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Einmal Dschihad und zurück

Kersten Knipp22. Oktober 2013

Rund 200 Islamisten aus Deutschland halten sich derzeit in Syrien auf. Nach ihrer Rückkehr könnte erhebliche Gefahr von ihnen ausgehen. Denkbar ist aber auch, dass ihnen die Kampfeslust gründlich vergangen ist.

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Kämpfer der Al Nusra Front in Syrien (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP

Aus Sicht eines Dschihadisten gibt es viele Gründe, nach Syrien zu gehen: Dort können die selbst ernannten "Gotteskrieger" gegen einen säkularen, also "ungläubigen" Machthaber kämpfen; sie können sich an einem Kampf zwischen Sunniten und Schiiten beteiligen, einer Schlacht, in der es aus der Perspektive mancher um die endgültige Vorherrschaft einer der beiden Gruppen im Nahen Osten geht; und es lockt die Aussicht, auf den Trümmern Syriens einen islamischen Staat zu begründen.

"German Camp" in Syrien

Solche Ziele vor Augen, kämpfen viele sunnitische Extremisten aus dem Ausland auf syrischem Boden. Inzwischen, so eine vor kurzem erschienene Studie des britischen Forschungsinstituts Jane's, halten sich dort rund 10.000 Dschihadisten auf. Sie stehen Al-Kaidas Ideologie eines globalen Dschihad nahe. Zudem spricht die Studie von weiteren 30.000 bis 35.000 Islamisten, die sich allerdings auf den Machtkampf in Syrien beschränken, also ausschließlich für das Ziel kämpfen, Assad zu stürzen.

Eric Breiniger (Foto: dpa)
Erschossen in Pakistan: Der mutmaßliche deutsche Dschihadist Eric BreiningerBild: picture-alliance/dpa

Unter den internationalen Kämpfern vermutet das Bundesamt für Verfassungsschutz - nach Angaben des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" - auch rund 200 Dschihadisten aus Deutschland. Die meisten von ihnen stammen demnach aus Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Kämpfern aus Hessen, Berlin, Bayern und Hamburg. Mehr als die Hälfte besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Die meisten von ihnen befänden sich in einem sogenannten "German Camp", in dem vor allem Dschihadisten aus Deutschland leben.

Bedingt kampftauglich

Welche Rolle die Freiwilligen aus Deutschland im Kampfgeschehen spielen, ist schwer einzuschätzen. Eines sei allerdings klar: Sie befänden sich auf einem Kriegsschauplatz, an dem sich auch erfahrene und hoch professionelle Kämpfer engagieren, sagt der Politikwissenschaftler Alexander Hamann von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen.

Einige der internationalen Dschihadisten hätten bereits in Bosnien, Afghanistan oder dem Irak gekämpft - und hätten darum ganz andere Erfahrungen und Fertigkeiten als die aus Deutschland angereisten Islamisten, die mit der Situation womöglich schnell überfordert seien. "Es handelt sich um junge, in gewisser Weise "idealistische" Personen, die aus einer friedlichen Weltregion stammen - zumindest keiner, die sich in einem auch nur annähernd ähnlichen Zustand befindet."

Ohne Training und entsprechende Erfahrung seien sie für das unmittelbare Kampfgeschehen meist kaum verwendbar. "Man kennt das etwa aus dem Irak oder den palästinensischen Gebieten", sagt Hamann, "wo junge Westeuropäer von den alten Hasen abgelehnt werden, weil sie keine für den Kampf relevanten Fähigkeiten mitbringen".

Angst und Entbehrung

Screenshot eines Internetvideos von Dschihadisten (Foto: dpa)
Digitaler Dschihad: Rekrutierung per InternnetBild: picture-alliance/dpa/Intelcenter

Einsatzfähig sind die deutschen Islamisten aber dennoch. Denn längst haben die dschihadistischen Gruppen ihre Arbeit professionalisiert, setzen ihre Mitglieder nach deren spezifischen Fähigkeiten ein. So gebe es etwa Personen, die sich um die Finanzen der Organisation kümmern oder die Medienarbeit übernehmen - indem sie etwa über das Internet weitere Mitglieder rekrutieren. Die seien durchaus nötig, so Hamann, denn Kämpfe, wie der in Syrien, forderten auch viele ungeschulte Helfer. "Da kommt es auch nicht darauf an, ob jeder einzelne am Ende des Tages wieder zurückkehrt oder auf dem Gefechtsfeld bleibt."

Doch oft beherrschten deutsche Dschihadisten das Arabische nicht. Darum könnten sie mit Gesinnungsgenossen aus anderen Ländern nicht kommunizieren - und seien oft dementsprechend einsam. Zudem sähen sie sich zahlreichen Entbehrungen ausgesetzt - wie etwa schlechter Unterbringung und mangelnder Ernährung. Auch Krankheiten machten ihnen zu schaffen, ebenso auch Angst um ihr Leben. Denn gerade Ausbildungslager der Islamisten würden oft gezielt angegriffen.

Ohne Pass und ohne Geld

Wie sich solche ernüchternden Erfahrungen auf die Rückkehrer auswirken, ist derzeit noch schwer einzuschätzen. Ebenso auch die Frage, welche Gefahr von ihnen ausgeht. Noch sei nämlich nicht erwiesen, was sie in Syrien überhaupt gelernt hätten, sagt Alexander Hamann. "Welche Fähigkeiten sie in Syrien erwerben, lässt sich derzeit ebenso wenig einschätzen wie die Frage, ob sie überhaupt entsprechend motiviert sind."

Die in Syrien und anderen Ländern engagierten Dschihadisten kehren darum nicht unumgänglich als ausgebildete und zu allem entschlossene Terroristen nach Deutschland zurück. Viele, so das Bundesamt für Verfassungsschutz in seiner kürzlich erschienenen Studie "Islamismus: Entstehung und Erscheinungsformen", machten in ausländischen Kriegsgebieten desillusionierende und demoralisierende Erfahrungen. Darum wollten sie rasch wieder in ihre Heimat. Das aber sei nicht einfach, denn oft hätten sie für die Länder, in denen sie kämpfen, keine gültige Aufenthaltserlaubnis, keinen Pass und kaum Geld. Als letzter Ausweg zurück bleibt oft nur, die eigene Botschaft aufzusuchen.

Eingang des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Köln (Foto: dpa)
Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln: "Demoralisierende Erfahrungen"Bild: picture-alliance/dpa