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Mit Sonne betankt

Elisa Miebach
14. August 2019

Studenten wollen mit ihrem Solarauto bei der World Solar Challenge durch Australien rasen. Zwei Jahre haben sie an ihrem Wagen getüftelt. Jetzt geht es los, bestückt mit Weltraum-Solarzellen.

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Solarauto Teststrecke Aldenhoven bei Aachen
Das Solarauto rollt auf die Teststrecke, es kann über 100 Kilometer pro Stunde fahrenBild: DW/Elisa Miebach

Jennifer Machura beschleunigt ihr Auto auf über 100 Kilometer pro Stunde. Die Sonne strahlt auf die Teststrecke in Aldenhoven bei Aachen. Und diese Kraft der Sonne treibt das Solarauto des Aachener StudententeamsSonnenwagen e.V. vorwärts.

Es soll damit 3022 Kilometer bewältigen – einmal von Norden nach Süden durch Australien. Das ist ungefähr die gleiche Strecke, wie von Amsterdam nach Ankara in der Türkei.

In Australien stellen sich rund 100 Teams aus der ganzen Welt dem Rennen von Darwin nach Adelaide. Am Sonntag, 13. Oktober, um 8:30 Uhr Ortszeit geht es los. Am darauffolgenden Samstag sollen alle Teams angekommen sein. Die Aachener wollen es schon bis Donnerstag schaffen.

Mehr zu Solartechnik: Solare Wende: Was sind die Trends?

Es kann ganz schön unbequem werden

Vier Fahrer aus dem Team teilen sich die Strecke. Sie wechseln nach circa sechs Stunden an einem Kontrollpunkt, an dem jedes Team eine halbe Stunde Pause machen muss. Das heißt für Fahrerin Jenni und ihre Kollegen rund sechs Stunden auf dem Boden des Fahrzeugs in der engen Fahrerkabine ausharren.

Wenn die Sonne durch die Scheibe aus sogenanntem Makrolon auf die schwarze Carbonstruktur des Autos scheint, kann es innen ganz schön heiß werden. Klimaanlage und ein Sitz wären zu viel Gewicht gewesen. Wenigstens eine Rückenlehne gibt es. "Es ist ja auch ein Rennauto und nicht dafür da bequem zu sein", sagt Jenni.

Solarauto auf der Teststrecke Aldenhoven bei Aachen
Fahrerin Jennifer Machura hat das Solarauto fest im GriffBild: DW/Elisa Miebach

Sie habe schon Respekt vor dem Rennen, vor allem, wenn die großen australischen Roadtrains, LKW zwischen 36 und 53 Metern Länge, an ihr vorbeiziehen. Doch sie ist sich sicher, dass sie und ihr Team das Auto stabil gebaut haben. Auch die Luftwirbel, die ein vorbeiziehender Roadtrain erzeugt, habe bestimmt mal jemand aus dem 46-köpfigen Team ausgerechnet, sagt sie.

Vor und nach dem Solarwagen fahren Begleitfahrzeuge, die mit Schildern auf das kleine Gefährt aufmerksam machen. In einem Begleitauto sitzt dann auch das Fahrstrategie-Team der Aachener. Sie haben ein Modell erstellt, das genau ausrechnet, bei welchem Wetterstand das Auto wie schnell fahren kann. So können sie die Energie möglichst effizient auszunutzen und müssen nicht fürchten, irgendwann stehen bleiben zu müssen. Per Funk sind sie mit dem Cockpit des Solarwagens verbunden. 

Harte Konkurrenz und Keks-Tauschgeschäfte

Das Team aus Aachen tritt in der Challenger Kategorie an. Sie müssen sich gegen starke Renn-Konkurrenz etwa aus Cambridge und vom Massachusetts Institute of Technology in Boston durchsetzen. Seit 30 Jahren gibt es das Solar-Rennen in Australien schon.

Aus Deutschland kommt noch ein weiteres Team. Die Bochumer Tüftler haben aber ein Auto für die Kategorie Cruiser gebaut. Hier geht es mehr darum, praktische Autos zu bauen. Der Fahrer ist hier nicht alleine, wie im Aachener Auto, sondern es gibt noch zwei Passagiere. Die Fahrzeuge in dieser Klasse dürfen auch alle 1200 Kilometer mal an die Steckdose im Gegensatz zu den Challenger-Anwärtern, die nur Sonnenstrahlen tanken dürfen. 

Markus Eckstein aus Aachen war schon beim vergangenen Rennen 2017 dabei. "Man hilft sich auch mal unter den Teams aus", sagt er: "Da gibt es dann mal ein Werkzeug oder Ersatzteil für eine Packung Kekse." Der 26-jährige Masterstudent in Automatisierungstechnik erzählt auch von den gemeinsamen Zeltlagern jedes Teams in der australischen Wildnis. Zum Rennen im Oktober haben alle 46 Teammitglieder schon ihre Flüge und Mietautos gebucht. 

