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Eine Schande für die politische Kultur

23. Februar 2011

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg musste im Bundestag Stellung zur Plagiatsaffäre nehmen. Sein Doktortitel wurde ihm von der Universität aberkannt. Bettina Marx kritisiert, dass er noch im Amt ist.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Ein Minister, der nachweislich gelogen hat, der betrogen hat, der sich durch Plagiate einen akademischen Titel erschlichen hat, der kann nicht im Amt bleiben. Das ist eines demokratischen Rechtsstaates nicht würdig. Es ist ein Schande, dass sich der Deutsche Bundestag einen ganzen Tag lang mit den Plagiaten eines Ministers beschäftigen musste, der sich arrogant und unterstützt von Teilen der deutschen Presse jeder Verantwortung entzieht. Und es ist eine Schande, dass dieser Minister von der Bundeskanzlerin und den Abgeordneten der Regierungsfraktionen unterstützt wird.

Karl-Theodor zu Guttenberg, das steht fest, hat gelogen. Er hat behauptet, eine Doktorarbeit nach bestem Wissen und Gewissen und in siebenjähriger mühevoller Kleinarbeit selbst gefertigt zu haben. Alle Vorwürfe, er habe abgeschrieben, wies er als abstrus zurück. Erst als die Belege für die Plagiate nicht mehr wegzudiskutieren waren, als immer mehr Einzelheiten über die Täuschungen des Ministers bei seiner Arbeit und die Fälschungen bei seinem Lebenslauf an die Öffentlichkeit kamen, entschied er sich für den geordneten Rückzug. Er werde auf seinen Doktortitel verzichten, sagte er.

Merkwürdiges Rechtsverständnis

Doch welch merkwürdiges Rechtsverständnis ist das für einen studierten Juristen? Man kann einen akademischen Titel nicht einfach zurückgeben. Und schon gar nicht kann man auf diese Weise eine gründliche Untersuchung der Vorwürfe verhindern. Denn das war ja offenbar Guttenbergs Ziel. Mit diesem Befreiungsschlag, diesem, wie er sagte "schmerzlichen Verzicht" auf die Doktorwürde, wollte er den Angriffen den Boden entziehen und sich selbst gleichzeitig als geläuterten Sünder präsentieren.

Doch das ist nicht gelungen. Die Universität hat die plagiierten Stellen geprüft und hat ihm den akademischen Titel aberkannt. Zu den Vorwürfen der bewussten Täuschung wollten die Professoren nicht Stellung nehmen. Doch das Ergebnis ihrer Prüfung reicht schon aus: Der Minister ist als Plagiator entlarvt, als Lügner und Hochstapler obendrein. Er kann nun nicht länger im Amt bleiben, egal wie charmant er ist und wie groß seine politische Begabung. Es geht hier nicht um Petitessen, um Schlampereien, um vergessene Anführungszeichen und Fußnoten. Es geht um bewusste Täuschung und Lüge, es geht um mangelnde Gesetzestreue und fehlende Glaubwürdigkeit.

Die Würde der Wissenschaft

Und es geht um den guten Ruf der deutschen Wissenschaft, um den Ruf all jener, die wirklich in mühevoller und langjähriger Arbeit ihre Dissertationen schreiben, ohne millionenschwere Familie im Hintergrund, die dafür wirtschaftliche Einbußen hinnehmen müssen, die vielleicht sogar die Familiengründung verschieben müssen. Es geht um die Würde all jener jungen Wissenschaftler, die unter sehr schwierigen Bedingungen ihr Leben an den durch neoliberale Reformen ausgebluteten deutschen Universitäten meistern müssen, und die vieles auf sich nehmen an Entbehrungen und wirtschaftlicher Unsicherheit, um eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen zu können.

Es ist schade, dass es so weit kommen musste und dass sich ein zweifellos begabter junger Politiker so um seinen Ruf gebracht hat. Aber wenn Karl-Theodor zu Guttenberg im Amt bleibt, dann ist die politische Kultur in Deutschland dauerhaft beschädigt.

Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Kay-Alexander Scholz