begehen Christen 2010 das Themenjahr "Reformation und Bildung". Dabei geht es um Luthers Freund Philipp Melanchthon. Vor 450 Jahren starb der visionäre Bildungspolitiker.

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Büste von Philipp Melanchthon (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wer im heutigen Sachsen-Anhalt auf den Spuren Martin Luthers wandelt, steht irgendwann im Büro von Stephan Dorgerloh. Der Pfarrer ist Prälat der Evangelischen Kirche Deutschlands und verantwortlich für die Vorbereitungen des großen Reformationsjubiläums in sieben Jahren. Zehntausende Touristen aus aller Welt werden dann zu den Lutherstätten pilgern und gewahr werden, welch tiefgreifenden gesellschaftlichen Prozess die Reformatoren des 16. Jahrhunderts angestoßen haben. Einer von ihnen: das "Universalgenie" Philipp Melanchthon. "Er war Humanist, Theologe, vor allem aber auch Europäer", sagt Dorgerloh. "Man zählt ca. 9000 Briefe von ihm und das zeigt, was für ein dichtes Netz aus Kommunikation, Ratschlag und theologischen Austausch Melanchthon geknüpft hat.

Ad fontes – zurück zu den Quellen

Melanchthon-Denkmal auf dem Wittenberger Marktplatz (Foto: Michael Sander) (Foto: Wikipedia)
Melanchton-Denkmal auf dem Wittenberger MarktplatzBild: cc by-sa Michael Sander

Wenn Stephan Dorgerloh aus dem Fenster schaut, blickt er auf die Denkmäler Luthers und Melanchthons auf dem Wittenberger Marktplatz. Einträchtig stehen sie beieinander. Der junge Melanchthon wurde im Alter von 17 Jahren Universitätslehrer, mit 21 Professor in Wittenberg. Er war nicht nur ein Meister der alten Sprachen – den "Griechen", nannte man ihn augenzwinkernd, denn er hatte ein Gespür für Diplomatie und Politik - er beriet den englischen König, begleitete Universitätsreformen und entstaubte das Schulsystem. In Fragen der Bildung war sein Motto: "Ad fontes – zurück zu den Quellen". Melanchthon führte an den Schulen frühzeitigen Latein- und Rhetorikunterricht ein, legte aber Wert darauf, dass der Lehrstoff überschaubar blieb. Wiederholung von Wesentlichem war ihm wichtiger als allumfassende Fülle um jeden Preis. Vor diesem Hintergrund sollte jeder Christ ein gebildeter Christ sein – und die Schulen offen für Jungen und Mädchen, Reiche und Arme.

1526 gründete er in Nürnberg eine Art erstes deutsches Gymnasium – seine Eröffnungsrede war visionäre Bildungspolitik. Darin heißt es: "Wenn auf eure Veranlassung hin eure Jugend gut ausgebildet ist, wird sie eurer Vaterstadt als Schutz dienen. Nicht Bollwerke oder Mauern sind Schutzwerke, sondern die Bürger, die sich durch Bildung, Klugheit und andere Eigenschaften auszeichnen."

Reformation als Teamwork

Prälat Stephan Dorgerloh (Foto: EKD, Evangelische Kirche in Deutschland)
Prälat Stephan DorgerlohBild: EKD

Zentral für die Geschichte des Protestantismus ist die Confessio Augustana, die Melanchthon 1530 schrieb und die bis heute die bedeutendste evangelische Bekenntnisschrift ist. Melanchthon war ein behutsamer Theologe, dessen leises Auftreten im Gegensatz zu Luthers poltriger und streitbarer Art stand. Nur vier Jahre nach dem Reformationsbeginn veröffentlichte er die erste systematische Darstellung der reformatorischen Theologie, die so genannten Loci communes. Immer war Melanchthon um die Klarheit des Ausdrucks bemüht, mit der besonders die Grundeinsicht der Reformation seinen Weg finden sollte: "Gott liebt bedingungslos – sie lässt sich nicht durch Leistung oder Geld erkaufen." In Wittenberg sorgte er so für das Klima, in dem die innerkirchlichen Reformen gelingen konnten. "Gut dass es diesen Geist in Wittenberg gegeben hat, dieses Team der Akteure", sagt Prälat Dorgerloh. Denn die Reformatoren hätten einander gebraucht, wie sie auch Lucas Cranach gebraucht hätten, der Kunst, Kommerz und das Kommunale miteinander verband. Denn Reformation sei Teamwork gewesen.

2010, in dem von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ausgerufenen Themenjahr "Reformation und Bildung", wird die behutsame, diplomatische Seite der Reformation im Scheinwerferlicht stehen. Kongresse, Tagungen, Lesungen und Kunstaktionen im öffentlichen Raum holen Philipp Melanchthon aus dem Schatten Martin Luthers und zeigen ihn als den, der er war: als Lehrer Europas.

Autor: Matthias Lemme

Redaktion: Klaus Krämer