Solarauto Teststrecke Aldenhoven bei Aachen
170 Kilogramm wiegt das Solarauto - zwei Jahre hat das Team getüfteltBild: DW/Elisa Miebach

Alle wollten sie dabei sein. Zwei Jahre haben sie zusammen an ihrem neuen Auto getüftelt. Es gingen schon mal 50 bis 70 Stunden pro Woche in das Projekt, sagt Jenni. Sie muss noch zwei Klausuren schreiben, bevor es zum Rennen geht. Auch jetzt in der Halle neben der Teststrecke haben manche ihre Lernsachen mitgebracht. Viel Zeit zum Reinschauen bleibt nicht.

Es wird geschraubt und aufgeschrieben und nochmal nachgeschaut. Bei der ersten Testfahrt dann gleich ein Gewitter. Die Batterie hält für ein paar Runden, aber die Studenten holen ihren Wagen lieber schnell wieder in die trockene Halle. Jetzt ist zum Glück nur der Deckel mit den Testsolarzellen drauf. Der richtige Deckel wartet noch auf seinen Einsatz. 

Mit Sonne und Wind

890 Solarzellen haben die Studenten verbaut. Das Team hat lange an der Verschaltung gearbeitet. Sie rechneten genau aus, wo der Schatten des Cockpits auf der Fahrt durch Australien hinfällt. "Schaltet man die Zellen zusammen, ist der Verbund nur so stark wie die schwächste Zelle", erklärt Iskender Demir, der im Master Elektrotechnik studiert: "Deshalb schalteten wir die schwächsten Zellen, die viel Schatten abbekommen, zusammen und trennen sie von den stärkeren." 

Um 12 Uhr mittags liefern die Solarzellen dem Auto ein Kilowatt Strom. Das entspricht der Leistung, die ein effizienter Staubsauger oder ein kleiner Fön braucht. Trotzdem können sie mit durchschnittlich 100 Stundenkilometern unterwegs sein, hoffen sie, um mit den Top Teams mithalten zu können.

Im vergangenen Rennen waren sie schon der beste Newcomer-Wagen, also die beste Gruppe, die zum ersten Mal dabei war. 600 Kilometer wollen sie an einem Tag schaffen, durch ihre Batterie mit einer Kapazität von fünf kWh und das zusätzliche Aufladen durch die Solarzellen.

Die ganz dünnen kleinen Solar-Plättchen auf dem Auto werden sonst auf Satelliten im Weltraum verbaut. Sie sind fast doppelt so effizient wie die Zellen, die auf den Dächern von Häusern liegen. Dafür sind sie auch ganz schön teuer.

Über den genauen Preis für das Auto will keiner sprechen. Er liege ungefähr im Bereich eines Luxus-Sportwagens, sagt Severin Kobus, der Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Die Wagen der Topteams seien teilweise aber mehr als doppelt so teuer gewesen. 

Einen kleinen Trick haben die Aachener noch zusätzlich zu den Solarzellen eingebaut. Bei genügend Wind, kann sich das Auto um drei bis fünf Grad querstellen und sozusagen segeln, der Wind treibt dann also auch noch ein bisschen mit an.

Solarauto Teststrecke Aldenhoven bei Aachen
Solarexperte Iskender Demir kniet neben dem Solarauto mit Fahrerin Jennifer Machura. Das Team hält die Radkappe.Bild: DW/Elisa Miebach

Der Countdown läuft

Neben der RWTH und der FH Aachen, wo die Studenten eingeschrieben sind, finanzieren 77 Firmen das Projekt. Covestro testet an dem Fahrzeug etwa einen neuen Lack, der noch keinen Namen hat, und der aus 70 Prozent biologischen Rohstoffen bestehen soll.

In dieser Woche wird das Auto verladen, um rechtzeitig mit dem Schiff in Australien zu sein. 170 Kilogramm wiegt das schmale Gefährt. Wenn es auf der Teststrecke in Aldenhoven durch die Steilkurven rast, schlägt der Puls bei vielen im Team höher. Iskender Demir kann es gar nicht gut mit angucken, wenn das Auto durch die Steilkurve rauscht, Fahrerin Jenni ist seine Freundin.

Als in der Kurve eine Radklappe abfliegt, sind alle sofort zur Stelle. Für die Testfahrt war diese nur angeklebt, in Australien wird aber alles angeschraubt sein. Und damit geht es dann 3000 Kilometer durch die Wüste.