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Ende einer Affäre?

Frank Hofmann23. Januar 2014

Zagreb will nach monatelangem Streit mit der EU-Kommission nun doch den ehemaligen Geheimdienstgeneral Josip Perkovic auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls nach Deutschland ausliefern.

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Josip Perkovic in Zagreb (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Da steht er nun vor einem, im Büro seines Rechtsanwalts in der kroatischen Hauptstadt Zagreb: Josip Perkovic. Seit Jahren steht sein Name auf der Fahndungsliste der deutschen Polizei ganz oben. Die Auslieferung nach Deutschland deutet sich an diesem Tag schon an - deshalb kommt es zum ersten Fernsehinterview überhaupt. Perkovic gibt es der Deutschen Welle. Ein freundlicher Herr, 68 Jahre alt, den man sich gut als zufriedenen Großvater vorstellen kann. Ihm sei wichtig, sagt er, das Gespräch auf seine Aktivitäten gegenüber der kroatischen Exilanten-Szene im Ausland zu beschränken.

Genau wegen dieser Aktivitäten sucht ihn die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Vor allem seit dem 2008 am Oberlandesgericht München geführten Prozess wegen des Mordes an dem kroatischen Dissidenten Stjepan Djurekovic. Der Angeklagte wurde wegen Beihilfe zum Mord verurteilt und sitzt seither in einem bayerischen Gefängnis.

Der kroatische Exilant Djurekovic war 1983 in einer Garage in Wolfratshausen bei München erschossen worden, wo anti-jugoslawische Schriften gedruckt worden waren. Doch Djurekovic war mehr als nur einer von vielen kroatischen Dissidenten in der alten Bundesrepublik. Vor seiner Übersiedelung arbeitete er als Marketingleiter des Ölkonzerns Ina - und als solcher soll er Kenntnisse über korrupte Geschäfte der jugoslawischen Eliten mitgebracht haben. In dem Münchener Prozess stellte das Gericht fest, dass Perkovic als Geheimdienstchef an dem Mord beteiligt gewesen sein soll. Stimmt nicht, sagt Perkovic jetzt gegenüber der Deutschen Welle: "Mit Morden habe ich keinerlei Verbindung. Ich habe schon vor langer Zeit gesagt, dass ich absolut keine Berührungspunkte zu dem Mord an Djurekovic habe, und auch keine mit dem Tod eines anderen. Ich habe klassische nachrichtendienstliche Arbeiten verrichtet, das heißt der Schutz des kroatischen Territoriums und natürlich der kroatischen Bürger."

Josip Perkovic (Foto: EPA/DARIO GRZELJ)
Josip Perkovic: "Mit Morden habe ich keinerlei Verbindung"Bild: picture-alliance/dpa


Perkovic hatte zu dem später ermordeten Djurekovic Kontakt

Doch im Gespräch gibt er zu: Der Verurteilte im Münchener Djurekovic-Prozess war einer seiner informellen Mitarbeiter. Einmal im Jahr habe er mit ihm telefoniert, um Informationen zu gewinnen für seine Abteilung II des Geheimdienstes SDS in Zagreb, die für die Beobachtung der kroatischen Migranten-Szene im Ausland verantwortlich war.

Jahrelang hat Perkovic Exilkroaten in der alten Bundesrepublik bespitzeln lassen, mit "nachrichtendienstlichen Methoden, die nicht gewaltsam sind", sagt er. In der Bundesrepublik lebten viele Dissidenten, die ein vom sozialistischen Jugoslawien unabhängiges Kroatien forderten. Sie hatten ein breites Spektrum: Rechtsextreme Nationalisten mit einem zweifelhaften Verhältnis zur faschistischen Vergangenheit Kroatiens als Verbündeter Nazi-Deutschlands, aber auch antikommunistische Bürgerrechtler wie es sie in ostmitteleuropäischen Ländern gab. Diese arbeiteten mit friedlichen Mitteln an ihrem Ziel: Ein Ende des sozialistischen Jugoslawiens und ein unabhängiges, demokratisches Kroatien. "Viele" Agenten, sagt Perkovic, habe er in Deutschland geführt. In Zagreb heißt es, er sei nicht ohne Eitelkeit der Führungsoffizier mit den meisten Mitarbeitern im Ausland gewesen. Ein Geheimdienstmann, der im Hintergrund die Strippen zog und das Licht der Öffentlichkeit immer scheute.

