1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Amerikanische Finanzlegende

9. November 2010

Noch heute berät der 83-jährige Paul Volcker den US-Präsidenten Barack Obama. Der ehemalige Chef der Notenbank hat niemals die Märkte mit Geld überflutet wie seine Nachfolger Alan Geenspan und Ben Bernanke.

https://p.dw.com/p/Q2Cs
Paul Volcker (Foto: apn)
Lebende Legende: Paul VolckerBild: AP

Mit eiserner Hand hat Paul Volcker die USA Anfang der 80er Jahre aus der Inflationskrise geführt. Damals war er Chef der Fed, der amerikanischen Notenbank. Noch heute mischt der inzwischen 83-Jährige in der Wirtschaftspolitik mit – er ist Vorsitzender des Wirtschaftsberaterteams von US-Präsident Barack Obama. "Paul Volcker ist ein Mann von äußerster Integrität", sagt Joseph Treaster. Der Journalist hat 2004 ein Buch über Volcker geschrieben. Es trägt den Titel "Das Entstehen einer Finanzlegende". Ein Jahr lang hat der Autor jede Woche mindestens einmal mit dem ehemaligen Chef der US-Notenbank gesprochen. Er beschreibt ihn als intelligent, mitfühlend, aber knallhart, wenn es um seine Prinzipien geht.

Das war auch schon 1980 so, als die Inflationsrate in den USA auf über 14 Prozent stieg. Erst im Juli 1979 war er von Präsident Jimmy Carter zum Fed-Chef ernannt worden. Volcker verringerte die Geldmenge und setzte die Leitzinsen herauf. "Sein Beharren, die Wirtschaft auszubremsen, bedeutete, dass Millionen Menschen ihre Arbeit verloren. Die Autoindustrie wurde schwer getroffen", urteilt sein Biograph Joseph Treaster heute. "Durch die Maßnahmen, mit denen Volcker die Hyperinflation stoppte, hatten die Menschen nicht mehr so viel Geld zur Verfügung."

Feste Prinzipien

Paul Volcker und US-Präsident Barack Obama (Foto: apn)
Noch immer ist sein Rat gefragtBild: AP

Geld knapp machen und Zinsen für Kredite heraufsetzen ist nicht besonders populär. Andererseits gibt es kein anderes Mittel, um eine Inflation wirksam zu bekämpfen. Deshalb glaubt Treaster, der prinzipientreue Fed-Chef Paul A. Volcker habe sich damals in einem Konflikt befunden - und sich richtig entschieden: "Anstatt sich Jimmy Carter gegenüber loyal zu verhalten und eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, die dem amtierenden Präsidenten nutzt, blieb Volcker dem amerikanischen Volk und seinen eigenen Wirtschaftsprinzipien treu." Und die bestehen eben vor allem darin, eine Inflation unter allen Umständen zu vermeiden. Auf die Interessen von politischen Parteien nimmt Volcker dabei keine Rücksicht, er blieb auch unter dem Republikaner Ronald Reagan Fed-Chef.

Der Ökonom Edwin M. Truman kennt Paul Volcker seit 1972, er hat mit ihm in der amerikanischen Zentralbank und im Finanzministerium zusammengearbeitet. In Trumans Büro im Peterson Institut für Internationale Wirtschaftswissenschaften hängen Fotos, auf denen er mit Volcker zu sehen ist - und die dieser handsigniert hat. "Paul Volker ist ein Fiskalkonservativer, der auch eine konservative Geldpolitik betreibt", sagt Truman. Er strebe immer eine niedrige Inflationsrate an und sorge sich wegen eines hohen Haushaltsdefizits. Ungleichgewichte aller Art machten ihm Sorgen - im Finanzsystem oder international. "Er ist ein traditioneller Zentralbanker, der dafür bezahlt wird, sich Sorgen zu machen."

Unnötige Risiken

Volcker-Biograph Joseph B. Treaster (Foto: Librado Romero/New York Times)
Volcker-Biograph Joseph B. Treaster: "Eine Finanzlegende."Bild: Librado Romero/The New York Times

In den 80er Jahren hatte Volcker mit seiner Finanzpolitik Erfolg – die Wirtschaft florierte, bis zum jüngsten Bankencrash. Dabei gehört der Ökonom zu denen, die schon länger warnten, dass sich die amerikanische Wirtschaft auf dünnem Eis befindet. Im Fernsehsender PBS erklärte er Anfang 2009, was sich ändern muss. "Ich will nicht, dass die Banken unnötige Risiken eingehen. Es ist riskant genug, Geld zu verleihen, sie müssen nicht auch noch im großen Stil Eigenhandel betreiben."

Diese sogenannte "Volcker-Regel" ist inzwischen Bestandteil der us-amerikanischen Finanzmarktreform, wenn auch in abgemilderter Form. Amerikanische Bankinstitute dürfen maximal drei Prozent ihres Kernkapitals in Anlegeformen wie Private-Equity oder Hedge-Fonds stecken, die wegen der Gefahr eines Komplettausfalls mit relativ hohen Risiken verbunden sind.

Als Berater von US-Präsident Barack-Obama mischt der großgewachsene 83-jährige mit der brummigen Stimme noch immer im internationalen Finanzgeschehen mit. Seine Sparsamkeit, seine Integrität und das Bestreben, für das öffentliche Wohl zu arbeiten, habe er von seinem Vater, sagt Biograph Treaster. Nachdenklich sei Paul Volcker, und skeptisch, wenn alles etwas zu reibungslos funktioniere und zu einfach aussehe.

Den Faktor Mensch vergessen

Edwin (Ted) M. Truman (Foto: PIIE)
Volcker-Kollege Edwin Truman: "Er ist immer misstrauisch."Bild: PIIE

Vor allem misstraut er den Finanzexperten, die glauben, den Markt nach Formeln berechnen zu können. "Die haben vergessen, dass menschliche Wesen den Markt beeinflussen." An den Finanzmärkten gehe es nicht um Naturgesetze. "Das ist nicht wie in der Physik, wo ein Ereignis einer schönen Verlaufskurve folgt. Sie haben die menschlichen Emotionen vergessen." Was heute in den Märkten passiere, beeinflusse das, was morgen passiert. Das sei kein Zufall. "Aber die ganze Finanzwissenschaft geht davon aus, dass es nur zufällige Abweichungen von der Norm gibt."

Auch die hohen Gewinne der Wallstreetbanker sind ihm suspekt. Dabei ist Volcker selbst auch einmal Banker gewesen, bei der New Yorker Investmentbank Wolfensohn & Co. Aber er habe nicht immer den Job mit dem höchsten Einkommen gewählt, sagt der Journalist Treaster. Im Gegenteil, als Volcker von der New Yorker Fed zur Zentrale in Washington wechselte, habe er eine 50prozentige Gehaltskürzung in Kauf genommen. Und deshalb war er genau der richtige Mann, um im Auftrag der UNO die Unregelmäßigkeiten im irakischen "Öl für Lebensmittel-Programm" zu untersuchen. Eben unbestechlich.

Autorin: Christina Bergmann, Washington
Redaktion: Rolf Wenkel