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Eine richtige Entscheidung

24. Juni 2010

Nach seinen abfälligen Äußerungen über Mitglieder der US-Regierung war General Stanley McChrystal nicht mehr zu halten, meint Deutsche Welle-Korrespondentin Christina Bergmann.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Barack Obama hatte keine andere Wahl. Der angerichtete Schaden ist zu groß. Denn es handelt sich hier nicht um eine einzige abfällige Bemerkung, einen Ausrutscher, für den eine Entschuldigung ausreichend gewesen wäre. Was durch den Artikel im Magazin "Rolling Stone" deutlich wurde, ist eine tiefgreifende Kluft zwischen dem US-Präsidenten und dem Mann, der einen entscheidenden Krieg für ihn führen soll. Dabei waren sich die beiden zunächst in der Strategie einig. Obama hatte im Wesentlichen den Wünschen von McChrystal und seinem Team nach mehr Truppen für Afghanistan entsprochen.

Der General hat jedoch offensichtlich ein Problem mit den zivilen Mitgliedern der Obama-Regierung, selbst wenn es sich dabei um ehemalige Offiziere handelt wie bei General James Jones, dem nationalen Sicherheitsberater des Präsidenten, oder Karl Eikenberry, dem US-Botschafter in Afghanistan. Über sie machte sich das McChrystal-Team genauso lustig wie über Vizepräsident Joe Biden.

Obama selbstbewusst

Christina Bergmann (Foto: DW)
Christina Bergmann

Doch nur mit Soldaten allein ist kein Krieg gegen Aufständische zu gewinnen, das hat nicht zuletzt auch General David Petraeus immer wieder erklärt, der Oberkommandierende der Streitkräfte der gesamten Region und damit auch McChrystals Vorgesetzter. Es war Petraeus, der im Irak diese Strategie gemeinsam mit seinem zivilen Partner, US-Botschafter David Crocker, erfolgreich umgesetzt hat. Und es ist Petraeus, der die schwierige Aufgabe in Afghanistan von McChrystal jetzt übernimmt.

Mit seiner Entscheidung präsentiert sich Obama als selbstbewusster Oberbefehlshaber der Truppen, der Respekt verdient. Er fand starke Worte für McChrystals Entgleisung: Dessen Verhalten entspreche nicht den Standards, die für alle Soldaten gelten müssten, gleichgültig, welchen Rang sie haben, erklärte er. Denn, und auch hier hat Obama Recht: McChrystals Verhalten lenkt von der eigentlichen Mission ab, unterhöhlt das notwendige Vertrauensverhältnis und zeigt, dass der Respekt vor den zivilen Mitgliedern der Regierung fehlt. Es ist nur schwer vorzustellen, wie McChrystal mit den Regierungsmitgliedern hätte zusammenarbeiten sollen, über die er sich öffentlich lustig gemacht hat.

Wiederholungstäter

Außerdem ist es nicht das erste Mal, dass der General den Präsidenten düpiert. Während Obama im vergangenen Jahr über seiner Afghanistan-Strategie brütete, hielt McChrystal in London eine Rede, in der er dem Vorschlag von Vizepräsident Biden, den Einsatz von unbemannten Drohnen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet zu verstärken, eine Absage erteilte. Und er monierte sich darüber, dass der Entscheidungsprozess so lange dauerte. McChrystal wurde damals von Obama zu einer Vier-Augen-Unterredung zitiert.

Ein weiteres Mal konnte der Präsident dem General dieses Verhalten also nicht durchgehen lassen. Obamas eigene Autorität stand auf dem Spiel. Hinzu kommt: Es steht derzeit nicht gut um den Krieg in Afghanistan. Die Einnahme der Taliban-Hochburg Mardschah ist offensichtlich nicht so gelaufen wie erhofft. McChrystal selbst hat sie als "blutendes Geschwür" bezeichnet. Die geplante Offensive in Kandahar wird immer weiter verschoben. Der Zeitplan scheint ins Rutschen zu geraten.

Krise als Chance?

Vor knapp sieben Monaten hatte Präsident Obama seine Afghanistan-Stategie vorgestellt. Im Dezember ist eine erste Bestandsaufnahme geplant. Doch in letzter Zeit versucht die Regierung, die Bedeutung dieses Jahrestages herunterzuspielen. Der Beginn des Rückzugs Anfang Juli nächsten Jahres, den Obama im Dezember verkündet hatte, scheint nicht mehr so sicher. Mit General Petraeus als neuem Befehlshaber gibt Obama dem Afghanistan-Krieg einen dringend benötigten Schub. Vielleicht ist diese Krise also das beste, was dem Präsidenten in diesem Moment passieren konnte.

Autorin: Christina Bergmann, Washington
Redaktion: Christian Walz