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Eine Bibel für die Generation Smartphone

Sarah Hucal
21. Januar 2021

Um junge Menschen zu erreichen, hat die Bibelgesellschaft eine Neuübersetzung der Heiligen Schrift herausgegeben: mit einfachen Wörtern und kürzeren Sätzen.

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Ein Jugendlicher schaut in sein Smartphone
Ob die BasisBibel die Jugend erreicht? Das hoffen zumindest die Kirchen Bild: picture-alliance/dpa/K. Hildenbrand

Wie viele Staaten auf der ganzen Welt wird auch Deutschland immer säkularer. Die Kirchen schrumpfen. Um mehr junge Menschen zu erreichen, hat die Deutsche Bibelgesellschaft nun eine Neuübersetzung der Heiligen Schrift herausgebracht. Diese sogenannte BasisBibel soll besonders gut am Smartphone zu lesen sein. Auch die Sprache wurde dem Stil der jungen Generation angepasst. Vom Neuen Testament liegt so eine Fassung bereits seit 2010 vor.

Dabei hat die Gesellschaft laut eigener Aussage besonderen Wert auf "klare Sprache, kurze Sätze und umfangreiche Erklärungen in den Randspalten" gelegt. Die Herausgeber bezeichnen die BasisBibel als "die Bibel-Übersetzung für das 21. Jahrhundert" und hoffen, damit ein Publikum zu erreichen, das sich zuvor noch nicht mit der Heiligen Schrift, einem der ältesten Texte der Menschheit, auseinandergesetzt hat.

Neuübersetzungen gab es schon häufig

Michael A. Schmiedel, Religionswissenschaftler an der Universität Bielefeld, betont, dass solche Neuübersetzungen und Modernisierungen religiöser Texte nichts Neues sind - und noch dazu eine Notwendigkeit: "Ob jemand im dritten Jahrhundert n. Chr. alte indische buddhistische Schriften ins Chinesische übersetzt, Martin Luther im 16. Jahrhundert die Bibel aus dem Hebräischen und Griechischen ins Deutsche überträgt oder der Koran in der Gegenwart in moderne Sprachen überführt wird: Bei jeder Übersetzung einer Heiligen Schrift ist es das Ziel, die Menschen in der eigenen Gegenwart zu erreichen." Aber kann eine Neuübersetzung der Bibel auch eine Gesellschaft erreichen, in der immer weniger Menschen gläubig sind?Die christlichen Kirchen in Deutschland verzeichnen seit Jahren einen deutlichen Mitgliederschwund. Manche Parteien des rechtspopulistischen oder rechtsextremen Spektrums machen dafür die Migration aus Weltregionen verantwortlich, in denen ein anderer Glaube verbreiteter ist; das ist aber nicht der Grund für die zunehmende Säkularisierung. Es ist einfach so, dass sich immer weniger Deutsche für Religion interessieren - ein Trend, der sich seit Jahrzehnten immer weiter fortsetzt. Am Ende des Zweiten Weltkrieges gehörten noch 90 Prozent der Deutschen in Ost und West einer der beiden großen christlichen Kirchen an. Nach der Wiedervereinigung lag die Zahl bei 72 Prozent. Heute sind nur noch 55 Prozent  der Deutschen Mitglieder der Katholischen oder Evangelischen Kirche, zeigen die Daten des Meinungsforschungsinstituts Allensbach.

Eine aufgeschlagene historische Bibel von Martin Luther
Martin Luthers Bibelübersetzung ins Deutsche im 16. Jahrhundert war damals ein Bestseller Bild: AP

Deutsche sind immer seltener religiös

Religionswissenschaftler Michael A. Schmiedel
Religionswissenschaftler Michael A. Schmiedel sieht einen engen Zusammenhang zwischen Wissenschaftsfortschritt und Säkularisierungsprozess Bild: Petra Schenk-Schmiedel

Schmiedel beobachtet, dass die Menschen im Rahmen der Säkularisierung "nicht nur bestimmte Formen von Religion oder Religiosität ablehnen, sondern generell kein Interesse mehr an transzendenten oder metaphysischen Fragen haben". Dieser Prozess begann schon vor 500 Jahren mit der Renaissance, als die modernen Naturwissenschaften entstanden. "Eine Funktion von Religion ist ja auch Welterklärung. Aber diese Funktion haben zunehmend die Wissenschaften übernommen: Also wie funktioniert die Welt, wie ist die Welt entstanden und so weiter. Da besteht eine Konkurrenz. Religion behauptet das eine, unsere Wissenschaft behauptet das andere."

