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Währungskrieg

6. Oktober 2010

Die größten Volkswirtschaften der Welt setzen auf eine Schwächung ihrer Währungen. Das Ansinnen ist überall das gleiche: Die Stärkung der heimischen Wirtschaft. Eine gefährliche Mixtur für die Weltwirtschaft.

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Bild: DW

Das hässliche Wort vom Währungskrieg macht seit einigen Tagen wieder die Runde. Es war Brasiliens Finanzminister, der es erstmals benutzte. Und schon beschwören Notenbanker und Politiker rund um den Globus ein Szenario herauf, das an die schlimme Krise der 1930er Jahre erinnert. Damals, im Gefolge der Großen Depression, handelte jedes Land für sich, es kam zu einem Chaos der Währungen, der Welthandel brach ein. Genau dies wollte man verhindern, als vor zwei Jahren die jüngste Weltwirtschaftskrise ausbrach: Eilig rückten die zwanzig führenden Volkswirtschaften der Welt die Stühle zusammen, stimmten ihr Handeln und ihre Maßnahmen ab, fluteten die Märkte mit Geld und legten gigantische Konjunkturprogramme auf. Das war alles gut und richtig - und damit verband sich auch die Hoffnung, dass diese G20 der richtige Kreis wären, die Probleme der Weltwirtschaft anzugehen. Aber offenbar ist dem nicht so.

Nur leere Worte der G20

Henrik Böhme (Foto: DW)
Henrik Böhme, DW-WirtschaftsredaktionBild: DW

Dieser nun wieder aufgeflammte Währungskrieg kann die bescheidenen Anfänge der G20 mit einem Schlag zerstören. In der Frage der Währungspolitik wird eines ganz deutlich: Es sind nicht Zwanzig, die sich einig sind, sondern es sind zwanzig Länder, die zuerst ihre eigenen nationalen Interessen im Blick haben. Das zeigt: Die Bekenntnisse der G20, künftig auf Protektionismus zu verzichten - sie sind offenbar nichts wert. Doch wenn dieser mächtige Klub jetzt an der Währungsfrage scheitern sollte - und dies ist durchaus nicht ausgeschlossen - dann wird die Welt in eine Krise stürzen, wogegen das, was wir gerade hinter uns haben, ein Sandkasten-Spiel war.

Alte Argumente noch aktuell

Natürlich kennen alle die ökonomische Grundlage des Problems: Je schwächer die eigene Währung, umso wettbewerbsfähiger wird die eigene Exportwirtschaft. Die Chinesen führen das der Welt seit Jahren vor - und lassen sich von niemanden dabei beirren oder gar hineinreden. Und sie haben das beste aller Argumente auf ihrer Seite - es kommt bezeichnenderweise aus den USA: "Der Dollar ist unsere Währung, aber ihr Problem." So beschrieb Anfang der 1970er Jahre der damalige US-Finanzminister John Connally die Haltung der Amerikaner in der Frage der Wechselkurse. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Die US-Notenbank druckt ohne Ende frisches Geld, das hält den Dollar schwach und kann helfen, die heimische Wirtschaft wieder anzukurbeln. Da verpufft freilich der von Washington auf Peking ausgeübte Druck, man möge doch bitte die chinesische Währung aufwerten. Andererseits sollte China endlich auch so auftreten, wie es sich für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt gehört. Und dazu gehören nun einmal flexible Wechselkurse.

Ein gefährliches Spiel

Doch nicht nur Chinas Yuan ist unterbewertet, auch der koreanische Won, der brasilianische Real, der Peso in Argentinien. Überall greifen die Notenbanken ein, um die Aufwertung der Landeswährungen zu stoppen. Es sind alles Länder des G20-Klubs. Doch genau der Kreis der Zwanzig ist das derzeit einzige Forum, wo dieses Problem gelöst werden kann. Die Währungspolitik muss auf die Tagesordnung, am besten schon beim nächsten Treffen Mitte November in Südkorea. Eine neue Währungsordnung muss her, und zwar möglichst rasch. Das ist ein komplexes Unterfangen, und sicher hat niemand die universelle Lösung parat. Doch wenn es nicht gelingt, die Ungleichgewichte der Währungen zumindest in gewisse Bandbreiten zu zwingen, dann droht die zarte Erholung der Weltwirtschaft nach der schweren Krise mit brachialer Gewalt zerstört zu werden.

Gefahr für Europa

Die Europäer sind bislang noch die Zuschauer des Spiels. Alarmiert sind sie dennoch. Denn der Euro, dem manche noch im Frühsommer auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise das Aus vorhersagten, genau dieser Euro schwingt sich gerade zu neuer Stärke auf. Die Geldpolitik der Währungshüter im Euro-Tower zu Frankfurt setzt auf stabile Wechselkurse und eine geringe Inflation. Einfach nur Geld zu drucken, das käme hier niemanden so leicht in den Sinn. Doch diese Bescheidenheit - sie könnte die Euro-Länder zum Verlierer dieses Krieges machen. Genau so falsch freilich wäre es, das gefährliche Abwertungs-Spiel mitzumachen. Das bringt vielleicht kurzfristig Erfolg. Auf lange Sicht führt es in die Katastrophe. Eine große Debatte steht bevor.

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Andreas Becker