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EM-Schwarzmarkt blüht wie eh und je

Pascal Jochem (Paris)29. Juni 2016

Mit personalisierten Eintrittskarten wollte die UEFA den Schwarzmarkt rund um die Spiele der EURO 2016 in Frankreich eindämmen. Ein Besuch vor Ort zeigt allerdings, dass in Stadionnähe weiter wild gehandelt wird.

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Zwei Eintrittskarten zum EM-Spiel Wales gegen die Slowakei werden in die Kamera gehalten (Foto: picture-alliance/Offside/S. Stacpoole)
Bild: picture-alliance/Offside/S. Stacpoole

Ein Zebrastreifen ist ihr Marktplatz. Vor dem Restaurant "Les Princes", drei Minuten Fußweg vom Prinzenparkstadion entfernt, werden die Eintrittskarten feilgeboten. Es sind immer dieselben Gesichter. Schon vor zwei Wochen beim ersten EM-Spiel im Prinzenpark, Türkei gegen Kroatien, waren sie hier. Und jetzt machen sie wieder Geschäfte: Achtelfinale, Wales gegen Nordirland.

Die Polizei hat alles weiträumig abgesperrt, der Verkehr ist lahm gelegt, Fanmassen schieben sich in Richtung Stadion. Die Dealer schlendern durch die Reihen und scannen potenzielle Kunden. Durchdringender Blick, eine Hand an der Gürteltasche. "Tickets, Tickets", nuscheln sie, sobald man ihnen näher kommt.

Für zwei Karten wollen die meisten Händler 200 Euro haben. "It's a big game", sagt einer von ihnen. Großes Spiel, hoher Gewinn. Ganz klein mittig auf dem Ticket gedruckt steht der Original-Preis: 25 Euro. Wer sich nicht darauf einlässt oder dankend ablehnt, wird mit einem abfälligen Lächeln verabschiedet. Wenn aber die Nachfrage das Angebot übersteigt, wird schnell ein befreundeter Händler herbeigerufen, der mit Tickets aushelfen kann. Es ist wie in einem Bienenschwarm, der süße Nektar sind die Geldscheine der Fans.

Wilder An- und Verkauf

Ein Fußball-Fan hält ein Blat Papier hoch, auf dem er Tickets für das EM-Spiel Portugal gegen Österreich sucht (Foto: picture-alliance/empics/M. Egerton)
Hoffen auf Eintrittskarten jenseits des SchwarzmarktesBild: picture-alliance/empics/M. Egerton

Rund zwanzig Personen feilschen vor dem Prinzenpark. Manch einer verbündet sich mit anderen Rivalen. Es ist ein wilder An- und Verkauf. Zwei Fans in England-Trikots hatten wohl darauf gesetzt, dass England als Gruppenerster ins Achtelfinale einzieht, doch stattdessen spielt Wales im Prinzenpark. Sie wollen ihre Tickets loswerden. Ein leichter Fang für einen der Händler, der die Situation schnell erkennt. Für 10 Euro Aufschlag erwirbt er neue Karten, die er teuer weiterverkaufen kann. Das Geschäft geht blitzschnell über die Bühne. Die Engländer bleiben noch einen Moment verdutzt stehen und zählen ihre Scheine, der Händler schwirrt davon.

So geht es mehrere Stunden lang, selbst nach dem Anpfiff wird weiter gefeilscht. "Erst dann fallen die Preise", berichtet ein französischer Fan. Er kommt aus Paris und kennt sich offenbar aus. Das Spiel hat längst begonnen, er verfolgt es in aller Ruhe im Livestream auf seinem iPad und fragt gelegentlich nach den neuen Preisen. "Ich komme immer hierher zu den Spielen, wenn ich nichts vorhabe. Wenn der Preis stimmt, gucke ich eben die zweite Halbzeit."

Fünfzehn Minuten nach Anpfiff vertreiben französische Polizisten die letzten verzweifelten Fans und Händler. Davor haben sie das Treiben ignoriert, genau wie die UEFA-Volunteers, die den Fans aus dem Ausland den Weg zum Stadion weisen sollen. Sie haben den gleichen Arbeitsplatz wie die Händler, gleich neben dem Zebrastreifen.

Theorie von Praxis weit entfernt

Ein Schwarzhändler hält Tickets in der Hand und feilscht um den Presi (Foto: DW/P. Jochem)
Die Ticket-Schwarzhändler vor den EM-Stadien in Paris zeigen sich bei den Preis-Verhandlungen meist wenig zimperlichBild: DW/P. Jochem

Dabei ist der Verkauf von Tickets bei Welt- und Europameisterschaften seit Jahren streng reglementiert. Im Vorfeld der EM war es im Internetportal der UEFA möglich, für jedes Spiel vier Karten pro Person zu bestellen. Die Karten sind zudem personalisiert, auf allen steht der Name des Käufers. So wollte die UEFA den Schwarzmarkt eindämmen und bekannten gewaltbereiten Fans den Eintritt verwehren.

Ein Verkauf personalisierter Tickets ist streng untersagt. Nur auf der Tickettauschbörse der UEFA war es möglich, Tickets umschreiben zu lassen und zu verkaufen. Doch die offizielle Tauschbörse war nur für einige Wochen vor dem Turnierstart geöffnet. Schaut man sich in Paris die Tickets der Händler an, entdeckt man darauf wundervoll klingende französische Namen, von Charles bis Joël. Doch an den Einlasskontrollen zählen nur die Informationen zum Spiel, Gate und Block - Namen interessieren hier niemanden. Auf einer der angebotenen Karten steht überhaupt kein Name, dafür "UEFA, 0 Euro". Ein hoher Anteil von Tickets geht immer an Sponsoren, Veranstalter und die nationalen Verbände. Viele davon landen auf dem Schwarzmarkt. Und viele Tickets sind sogar gefälscht, so die Warnung der Verbraucherschützer.

Andere Händler, andere Tricks

Ein Fußball-Fan hält einen Zettel hoch und sucht Tickets für das Spiel Deutschland gegen Polen (Foto: picture-alliance/Citypress24/Hay)
Wer nicht viel Geld bezahlen möchte, braucht GeduldBild: picture-alliance/Citypress24/Hay

Vor dem Stade de France im Norden von Paris ist der Handel weniger auffällig, etwas abseits in der Nähe einer Autobahn-Brücke. Achtelfinale, Spanien gegen Italien. Statt Gürteltasche tragen hier einige Händler Hemden und schicke Gürtel. "Wir arbeiten mit Agenturen zusammen", sagt einer, der zwei Tickets loswerden will und aus Deutschland kommt. Er redet schnell und verstrickt sich in Widersprüche. Um Vertrauen zu gewinnen, zeigt er seinen Personalausweis. Er bietet sogar seine Telefonnummer an. Man solle ihm nachher im Stadion eine SMS schreiben, falls etwas schief geht.

Einer seiner Kunden, ein älterer Herr, verabschiedet sich gerade an einer der Sicherheitsschleusen am Stade de France. Er wird abgetastet, dann wird der Barcode auf seiner Karte gescannt. Das Licht leuchtet grün und er kann das Drehkreuz passieren. Er trägt klobige Männerstiefel, auf seinem Ticket steht der Name "Silvenia". Wie viel er bezahlt hat, lässt sich kaum herausfinden. Aber eines ist sicher: Bei den kommenden Partien in der K.O.-Runde dürften die Preise weiter steigen.