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El-Menouar: "Ängste sind nicht real"

Stefan Dege8. Januar 2015

Die Bertelsmann Stiftung ergänzt ihre Studie zur Islamfeindlichkeit der Deutschen. Die Leiterin der Studie, Yasemin El-Menouar, spricht im DW-Interview über die Ergebnisse.

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Symbolbild - Islamfeindlichkeit
Bild: picture-alliance/Ralph Goldmann

DW: Frau El-Menouar, wächst die Muslimfeindlichkeit der Deutschen?

Yasemin El-Menouar: Nach unseren Erkenntnissen: ja. Wir sehen einen großen Anstieg der Islamfeindlichkeit seit 2012 - und das in einem relativ kurzen Zeitabschnitt. Wir hatten schon 2012/2013 ein relativ negatives Islambild in der Bevölkerung festgestellt - bei über der Hälfte der Bevölkerung, die den Islam als Bedrohung wahrgenommen oder gesagt haben, der Islam passe nicht in die westliche Welt. Diese Zahlen haben sich jetzt noch einmal gesteigert: Jetzt sind wir bei Werten um 60 Prozent.

Wovor haben die Menschen Angst?

Das ist keine Angst, sondern eine deutliche Ablehnung. Zum einen sind die Ängste nicht real und ist die Ablehnung dort am größten, wo kaum Muslime leben, also etwa in Ostdeutschland. Und dann sind die Aussagen: "Der Islam passt nicht in die westliche Welt" beziehungsweise "Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland verboten werden" sehr starke Forderungen. Darin zeigt sich nicht nur Angst, sondern eine deutliche Ablehnung.

Interessant ist die sehr schnelle Zunahme der Muslimfeindlichkeit. Beeinflusst der IS-Terror in Syrien und im Irak, also die Machenschaften einer kleinen islamistischen Minderheit in dieser Welt, das Islambild der Deutschen?

Mit Sicherheit. Wir glauben, dass hier die Ursache liegt. Leider werden in vielen Diskussionen Themen, die sich um die Integration von Muslimen hier in Deutschland drehen, mit Phänomenen wie IS oder Al-Qaida vermischt. Das ist schon eine bedenkliche Entwicklung, wenn so eine kleine Minderheit von Extremisten das Bild einer ganzen Glaubensgemeinschaft prägt.

Yasemin El-Menouar
Yasemin El-MenouarBild: Bertelsmann-Stiftung

Ausschlaggebend für die Haltung gegenüber Muslimen sind vor allem Alter und persönliche Kontakte der Befragten. Wo macht sich das fest?

Nichtmuslime, die viele Freizeitkontakte zu Muslimen haben, haben auch ein viel positiveres Islambild. Dafür reicht es nicht, dass Muslime in der Nachbarschaft wohnen. Es müssen schon regelmäßige persönliche Begegnungen sein, zum Beispiel im Sportverein. Dann dient diese persönliche Erfahrung als Korrektiv für das Bild vom Islam, das wir sonst aus den Medien kennen.

Hat denn die Ablehnung von Muslimen tatsächlich was mit dem Islam zu tun? Oder eher mit einer Angst der Nichtmuslime vor Status-Verlust?

Ja, das sehen wir aktuell in der Pegida-Bewegung. Die eigentlichen Ängste, die dahinter stecken, sind das zunehmende Auseinanderdriften von Arm und Reich, die zunehmende Unsicherheit vor der Zukunft. Solche Ängste und Unsicherheiten, die schwer greifbar sind, werden auf den Islam und auf die Muslime projiziert.

Leben Muslime anders, als die Deutschen glauben?

Unsere Ergebnisse zeigen die große Diskrepanz zwischen dem Islambild in der Bevölkerung und dem, wie Muslime hier tatsächlich leben. Die meisten Muslime sind stark mit Deutschland verbunden. Sie orientieren sich an Grundwerten, haben intensive Kontakte zu Nichtmuslimen. Das heißt, das Vorurteil von Parallelgesellschaften ist faktisch nicht haltbar. Die Lebenswelt der Muslime ist also eine ganz andere als in der Vorstellung der Mehrheit der Bevölkerung. Die Vorwürfe der Pegida lassen sich schnell entkräften. Die Islamisierung des Abendlandes verhindern, wo kaum Muslime leben? Das sind keine rational nachvollziehbaren Argumente. Die menschenfeindlichen Ressentiments der Pegida sind inakzeptabel. Man sollte sich genauer anschauen, was eigentlich hinter dem Unmut dieser Leute steckt. Was führt dazu, dass sie sich der Pegida anschließen?

Yasemin El-Menouar ist Projektmanagerin der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh.

Das Interview führte Stefan Dege.