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Eiserne Lady hinter Juschtschenko

Christiane Hoffmann 5. Februar 2005

Julia Timoschenko zählt zu den engsten Vertrauten des neuen ukrainischen Präsidenten Juschtschenko und war treibende Kraft des "orangenen" Protests. Am Freitag (4.2.2005) wurde sie zur Premierministerin gewählt.

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Frau mit FormatBild: AP

"Julia, Julia!", riefen die Demonstranten immer wieder auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz, wenn die zierliche, blonde Frau mit dem eisernen Willen auftrat. Sie trieb die "orangene Revolution" in der Ukraine immer weiter und die Massen folgten ihr. "Wenn Julia ruft, dann kommen wir!", hörte man immer wieder in den Straßen während der Wochen des Protests gegen die Wahlergebnisse Ende 2004.

Den Premier-Posten traute ihr kaum einer zu

Timoschenko stellte sich auch an die Spitze des Demonstrationszuges und steckte den vermummten und bewaffneten Militärs die ersten Nelken auf die Schilder, entspannte damit die Situation zu Beginn des Protests.

Julia Timoschenko und Viktor Juschtschenko
Ein gutes Doppel: Julia Timoschenko und Viktor JuschtschenkoBild: AP

So scheint es logisch, dass Julia Timoschenko, die charismatischste Figur und einzige Frau im Kreis um Viktor Juschtschenko auch einen wichtigen Posten in der neuen Regierung bekommt. Doch den des Premierministers traute ihr bisher kaum einer zu. Dennoch wurde sie am Freitag (4.2.) mit überwältigender Mehrheit gewählt.

Unumstritten ist die 44-Jährige nicht, weil sie polarisiert. Ihre Gegner bezeichnen sie als nationalistisch und radikal, und in Russland wird sie mit Haftbefehl gesucht - Bestechungsvorwürfe aus den 1990er Jahren.

Erst Geld verdient, dann in die Politik gewechselt

Sicher ist: Julia Timoschenko hat in den wilden Jahren der ukrainischen Transformation gut verdient. Sie gilt als reichste Frau des Landes. Die studierte Ökonomin leitete mit ihrem Mann einen Energiekonzern. Sie kauften vor allem russisches Erdgas ein, um es nach Westeuropa zu exportieren.

Mitte der 1990er Jahre entschied sie sich dann für die Politik, wurde Abgeordnete, stieg schnell in wichtige Ämter auf. In der Regierung von Juschtschenko, der von 1999 bis 2001 schon mal Premierminister war, wurde sie Energieministerin. Sie begann aufzuräumen und die Geldströme der Schattenwirtschaft lahmzulegen.

Ohne Urteil in Untersuchungshaft

Das gefiel den Wirtschaftsbossen um Präsident Leonid Kutschma offenbar gar nicht. Nach nur einem Jahr entließ der Präsident sie aus dem Amt. Und - wegen ihrer Geschäfte im Energiesektor ließ Kutschma sie strafrechtlich verfolgen. Für 43 Tage saß sie in Untersuchungshaft, aber ohne Urteil, wie Timoschenko betont: "Leonid Kutschma hat mich dafür ins Gefängnis gesteckt, dass ich in meiner Position den Gewinn für die Leute in seiner Umgebung um drei bis vier Milliarden verringerte. Ich würde es so sagen: Es ist für mich eine große Ehre, dass Kutschma mir so große Aufmerksamkeit widmete und meine Arbeit so hoch einschätzte, denn mein Einsitzen im Gefängnis war politisch motiviert."

Julia Timoschenko vor Fernsehauftritt
Timoschenko vor einem TV-Auftritt Ende 2004Bild: dpa

Seitdem kämpfte sie erbittert gegen Kutschma. Kritische Beobachter sehen auch darin die Motivation für ihr Engagement. Doch sie stand immer hinter Viktor Juschtschenko, trieb ihn vorwärts. Denn im Gegensatz zu Timoschenko gilt er als zögerlich.

"Mehr Möglichkeiten für die Arbeit"

Mit der neuen Regierung will sie das Land verändern und Ordnung schaffen. Ihren Anspruch dabei hatte sie schon Anfang Dezember klargestellt: "Der Posten des Premierministers ist eine wunderbare Position, um die Pläne zu realisieren, die wir schon unter der Regierung Juschtschenko hatten, die Bedingungen im Land zu verändern. Doch ich möchte sagen, es ist nicht entscheidend, was für einen Posten ich habe, auch wenn der Posten des Premier mehr Möglichkeiten eröffnet für die Arbeit." Die Frage ist nun, ob nach dem Parlament auch die Oligarchen des industrialisierten Osten sie akzeptieren werden.