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Politik

Empfehlungen an die neue Bundesregierung

Lea Fauth
10. November 2017

Hunger und Armut in der Welt unterliegen globalen Zusammenhängen. In ihrem neuen Bericht "Kompass 2030" fordern Hilfsorganisationen Änderungen in der deutschen Entwicklungspolitik - auch zu ihrem eigenen Nutzen.

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Terre des Hommes - 50 Jahre - Ökologische Kinderrechte
Bild: terre de hommes/T. Dom

"Noch immer sterben jährlich 5,6 Millionen Kinder vor ihrem 5. Geburtstag", sagt Jörg Angerstein von der Organisation Terre des hommes. Zusammen mit Till Wahnbaeck von der Welthungerhilfe stellte er am Freitag den "Kompass 2030" vor: einen Bericht über die "Wirklichkeit der Entwicklungspolitik". Der Titel spielt schon darauf an: Die Realität in den Entwicklungsländern ist oft weit entfernt von den selbst gesteckten Zielen der Entwicklungszusammenarbeit.

Die Kritik der beiden Hilfsorganisationen: In den letzten Jahren habe Deutschland zwar sein "Engagement", nämlich die finanzielle Hilfe, gesteigert. "Wir stellen jedoch fest, dass Entwicklungszusammenarbeit zunehmend in den Dienst innenpolitischer Interessen gestellt wird", heißt es in der Einleitung des Berichts. 

Bei der Präsentation wollen die beiden Hilfsorganisationen das Ausmaß von Hunger und Armut in der Welt verdeutlichen. Wahnbaeck plädiert in dieser Hinsicht vor allem dafür, auf die ländlichen Regionen zu blicken und diese zu stärken. Wirtschaftswachstum fände nur in den Städten statt. Auf dem Land herrsche am meisten Not und Leid. "Insofern brauchen wir eine soziale Marktwirtschaft", sagt Wahnbaeck mit Betonung auf "sozial".

Hungersnot in Nigeria
Hungersnot in Nigeria. Weltweit sterben jährlich 5,6 Millionen Kinder vor ihrem 5. GeburtstagBild: picture-alliance/dpa/Unicef/NOTIMEX

Dass der schwarz-gelbe Teil der künftigen Bundesregierung eher für ein liberales denn ein soziales Wirtschaftssystem steht, findet Wahnbaeck trotzdem nicht bedenklich. "Jetzt warten wir mal ab", sagt er im Gespräch mit der DW. 80 Prozent der Deutschen seien dafür, dass ihr Land den Ärmsten helfe. "Wenn die Bundesregierung auf ihre Bevölkerung hört, dann wird sie das auch umsetzen", sagt Wahnbaeck. Er sei da guten Mutes.

Wahnbaeck und Angerstein wissen, dass die Gründe für Armut und Hunger vor allem einer globalen Wirtschafts- und Kriegspolitik geschuldet sind. Vor allem Angerstein von "Terre des hommes" plädierte immer für einen Stop der Waffenexporte, um Regionen zu stabilisieren. "Kohärente Politik bedeutet, dass Deutschland nicht länger von Fluchtursachenbekämpfung spricht und gleichzeitig Konfliktländer wie Saudi-Arabien aufrüstet", sagt er.

Aber auch die westliche Lebensweise ist ein Grund für weltweite Armut und Hunger. "Wir müssen auch unseren ökologischen Fußabdruck verkleinern", ergänzt Angerstein. "Armut ist heilbar: mit Politik", fügt Wahnbaeck hinzu. Trotzdem gehen die Organisation selbst weder gegen Waffenexporte noch gegen "Landgrabbing" oder andere Strukturen vor. Zentrale Forderung ihres Berichts sind mehr Entwicklungsgelder.

Till Wahnbaeck
Dr. Till Wahnbaeck, Vorstandsvorsitzender WelthungerhilfeBild: DW

Am Rande formulieren Wahnbaeck und Angerstein auch noch die Forderung nach einem eigenen Haushaltstitel. Das bedeutet: Das Geld, das Deutschland für Entwicklungshilfe ausgibt, soll direkt an die Hilfsorganisationen gehen. Bisher wurden Gelder für bestimmte Projekte vergeben, die jeweils vom Bund genehmigt und somit auch kontrolliert wurden. Die Bundesregierung kann nach dem jetzigen Stand entscheiden, welche Projekte und Programme sie als fördernswert einstuft. Mit dem eigenen Haushaltstitel wollen die Hilfsorganisationen das Geld direkt bekommen und selbst entscheiden, was sie damit machen.

Also mehr Geld und weniger Kontrolle? Die Verlegenheit, die bei dieser Frage im Raum spürbar wird, überwindet schließlich der Leiter des Berliner Büros der Welthungerhilfe, Richard Haep, der eigentlich im Publikum sitzt. "Das kann man so interpretieren, wenn man möchte", sagt er. Er selbst sehe das aber anders. "Es geht nicht um weniger Kontrolle, sondern um weniger Bürokratie", beteuert Haep. Dass die erste Forderung an die Bundesregierung der Welthungerhilfe "schnellere Investitionen" sind, mag trotzdem Skepsis wecken.