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Embryonale Forschung weltweit

31. Oktober 2003

Bundesjustizministerin Zypries hat mit ihrem Vorschlag, den Embryonenschutz zu lockern, die Debatte um die Stammzellenforschung neu entfacht. Wie ist sie in anderen Ländern geregelt?

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Brigitte Zypries: Ein Embryo ist nur potenziell ein MenschBild: AP

Ab wann ist ein Mensch ein Mensch? – Diese Frage stellt sich nach der Rede von Brigitte Zypries an der Berliner Humboldt-Universität am Mittwoch (29.10.03). Laut dem Embryonenschutzgesetz von 1991 kann von einem Menschen gesprochen werden, sobald die Eizelle befruchtet ist. Dann greift Artikel 1 des Grundgesetzes, dass die Würde des Menschen unantastbar ist – auch wenn es sich nur um eine Befruchtung im Reagenzglas handelt.

"Abstrakte Möglichkeit sich zu entwickeln"

Eine Regelung, die Zypries zur Disposition stellt. Ein künstlich erzeugter Embryo, so Zypries, habe nur eine abstrakte Möglichkeit, sich als Mensch zu entwickeln. Schließlich bedürfe es einer Frau, die bereit sei, den Embryo auszutragen.

Mit ihrer Rede – so Kritiker – stelle Zypries nicht nur das Embryonenschutzgesetz in Frage, sie höhle auch das Stammzellengesetz aus, das im April 2002 nach jahrelanger Diskussion verabschiedet wurde. Denn dieses Gesetz geht davon aus, dass menschliches Leben mit dem Zeitpunkt der Verschmelzung von Samen- und Eizelle entsteht.

Viel Empörung aber auch Zuspruch

Vor allem von den politischen Gegnern und aus kirchlichen Kreisen wurde Zypries für ihre Rede heftig kritisiert. Doch sie erhielt auch Zuspruch – nicht nur von Bundeskanzler Gerhard Schröder.

So begrüßte auch der Vorsitzende des Nationalen Ethikrates, Professor Spiros Simitis ihren Vorstoß. Dadurch werde die Debatte um den Embryonenschutz und die Stammzellenforschung neu entfacht.

"Biogenetik wie Computertechnologie"

Simitis verglich die Biogenetik mit der Computertechnologie. Es handele sich bei beiden Wissenschaftsfeldern um kontinuierliche Entwicklungsprozesse, in denen immer wieder neue Aspekte auftauchten. Die Politik müsse kontinuierlich auf die neuen Entwicklungen in der Gentechnik reagieren, so Simitis.

Möglicherweise spielt Simitis damit auf die internationale Konkurrenz in der Forschung an. Denn längst hat nicht jeder Staat so rigide Vorschriften wie Deutschland. Durch die strengen Auflagen drohen deutsche Forscher gegenüber ihren ausländischen Kollegen ins Hintertreffen zu geraten.

Großbritannien besonders liberal

In der EU hat Großbritannien die liberalste Gesetzgebung: Die Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen ist ebenso wie deren Herstellung aus überzähligen Embryonen erlaubt. Seit 1989 fördert der Staat die Stammzellenforschung mit jährlich 25 Millionen Pfund. Zu therapeutischen oder Forschungszwecken darf sogar geklont werden.

Auch die Niederlande, Schweden und Frankreich erlauben die Forschung an embryonalen Stammzellen – wenn auch unter unterschiedlichen Auflagen. So wird in allen Ländern das Einverständnis der Spender und die künstliche Befruchtung vorausgesetzt.

USA: Freie Hand für die Privatwirtschaft

In den USA wird die Forschung an embryonalen Stammzellen nur dann staatlich gefördert, wenn die Zelllinien im August 2001 bereits bestanden. Die Privatwirtschaft hat freie Hand.

In Australien, Indien, Israel und Japan können die Forscher ebenfalls Embryonen verwenden, um Krankheiten wie Alzheimer, Krebs oder Parkinson auf die Spur zu kommen.

Experten erwarten Forschungserfolge

Bis auf die USA und Großbritannien hat zwar kein Land bisher aus seiner liberaleren Gesetzgebung einen nennenswerten Vorsprung in der Forschung gegenüber Deutschland erzielen können. Doch Experten erwarten schon bald auch in den Niederlanden, Israel, Indien oder Australien die ersten größeren Erfolge.

All diese Staaten behandeln die Frage nach dem Beginn des menschlichen Lebens unter anderen Kriterien als Deutschland, nämlich so, wie es von der Bundesjustizministerin nun auch für Deutschland angeregt wurde. (pw)