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Politik

Eko Atlantic City - Megaprojekt auf Abwegen?

3. April 2018

Die künstlich angelegte Halbinsel vor Nigeria soll das "Dubai Afrikas" werden, eine große Entlastung für Lagos und auch die nachhaltigste Stadt des Kontinents. Doch Meeresforscher glauben nicht daran - im Gegenteil.

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Nigeria Eko Atlantic City
Bild: Getty Images/AFP/P. Utomi Ekpei

Mittlerweile zehn Jahre ist es her, dass riesige Baggerschiffe begannen, vor Victoria Island, dem Geschäftsviertel von Lagos, Sand aufzuschütten. Zehn Quadratkilometer Land wurden dem Meer insgesamt abgerungen und rundherum ein Schutzwall errichtet, um Eko Atlantic City vor Flutwellen abzuschirmen - auch wenn es bisher noch gar nicht so viel Schützenswertes gibt. Entgegen erster Pläne, nach denen 2016 das Meiste fertig sein sollte, ragen nur ein paar wenige Hochhäuser in die Luft, der Rest ist sandiges Brachland. 

Was soll Eko Atlantic City?

Auf der Website des Megaprojekts ist die Rede von "einer Lösung für viele Probleme". So soll die neuaufgeschüttete Stadt einerseits das dahinterliegende Victoria Island vor weiteren Erosionen schützen. Denn in den letzten Jahrzehnten haben Lagos und andere Küstenstädte und -regionen Nigerias zunehmend mit höheren Wasserständen und Überflutungen zu kämpfen. Zudem soll Eko Atlantic City den 20-Millionen-Moloch Lagos entlasten, indem es Wohnraum für circa 300.000 Menschen sowohl der Oberschicht als auch der Mittelklasse schafft. Nationale wie internationale Unternehmen sollen angelockt werden, ihren Firmensitz hierhin zu verlegen, so dass Eko Atlantic das neue Finanzzentrum Sub Sahara Afrikas wird. Und zu guter Letzt soll von der Elektrizität bis hin zur Wasserversorgung alles sauber und umweltfreundlich sein.

Neue Probleme, anstatt alte zu lösen

All das hört sich vielversprechend an. So vielversprechend, dass 2013 Bill Clinton zur Eröffnungszeremonie kam und Eko Atlantic City als beispielloses Projekt lobte, das Nigeria als Land des 21. Jahrhunderts zeige. Es demonstriere, wie man im Einklang mit den heutigen natürlichen Gegebenheiten leben könne.

Doch Experten zeichnen ein anderes Bild. So ist sich der nigerianische Meeresbiologe Ako Amadi sicher, dass Eko Atlantic City die Erosionen, vor denen es sich selbst schützen will, für benachbarte Küstenregionen verstärkt: "Durch einen solchen Schutzwall werden die Wellen umgelenkt und treffen andere, nicht geschützte Abschnitte umso heftiger. Die Menschen, die dort leben, verlieren ihren Besitz, manche sogar ihr Leben."

Lagos, Nigeria Alfa Beach
Am Strand von Alfa BeachBild: Michael Stürzenhofecker

Alfa Beach ist eine solche Gemeinde, die östlich von Eko Atlantic City direkt am Wasser liegt. Seit ein paar Jahren gebe es hier immer öfter verheerende Sturmfluten, der Staat helfe nur wenig, erzählt Bürgermeister Yussuf Atewolara Elegushi. Geht man in Alfa Beach direkt an den Strand, so sieht man einige Häuser, die nur noch Ruinen sind, zerstört und unbewohnbar gemacht durch das Meer. Doch wegziehen kommt für die meisten Bewohner nicht infrage: Sie sind zum großen Teil selbstversorgende Fischer oder Farmer, eine Perspektive woanders sehen sie für sich nicht. Und selbst, wenn sie es wollten, wäre es schwierig, denn Wohnraum ist Mangelware in Lagos, zumal für die ärmere Bevölkerung.

Dass Eko Atlantic City genau für dieses Problem der Wohnraumknappheit Abhilfe schaffen soll, erscheint unglaubwürdig, wenn man einen Blick auf Lagos' Bevölkerungsstruktur wirft. Denn etwa 60 Prozent der knapp 20 Millionen Einwohner leben in Elendsvierteln. Im modernen und teuren Eko Atlantic City wird für sie kaum Platz sein.

Unterfinanziert und ungehört: Das Institut für Meeresforschung

Laut Regina Folorunsho, der stellvertretenden Direktorin des staatlichen Instituts für Meeresforschung (Nigerian Institute for Oceanography and Marine Research, NIOMR), wurde Eko Atlantic City von Anfang an falsch geplant. Wie Amadi glaubt auch sie, dass sich die künstliche Halbinsel durch veränderte Meeresströmungen negativ auf andere Küstenabschnitte in der Nähe auswirkt. Genau wisse sie das jedoch nicht, fügt sie hinzu, denn die Regierung habe das NIOMR von Anfang an nicht ausreichend in das Bauvorhaben eingeweiht und lasse das Institut nicht genug Daten erheben. Eine gesetzlich vorgeschriebene Wirkungsstudie habe die Regierung erst vornehmen lassen, als die Bauarbeiten längst begonnen hatten, und das auch nur auf den Druck verschiedener NGOs. 

Folorunsho zufolge sind auch die Bedenken des NIOMR bezüglich der Setzung des Bodens nicht gehört worden: "Wir sind besorgt, dass die künstlichen Sandbänke und auch der Schutzwall einsinken könnten. Doch man ging unseren Hinweisen nicht nach." Die Regierung, so die Expertin, habe nur Ohren für ihre Ratschläge, wenn wirklich etwas passiere und es nur noch um Schadensbegrenzung gehe.

Auch Amadi beklagt die fehlende Weitsicht sowohl der Regierung als auch der Bevölkerung: "Anstatt sich beispielsweise zu fragen, was hinter der Küstenerosion steckt, doktert man nur hier und da an den Folgen herum. Auch dass durch Eko Atlantic City und andere Bauprojekte vielen Tieren der Lebensraum genommen wurde, und es weniger Vögel, Schildkröten oder etwa Fische gibt, interessiert niemanden."

Ako Ahmadi Meeresbiologe Nigeria
Ako AmadiBild: Michael Stürzenhofecker

Private Investoren haben das Ruder in der Hand

Das Argument des Wirtschaftswachstums und die Aussicht auf ein glanzvolles Prestigeprojekt scheint der nigerianischen Regierung wichtiger zu sein als all diese Zweifel - und den privaten Investoren allemal. Monika Umunna von der Heinrich-Böll-Stiftung in Lagos erklärt, Eko Atlantic City sei nach ihrem Wissen mittlerweile ein rein privates Projekt: "Es hat als öffentlich-private Partnerschaft begonnen, doch der Staat hat sich anscheinend zurückgezogen."

Dies könne zum einen zu Problemen führen, einen Verantwortlichen zu finden, wenn irgendetwas schieflaufe, also etwa der Schutzwall einsinke, so Umunna weiter. Zum anderen stelle es auch infrage, inwieweit die künstliche Halbinsel tatsächlich, so wie versprochen, ein Musterbeispiel an grüner Bauweise und Energieeffizienz werde. Es sei schwierig nachzuvollziehen, was private Investoren am Ende auf ihren Parzellen umsetzten oder nicht. 

Letztlich bleiben beim Megaprojekt Eko Atlantic City viele Fragen unbeantwortet. Doch es scheint unwahrscheinlich, dass die Realität den Hochglanzbildern und Nachhaltigkeitsversprechen der Webseite entsprechen wird. Die Regierung hat eine riskante Wette auf die Zukunft abgeschlossen, indem sie auf das Beste hofft, anstatt Risiken professionell zu untersuchen und zu berücksichtigen.

DW Fact Checking-Team | Ines Eisele
Ines Eisele Faktencheckerin, Redakteurin und AutorinInesEis