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Eklat bei Pressekonferenz mit al-Sisi

3. Juni 2015

Bundeskanzlerin Merkel hat die große Bedeutung Ägyptens für den Frieden im Nahen Osten und den Kampf gegen den islamistischen Terrorismus hervorgehoben. Bei ihrer Pressekonferenz mit Präsident al-Sisi gab es Tumult.

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Eklat bei der Pressekonferenz von Bundeskanzelrin Merkel und Ägyptens Präsident al-Sisi (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/von Jutrczenka

Nach einem Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi sagte Merkel vor Journalisten in Berlin, Deutschland werde alles tun, damit Ägypten seine Stabilität sichern und die Wirtschaft florieren könne.

Die Kanzlerin kritisierte aber auch die hohe Zahl von Todesurteilen in Ägypten. "Deutschland lehnt die Todesstrafe ab", betonte Merkel. "Unter keinen Umständen", auch nicht aus Gründen terroristischer Vergehen, dürften Menschen zum Tode verurteilt werden, sagte sie. Auch die Beschränkungen der Arbeit der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo hob die Kanzlerin kritisch hervor.

Journalistin beschimpft al-Sisi

Gegen Ende der Pressekonferenz im Kanzleramt kam es zu Tumulten (Artikelbild). Eine Gegnerin des ägyptischen Regimes - eine Frau mit Kopftuch und in Deutschland arbeitende Journalistin - bat lautstark um die Möglichkeit, eine Frage stellen zu können. Als diese nicht mehr zugelassen wurde, rief sie, al-Sisi sei ein Mörder.

Die ägyptische Presse-Delegation sprang daraufhin nahezu geschlossen auf und schrie im Chor zurück: "Es lebe Ägypten, es lebe Ägypten." Dabei deuteten die ägyptischen Medienvertreter wütend auf die Frau, die abgeführt wurde. Al-Sisi und Merkel verließen schnell den Saal.

Zuvor hatten die meisten ägyptischen Journalisten gegen die Gepflogenheiten einer Pressekonferenz verstoßen, indem sie al-Sisi während seines Statements laut applaudierten. Die Medienbetreuer des Kanzleramts hatten Mühe, die Ägypter zu beruhigen.

Präsident verteidigt Justiz

Die ägyptische Führung steht unter anderem wegen ihres harten Vorgehens gegen die islamistische Muslimbrüder in der Kritik, der auch der gestürzte Präsident Mohammed Mursi entstammt. Mursi selbst wurde trotz internationaler Proteste Mitte Mai zum Tode verurteilt. Die endgültige Bestätigung des Urteils steht noch aus. Al-Sisi verteidigte das Vorgehen der Justiz. Er verstehe die Problematik eines Todesurteils "aus deutscher oder europäischer Sicht". Deutschland müsse indes auch Ägyptens Perspektive "respektieren", sagte er auf der Pressekonferenz. "Wir respektieren Justiz und Rechtsprechung."

Al-Sisi war als Armeechef im Juli 2013 an die Macht gekommen. Seit seiner Wahl zum Präsidenten vor einem Jahr regiert der 60-Jährige ohne Parlament. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der ein zunächst geplantes Treffen mit al-Sisi abgesagt hat, äußerte sich enttäuscht über die Entwicklung in Ägypten.

Demonstration von Al-Sisi-Gegnern (Foto: Reuters)
Demonstration von Al-Sisi-GegnernBild: Reuters/F. Bensch

"Ich hätte mir gewünscht, dass eine Zusammenarbeit auch zwischen den Parlamenten beider Länder möglich wäre", sagte Lammert der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Eine solche war mit dem damals gewählten Parlament auch vereinbart", fügte er hinzu. "Inzwischen gibt es in Ägypten aber weder ein Parlament noch eine konkrete Aussicht auf entsprechende Wahlen."

Deutsch-ägyptische Wirtschaftskommission tagt in Berlin

Vor dem Kanzleramt demonstrierten sowohl Anhänger als auch Gegner al-Sisis. Auch das Bundeswirtschaftsministerium, in dem die deutsch-ägyptische Gemischte Wirtschaftskommission tagte, war weiträumig abgesperrt, um Demonstranten auf Abstand zu halten. Drinnen, in der großen Aula des Ministeriums, gab es keine Proteste, als der ägyptische Präsident und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zu den Teilnehmern des Treffens sprachen. Die ägyptischen Geschäftsleute jubelten al-Sisi zu und schwenkten ägyptische Fähnchen, als er die Vorzüge des Wirtschaftsstandorts Ägypten pries. Sein Land heiße ausländische Investoren willkommen, sagte er. Es biete ihnen Stabilität und Sicherheit und Gesetze, die ihre Investitionen schützten. Sollte es Probleme geben, stehe auch er selbst immer bereit, sie auszuräumen. "Ich werde nicht ruhen, bis die Probleme beseitigt sind." Das ägyptische Volk wünsche sich jedoch nicht nur Wirtschaftsaustausch, sondern auch Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Wenn die deutsche Wirtschaft dafür etwas tun wolle, sei das "ein zusätzlicher Mehrwert für die Ägypter."

Treffen von al-Sisi und Wirtschaftsminister Gabriel bei der deutsch-ägyptischen Gemischten Wirtschaftskommission (Foto: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images)
Al-Sisi und Bundeswirtschaftsminister Sigmar GabrielBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Milliardenaufträge für deutsche Wirtschaft

Gabriel lobte die wirtschaftliche Entwicklung des Landes am Nil. Das Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr um 4,2 Prozent steigen, eine wichtige Voraussetzung für Wohlstand und Stabilität. Deutschland und Ägypten seien seit vielen Jahren eng miteinander verbunden. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern sei im vergangenen Jahr um 20 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro gestiegen.

In Berlin wurde jedoch nicht nur geredet, es wurden auch Verträge unterzeichnet, darunter ein Milliardenauftrag an die Firma Siemens. Sie soll in Ägypten drei Gaskraftwerke und bis zu 12 Windparks im Gesamtwert von acht Milliarden Euro bauen. Dabei sollen vor Ort rund 1000 Arbeitsplätze entstehen. "Mit diesen noch nie dagewesenen Verträgen unterstützen Siemens und seine Partner die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens", sagte Siemenschef Joe Kaeser.

Al-Sisi wird seinen Besuch in Berlin am Donnerstag beenden. Vor seiner Weiterreise nach Ungarn wird er noch mit dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion Volker Kauder zusammentreffen. Ein ursprünglich geplantes Treffen mit dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestages war nicht zustande gekommen.

wl/uh/mx (dpa, afp, rtr)