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Familie Schellhas diskutiert

Nastassja Steudel22. September 2013

Von wegen politisch desinteressiert! Kurz vor der Bundestagwahl wird auch in deutschen Familien viel diskutiert. Ganz besonders bei Familie Schellhas. Denn ihre Kreuze machen alle drei an unterschiedlichen Stellen.

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Familie Schellhas sitzt am Gartentisch (Foto: DW/N.Steudel)
Harte Diskussionen in trauter RundeBild: DW/N.Steudel

"Ich glaube in Deutschland wird zu wenig über die Zukunft nachgedacht", sagt Lars und schaut dabei seinen Vater an. An diesem Nachmittag geht es am Gartentisch der Familie Schellhas um den Bau zweier Windkrafträder vor ihrem Haus. 185 Meter hoch sollen die werden. Axel Schellhas runzelt missbilligend die Stirn. "Ich bin ja für Erneuerbare Energien, aber nicht wenn mein Eigentum dadurch an Wert verliert." Abgesehen von ihrer Optik, verursachen viele Anlagen durch ihre Rotorflügel-, Antriebs- und Windgeräusche erheblichen Lärm. Auf der Fensterbank steht eine solarbetriebene Miniatur-Windmühle. Immerhin im Kleinen haben sich Lars Überzeugungen im Elternhaus durchsetzen können.

Seit Lars sich politisch bei den Grünen engagiert, wird bei den Schellhas noch mehr diskutiert als sonst. Lars ist 18 und hat gerade sein Abitur bestanden. Während seine Klassenkameraden in Australien mit dem Rucksack unterwegs sind oder auf Mallorca ihren Schulabschluss feiern, sitzt er bis spät in die Nacht mit seinen Eltern auf der Terrasse in Grevenbroich und spricht über den Sparkurs der Regierung, den er für falsch hält, oder über die Betreuungsangebote für Kleinkinder. Die konservative Haltung seines Vaters sorgt dabei immer wieder für Zündstoff.

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"Ich schütze mich und meine Familie, in dem ich die CDU wähle."

Axel Schellhas betreibt seit 10 Jahren einen eigenen Catering-Service. Das Geschäft läuft gut. Inzwischen beschäftigt er 16 freie Mitarbeiter. Für den gelernten Koch war der Schritt in die Selbständigkeit ein Sprung ins kalte Wasser. Nicht zuletzt auch die Arbeit als Unternehmer habe ihn konservativer werden lassen, sagt er. Aber auch die eigene Geschichte hat ihn geprägt. Sein Vater war Soldat im Zweiten Weltkrieg. Zu Hause waren Werte wichtig, und die hält er heute in seiner Familie hoch. Bei der anstehenden Bundestagswahl wird er deswegen wie immer schwarz wählen. "Ich schütze mich und meine Familie, indem ich die CDU wähle", sagt er beinahe rechtfertigend. Seine Frau lächelt und sagt ironisch:"Ist klar. Du schützt deine Familie – also wählst du schwarz". Aus ihrer Sicht wertschätzen auch andere Parteien die Familie. Das Wasser im Gartenpool glitzert einladend. Wenn die Meinungsverschiedenheiten bei den Schellhas zu hitzig werden, bietet der die richtige Abkühlung.

"Bin eine sehr soziale Unternehmerin"

Frauke Schellhas krault Familienhund Cosmo hinter den Ohren. Wenn ihre zwei Männer diskutieren, sich gegenseitig ins Wort fallen, dann versucht sie zu schlichten. Geht es aber um Themen wie Krankenversicherung und Altersvorsorge, wird sie selbst etwas lauter. Gleichheit und Gerechtigkeit – das ist ihr wichtig. Und dann sagt sie: "Es geht mir weniger um die politischen Inhalte im Detail, als um das Grobe. Also wie man lebt und wie man mit seinen Mitmenschen und seiner Umgebung umgeht." Die 47-Jährige ist SPD-Wählerin. Schon immer. Aus tiefster Überzeugung.

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Um mehr Zeit mit ihrem Mann verbringen zu können, wechselte die gelernte Rechtsanwaltsgehilfin vor 20 Jahren in die Gastronomie, zog mit ihm gemeinsam das Catering-Unternehmen auf. Dadurch stehe sie jetzt auf der anderen Seite, also der Arbeitgeberseite. Der Titel "Unternehmerin" gefällt ihr nicht so richtig. Wenn überhaupt, dann könne man sie als sehr soziale Unternehmerin bezeichnen. Ihre Mitarbeiter verdienen mehr als den von den Grünen geforderte Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde.

Während sich Lars und seine Mutter beim Thema Mindestlohn sehr einig sind, gibt es Bereiche bei denen er eine stärkere soziale Haltung bei ihr vermisst. "Deinen Idealismus muss man sich auch erst mal leisten können", verteidigt Axel seine Frau schnell. Während der Diskussionen formieren sich die Lager auch mal um.

Vom Klassenzimmer in den Bundestag

Dass auch Lars sich in der Zukunft politisch noch umorientiert, ist nicht ganz ausgeschlossen. "Bei Kindern, die in ihrem Elternhaus unterschiedlichen Sozialisationseinflüssen ausgesetzt sind, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass aus ihnen Wechsel- oder Nichtwähler werden", sagt der Sozialwissenschaftler Oscar Gabriel von der Universität Stuttgart. Außerdem könnten Ereignisse wie Wirtschaftskatastrophen und die Erfahrung, wie Parteien sich in solchen Situationen bewähren, auch noch zu einer Umorientierung führen, so der Experte. Davon will der 18-Jährige aber momentan nichts wissen. Ohnehin hätten die Grünen als einzige Partei gerade in der Euro-Krise den richtigen Kurs, findet er.

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"Du wolltest mir noch deine nächsten Termine schicken", sagt sie zu ihrem Sohn. Mit "Terminen" meint sie seine öffentlichen Auftritte auf er seit Wochen in seinem Wahlkreis um Stimmen wirbt. "Wenn alles gut geht, dann zieht er am 22.September in den Bundestag ein. Anfang dieses Jahres - mitten in den Abiturvorbereitungen - wurde er von seinem Kreisverband der Grünen Jugend als Kandidat für den Bundestag aufgestellt.

Axel Schellhas rutscht jetzt etwas unruhig auf der Holzbank hin und her. "Ich finde es toll, was mein Sohn macht. Dass er sich gedanklich um unser aller Zukunft kümmert, aber ich wünsche mir, dass er auch weiter an seiner Zukunft arbeitet und eine Ausbildung macht. Politik ist nicht alles im Leben."