Die Konkurrenz mit den Wissenschaften hat auch zu einer Zersplitterung innerhalb einzelner Religionen geführt. Diese Entwicklung habe seit dem frühen 20. Jahrhundert noch an Tempo zugenommen, so Religionswissenschaftler Michael A. Schmiedel.

Liberalisierung versus Radikalisierung

Als Beispiel bieten sich die Mitglieder der Neuapostolischen Kirche an, die für ihre strenge Auslegung des Christentums bekannt sind; in den letzten 30 bis 40 Jahren haben sie sich zunehmend liberalisiert, berichtet der Religionswissenschaftler: "Früher war es ihnen verboten, Zeitungen zu lesen, Sport zu treiben, fernzusehen. Alles aufgehoben. Die Leute dürfen das jetzt alles machen."

Zeugen Jehovas stehen mit gesenkten Kopf betend in Reihen
Bei den Zeugen Jehovas herrschen immer noch strenge Regeln; in anderen Religionen wurden sie längst gelockertBild: picture alliance/Pixsell/G. Jakus

Andererseits würden fundamentalistische Religionsvertreter stärker, stellt Schmiedel fest; sie fühlten sich "in die Ecke gedrängt und werden dadurch teilweise lauter und aggressiver, was sich auch mit dem steigenden Nationalismus in den USA und in Deutschland verbindet". 

Diese Zersplitterung innerhalb einer Glaubensrichtung könnte für junge Menschen verwirrend sein, die sich für Religion interessieren und nach Orientierung suchen. "Ich denke aber schon, dass so eine Bibelübersetzung ein bisschen helfen kann, wenn jemand so auf der Suche ist", so Schmiedel.

Ein 'Update' in die moderne Sprache

Martin Luthers Übersetzung der Bibel ins Deutsche machte die Heilige Schrift auch für gewöhnliche Bürger zugänglich. Zunächst ging 1522 das von Luther übersetzte Neue Testament in Druck. Es kostet anderthalb Gulden - damals der Gegenwert eines ganzen Kalbes. Trotzdem wurden die ersten 3.000 Exemplare innerhalb kurzer Zeit verkauft. Zwölf Jahre später erschien dann Luthers erste übersetzte Gesamtausgabe des Heiligen Buches - mit Altem und Neuem Testament. Vor Luthers Übersetzung existierten über 70 verschiedene Versionen, die auf der lateinischen Fassung beruhten und voller Fehler waren. Luthers Übersetzung hingegen ist noch heute der Standardtext der Evangelischen Kirche in Deutschland. Luther hat durch seine Übersetzung sogar bekannte Redewendungen geprägt, darunter: "Stell dein Licht nicht unter den Scheffel".

Drei Ausgaben der BasisBibel liegen aufeinander
Sowohl die Print- als auch die digitale Ausgabe der BasisBibel sind ab dem 21. Januar erhältlichBild: Deutsche Bibelgesellschaft

Heute bedürfen aber selbst solche Wendungen eines 'Updates', denn wie viele Mitglieder der Generation Z wissen schon, was ein Scheffel ist. Trotzdem wurden nicht alle veralteten Begriffe aus der Neuübersetzung entfernt. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass viele junge Menschen im Alltag Kontakt mit dem Wort "Messias" haben; trotzdem behält die BasisBibel den Begriff bei und stellt eine Erklärung am Rand bereit.

Sprachliche Herausforderung

Und wie hört sich eine Passage aus der Lutherbibel in der neuen BasisBibel an? Treue Kirchgänger haben die berühmte Frage von Jesus Christus im Ohr (Matthäus-Evangelium, Kapitel 16, Vers 26): "Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?" In der BasisBibel klingt der Satz jetzt so: "Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber sein Leben dabei verliert?"  

Christoph Rösel, Generalsekretär der Deutschen Bibelgesellschaft
Christoph Rösel ist zufrieden mit der neuen BasisBibelBild: Julian Meinhardt

"Die Herausforderung bei der BasisBibel war tatsächlich, einen Sprachstil mit kurzen Sätzen, wenigen Nebensätze und Begriffen zu finden, die auch von den Menschen heute verstanden werden", erklärt Dr. Christoph Rösel, Generalsekretär der Deutschen Bibelgesellschaft. Dazu arbeitete die Gesellschaft mit einem Team aus über 1100 Menschen zusammen, die den Text lasen oder an Umfragen teilnahmen. So will die Bibelgesellschaft sicherstellen, dass die Übersetzung nicht nur korrekt, sondern auch geeignet ist: für junge Menschen und für das 21. Jahrhundert.

Adaption: Christine Lehnen