1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Olympia-Favoritin in der Warteschleife

Sebastian Saam
24. Juli 2020

Drei WM-Titel - Bahnradfahrerin Emma Hinze avanciert kurz vor dem Corona-Lockdown zur großen Gold-Hoffnung. Die Verlegung der Olympischen Spiele bremst die junge Athletin zwar aus, bringt sie jedoch nicht aus der Spur.

https://p.dw.com/p/3frGj
Bahnrad-WM 2020 | Emma Hinze
Bild: Imago Images/Eibner

Noch nie hat sie geweint, wenn sie etwas gewonnen hat. Aber in diesem Moment konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. "Ich war super überrascht von mir, meine Beine waren so gut und ich war mental zu 100 Prozent da", sagt Emma Hinze heute rückblickend. Vor knapp fünf Monaten war das, bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften in Berlin, als die 22-Jährige gleich drei Goldmedaillen gewann.

2020 würde das Jahr der jungen Frau werden, so schien es. Die Nachfolgerin von Weltmeisterin und Olympiasiegerin Kristina Vogel, die seit einem Trainingsunfall 2018 querschnittsgelähmt ist, sei gefunden, so die Sportpresse überschwänglich. Emma Hinze wurde quasi über Nacht zur Olympia-Favoritin Nummer eins. Und Corona? Davon war zwar Anfang März schon die Rede. Aber der eine Fall, der bei den Sportlern im Hotel aufgetreten war, wurde damals nur müde belächelt, wie sich Hinze erinnert. Sie selbst hatte gar keine Zeit über irgendeinen Virus nachzudenken, es stand das Trainingslager auf Mallorca an. Spanien, Sonne, Frischluft - perfekte Bedingungen für die weitere Olympia-Vorbereitung.

Corona-Pandemie stellt alles auf den Kopf

Bahnrad-WM 2020 | Emma Hinze
Überwältigt: Emma Hinze nach dem dritten WM-SiegBild: picture-alliance/Augenklick/Roth

Aber es kam alles anders. Spanien wurde zu einem Corona-Pandemie-Epizentrum und auch die restliche Welt kam weitgehend zum Stillstand. Erst wurde Hinzes Trainingslager abgesagt, dann auch noch die Olympischen Spiele. Es war wie in einem schlechten Traum. Die junge Athletin stand auf einmal vor dem großen Nichts.

"Ich war traurig am Anfang", erzählt die 1,68 Meter große Bahnradfahrerin. "Man hat eigentlich einen Zeitraum vor Augen, auf den man sich konzentriert." Ein Zeitraum, der nun vorerst kein Ende hat - ob die Olympischen Spiele 2021 überhaupt stattfinden werden, ist immer noch unklar. Besonders am Anfang des Corona-Lockdowns war die Unsicherheit groß: wie würde weiter trainiert werden? Wird sie überhaupt für Olympia nominiert werden 2021, dann, wenn ihr großer Erfolg bei der Berliner WM fast schon wieder Geschichte ist?

In Rio 2016 war sie bereits als Ersatzfahrerin mit dabei. "Dort war ich eigentlich noch gar nicht bereit zu starten", erinnert sie sich. "Alles war so aufregend, die ganzen Menschen, beim Wettkampf war alles sehr angespannt und ich auch erst 18", so Hinze zu ihrem Brasilien-Abenteuer vor vier Jahren. In Tokio 2021 aber, dann fünf Jahre und drei Weltmeistertitel weiter, will sie sprichwörtlich voll durchstarten. Und daran arbeitet sie mittlerweile wieder mit Hochdruck - auch wenn die Corona-Pandemie andauert.

Freiluft-Training gegen die Unsicherheit

Zum Glück für Hinze war das Training bald schon wieder möglich. Das Land Brandenburg, in dem ihr Trainingsstandort Cottbus liegt, hatte nur wenige Tage nach den bundesweiten Kontaktbeschränkungen entschieden, dass auf dem örtlichen Olympia-Stützpunkt unter Einhaltung von Hygiene-Regeln weitertrainiert werden darf. Zwar nicht mit der Mannschaft und auch meistens draußen - aber immerhin. Eine Möglichkeit, die Cottbus im Vergleich zu anderen Standorten wie dem benachbarten Frankfurt an der Oder etwa bietet - dank einer Außenbahn unter freiem Himmel.

Bahnrad-WM 2020 | Emma Hinze
Berlin, März 2020: Nach Sprint und Teamsprint gewinnt Emma Hinze bei der Bahnrad-WM auch das Keirin-FinaleBild: picture-alliance/Eibner-Pressefoto

Dort zieht Emma Hinze nun mit ihrem Trainer Aleksander Harisanow ihre Bahnen, mit dem Mann, der sie überhaupt wieder in die Erfolgsspur brachte. Hinze hatte 2018 kurzzeitig über ein Karriereende nachgedacht, nach anhaltenden Knie- und Rückenbeschwerden. Aber Harisanow glaubte an sie, mit Erfolg.

Wie es in den kommenden Monaten genau weiter geht, wissen beide nicht. Im November sollen die Bahnrad-Europameisterschaften stattfinden. Oder im Oktober. In Budapest. Oder auch woanders. So sieht Planungssicherheit in Zeiten von Corona für viele Sportler aus, auch für Emma Hinze.

Ob sie dann wieder an die Leistung anknüpfen kann wie bei der WM? "Im Sport kann man sich immer erst am Schluss sicher sein", weiß sie bereits aus Erfahrung in ihrer noch kurzen Karriere. Aber den fast schon unheimlichen Fokus, den sie bei der WM hatte, hat die junge Frau in den ersten Corona-Monaten nicht verloren. "Olympia bliebt weiter das große Ziel", so Hinze und fügt hinzu: "Ich weiß, wo ich hin will. Ich weiß nur nicht, wann ich abliefern muss."