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EM-Vergabe 2024: Vorteil Deutschland

24. September 2018

An diesem Donnerstag entscheidet die UEFA-Exekutive darüber, wer die Fußball-Europameisterschaft 2024 ausrichtet. Deutschland oder die Türkei? Wir haben wichtige Bereiche abgeklopft. Ergebnis: 4:1 für Deutschland.

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Türkische und Deutsche Flagge
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Organisation von Fußball-Großereignissen

In Sachen Erfahrung liegt Deutschland ganz klar vorn. Egal ob bei den WM-Endrunden 1974 und 2006, der EM 1988 oder der Frauenfußball-WM 2011, über organisatorische Mängel wurde eigentlich nie geklagt. Viele bezeichnen Deutschland deshalb auch als "Organisationsweltmeister". Die Türkei  hat deutlich weniger Erfahrung als Gastgeber von Fußball-Großereignissen. Bisher steht lediglich die Weltmeisterschaft der U20-Junioren im Stammbuch. Als Vorzeige-Veranstaltung taugte sie nicht, die Zuschauerzahlen waren enttäuschend.

Vorteil Deutschland: 1:0.

Die Stadien

Der DFB hat zehn Stadien als mögliche Spielorte benannt: Berlin, Leipzig, Hamburg, Dortmund, Gelsenkirchen, Köln, Stuttgart, Frankfurt, München und Düsseldorf. Die UEFA-Prüfer attestierten allen zehn Arenen ein "gutes Niveau". Alle seien voll funktionsfähig und würden bereits regelmäßig für Fußballspiele genutzt.

Auch die Türkei schickt zehn Stadien ins Rennen: zwei in Istanbul, je eine Arena in Ankara, Antalya, Bursa, Eskisehir, Gaziantep, Izmit, Konya und Trabzon. Nur sieben dieser Spielstätten bescheinigt die UEFA, sie seien schon jetzt voll einsatzfähig. Vor allem das Atatürk-Olympiastadion in Istanbul, das für die EM in ein reines Fußballstadion umgebaut werden soll, bereitet der UEFA Sorgen. Der Umfang der nötigen Arbeiten berge angesichts des Zeitrahmens "ein Risiko", so die Prüfer des europäischen Verbands, nicht nur für die EURO 2024, sondern auch für das Finale der Champions League 2020, das dort ausgetragen werden soll. Als weiterer Nachteil  für die Türkei gilt, dass die deutschen Stadien größere Kapazitäten und damit das höhere Einnahmen-Potenzial haben. Gleich sieben Arenen in der Türkei fassen weniger Zuschauer als das kleinste Stadion, mit dem sich der DFB bewirbt - Düsseldorf mit 46.264 Besuchern.

Vorteil Deutschland: 2:0.

Stimmung

In beiden Länden ist Fußball der Volkssport Nummer eins. Die Türkei ist für ihre heißblütigen Fans berühmt, auch die UEFA beschreibt das Land als "leidenschaftliche Fußball-Nation", in der auch der Staatspräsident voll hinter der Bewerbung um die EURO 2024 stehe.

Türkei Fans von Besiktas Istanbul
Unter türkischen Fußballfans schlagen die Emotionen häufig hochBild: Getty Images/AFP/Y. Akgul

Doch auch in Deutschland könnte eine EM - wie bei der WM 2006, dem "Sommermärchen" - eine wahre Fußball-Euphorie auslösen. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts FORSA, die der DFB veröffentlichte, befürworten 74 Prozent der Deutschen über 16 Jahre eine EM in Deutschland, unter den Fußballinteressierten sind es sogar 89 Prozent.

Unentschieden: Es bleibt beim 2:0 für Deutschland.

Infrastruktur

Auch hier punktet die deutsche Kandidatur ganz eindeutig. Die Lage im Herzen Europas ist für Fans, die aus dem europäischen Ausland anreisen, günstiger als jene der Türkei im Südosten des Kontinents. Auch die Wege zwischen den Spielorten in Deutschland sind verglichen mit jenen in der Türkei deutlich kürzer, die Stadien können gut per Auto oder Bahn erreicht werden. Der geplante türkische Spielort Trabzon, weit im Nordosten des Landes am Schwarzen Meer gelegen, ist noch gar nicht ans türkische Bahnnetz angeschlossen, ebenso wenig Antalya. In der türkischen Bewerbung heißt es, bis 2024 sollten 17 Milliarden Euro in den Ausbau des Straßen- und Bahnnetzes investiert werden. Die UEFA ist angesichts der aktuellen Währungskrise der türkischen Lira skeptisch: "Die neuesten wirtschaftlichen Entwicklungen im Land können die öffentlichen Investitionen unter Druck setzen."

Vorteil Deutschland: 3:0.

Finanzen

Ohne Zweifel geht es der UEFA auch darum, mit der Europameisterschaft so viel Kasse wie möglich zu machen. Da ist es dem Verband schon ein Dorn im Auge, dass "die deutschen Behörden die Steuerbefreiung gestrichen" haben und somit "etwaige Gewinne" zu versteuern wären. Im Gegensatz zur türkischen Bewerbung müsste die UEFA zudem Miete für die Stadien zahlen. So ganz scheint die UEFA den finanziellen Zusagen der Türkei allerdings nicht zu vertrauen. Die von der Regierung um Staatschef Recep Tayyip Erdogan versprochenen Steuergarantien seien "nicht vollständig" konform mit "den aktuell geltenden Gesetzen und Verpflichtungen nach geltendem internationalem Recht", heißt es im Prüfungsbericht. Dennoch ...

Vorteil Türkei: nur noch 3:1 für Deutschland.

Menschenrechte

Erdogan mit Özil
Ein Foto, das Wellen schlug: Özil (l.) mit ErdoganBild: picture-alliance/dpa/Presidential Press Service

Trotz der Diskussion in Deutschland um die Rassismusvorwürfe des zurückgetretenen Nationalspielers Mesut Özil - die Vorwürfe gegen die Türkei wiegen ungleich schwerer. Die Lage der Menschenrechte ist unter Präsident Recep Tayyip Erdogan, gelinde gesagt, problematisch: Die Presse- und Meinungsfreiheit ist eingeschränkt, Tausende von Oppositionellen sitzen ohne Prozess hinter Gittern. Selbst die UEFA, sonst eher zurückhaltend bei politischen Statements wird in ihrem Prüfungsbericht deutlich: "Das Fehlen eines Aktionsplans im Bereich der Menschenrechte ist ein Grund zur Sorge." Dem DFB wird dagegen bescheinigt, alles zu tun, um mögliche Menschenrechtsverletzungen während des Turniers zu verhindern.

Vorteil Deutschland: Endergebnis 4:1.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter