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Eine Branche in der Krise

André Moeller12. Juli 2002

Seit der Skandalpleite des amerikanischen Energiegiganten Enron reißen die Hiobsbotschaften nicht mehr ab. Immer wieder sind auch Unternehmen der Medien- und Telekommunikationsbranche betroffen.

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Kein Anschluss unter dieser Nummer: Nicht nur der Telekom geht es schlechtBild: AP

Das Geschäft mit der Telekommunikation steckt weltweit in der Krise," bestätigt die Analystin Ilona Hasselberg. Die Telekommunikationsexpertin der Berenberg-Bank nennt im Interview mit DW-WORLD zwei wesentliche Gründe für den allgemeinen Abwärtstrend.

Die immer neuen Nachrichten über Bilanzierungsskandale beschränkten sich zwar nicht auf den Telekommunikationssektor, "trotzdem wirken sie sich unweigerlich auf das Anlegervertrauen aus und die ohnehin negative Reaktion der Märkte schlägt sich in einem bereits schwachen Bereich besonders nieder", sagt Hasselberg. Zudem seien viele Unternehmen wegen ihrer UMTS-Geschäfte hoch verschuldet.

Eine positive Entwicklung hängt nach Ansicht der Analystin bei den meisten Telekommunikationsanbietern davon ab, ob der neue Mobilfunkstandard UMTS zu einem Massenprodukt entwickelt werden könne. "Diese Frage lässt sich jedoch allenfalls mittelfristig beantworten", betont Hasselberg, "zumal einige Unternehmen ihre Schulden zu bekämpfen, indem sie die Investitionspläne zum Ausbau der neuen Technologie strecken."

Vom Vorzeigeunternehmen zum Absteiger

Beispiel France Télécom: Der französische Ex-Monopolist mit seinem charismatischen Chef Michel Bon galt im europäischen Vergleich lange als Vorzeigeunternehmen. Doch durch eine überteuerte internationale Einkaufstour hat der Konzern bei vielen Anlegern sein Vertrauen verspielt.

Zudem haben undurchschaubare Geschäfte die Bilanzen des Unternehmens nachhaltig geschwächt. So erwies sich der Erwerb eines Anteils von 28,5 Prozent am deutschen Mobilfunkanbieter MobilCom als Fass ohne Boden. Das Unternehmen ist inzwischen durch die ruinösen UMTS-Visionen des mittlerweile ausgeschiedenen Geschäftsführers und Unternehmensgründers Gerhard Schmid konkursgefährdet.

Rücktritt vorsorglich abgelehnt

Unter allen großen europäischen Telekomtiteln hatte France Télécom die größten Kursverluste zu beklagen. Mit einem Wertverlust von gut 95 Prozent gegenüber ihren besten Zeiten pendelt das Papier nun, wie auch die T-Aktie, um die Zehn-Euro-Marke.

Während das französische Unternehmen die eigene Verschuldung von zuletzt 61 Milliarden Euro als "erträglich" bewertet, machen Analysten einen ungenügenden Schuldenabbau für den anhaltenden Kursrutsch verantwortlich. Dennoch hat Firmenchef Bon Mutmaßungen über einen Rücktritt auch für den Fall eines weiteren Wertverlusts der französischen Volksaktie vorsorglich zurückgewiesen.

Brisante Mischung: Energie und Medien

Aber auch ohne den Kauf von überteuerten Mobilfunklizenzen können Unternehmen in eine Krise geraten. Bevor Jean-Marie Messier seinen Hut nehmen musste, verfolgte der Chef von Vivendi Universal unbeirrt seinen ambitionierten Plan, den französischen Energiekonzern in einen weltweit operierenden Medienanbieter umzubauen. Die katastrophale Folge teurer Zukäufe war ein Rekordverlust von 13,6 Milliarden Euro für 2001.

Messier stolperte letztlich über den Versuch, die Bilanz der Gesellschaft 2001 um 1,5 Milliarden Euro zu schönen. Anfang Juli wurde Messier dann durch den Aventis-Manager Jean-René Fourtou abgelöst. Inzwischen hat die französische Börsenaufsicht COB damit begonnen, die Vivendi-Bilanzen ab 2001 zu prüfen, was einen erneuten Kursrutsch einleitete.

Bilanzfälschung bringt Börsen zum Wackeln

Für Schlagzeilen sorgte auch das US-Unternehmen WorldCom. Der zweitgrößte US-Anbieter von Ferngesprächen hatte kürzlich zugegeben, seit Anfang vergangenen Jahres Ausgaben in Höhe von 3,85 Milliarden Dollar als Investitionen statt als laufende Kosten verbucht zu haben. Dadurch war es möglich, die Summe über Jahre abzuschreiben – eine "Luftbuchung", mit dem Ziel, Gewinne statt Verluste auszuweisen.

Dieser gewaltige Bilanzbetrug, der im Juni weltweit die Börsen in die Knie zwang, kostete nicht nur den damaligen Unternehmenschef Bernard Ebbers den Job. Auch Finanzchef Scott Sullivan wurde gefeuert. Beide sind sich indes "keiner Schuld bewusst". Dem Telefongiganten, der auf 30 Milliarden Dollar Schulden sitzt, droht nun der Konkurs.