Zeugenaussagen vor dem Gericht München belasten Perkovic

Genau das könnte ihm jetzt zum Verhängnis geworden sein: 2006 wollte Josip Perkovic gegenüber den Ermittlern des Landeskriminalamtes in München keine Aussage machen, die Vorladung habe er "ausschlieβlich aus gesundheitlichen Gründen" abgelehnt. Das Gericht hörte dagegen einen Zeugen, der Perkovic schwer belastete: Den ehemaligen jugoslawischen Geheimdienstler Vinko Sindicic, der wegen eines Mordversuchs in Schottland verurteilt worden war und heute in der Nähe von Mailand leben soll. Er hat in einer eidesstattlichen Versicherung gegenüber einem Notar in Italien seine damaligen Aussagen vergangene Woche zurückgezogen, allerdings wohl nicht gerichtsfest.

Schillernd ist Sindicic allemal, weshalb der vorsitzende Richter beim Münchener Djurekovic-Prozess, Bernd von Heintschel-Heinegg, gegenüber der Deutschen Welle auch klar machte, dass man sich intensiv mit ihm auseinandergesetzt habe. Auch mit der Frage, ob denn nun Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Zeugenaussage bestünden. "Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Angaben, die er bei uns gemacht hat, korrekt waren."

Bernd von Heintschel-Heinegg, Richter (Foto: Thomas von Heintschel-Heinegg)
Ist von der Schuld Josip Perkovics weiter überzeugt: Richter Bernd von Heintschel-HeineggBild: Thomas von Heintschel-Heinegg

Der notarielle Widerruf Sindicics ging per Post an den Generalstaatsanwalt in Zagreb, auch an Perkovics Anwalt. Der verneint im Gespräch die Frage, ob er diesen Schachzug veranlasst habe. So kam es auch ganz offensichtlich zu jener Abstimmung am Freitag, 29. Juni 2013, als das kroatische Parlament nur drei Tage vor dem EU-Beitritt des Landes ein Gesetz verabschiedete, nachdem in Kroatien der Europäische Haftbefehl nur für Taten nach 2002 gelten sollte. Perkovics Auflieferung wurde so verhindert. Eine "Lex Perkovic", die in Brüssel ungläubiges Staunen hervorrief und manchem Beamten die Zornesröte ins Gesicht trieb: Acht lange Jahre hatte die EU-Kommission mit Kroatien über den Beitrittsvertrag verhandelt und ihn durchgesetzt gegen zum Teil immer kritischer werdende Regierungen in den Mitgliedsstaaten.

Schachzüge hinter den Kulissen

Sein Sohn Sascha arbeitet als Berater für den kroatischen Präsidenten Ivo Josipovic. Der sozialliberale Jurist und Komponist steht seit seiner Amtsübernahme 2010 im Ruf, ein Mann des Ausgleichs zu sein im schwierigen Verhältnis der Balkan-Staaten nach den Jugoslawien-Kriegen der 90er Jahre. In der Affäre Perkovic hält sich Kroatiens Präsident aber auffällig zurück. Bekannt ist, dass viele alte Geheimdienstler noch heute gut vernetzt in Kroatien sind.

Noch vor Beginn des Krieges Anfang der 90er Jahre hatten sich Josip Perkovic und andere Geheimdienstleute des kroatischen Teils im jugoslawischen Geheimdienst UDBa offenbar entschlossen, die Unabhängigkeit Kroatiens und den späteren Präsidenten Franjo Tudjman zu unterstützen. "Er hat ihm den Pass in die Hand gedrückt, mit dem Tudjman 1987 nach Kanada geflogen ist", um Unterstützer für die kroatische Sache zu mobilisieren, sagt der Zagreber Journalist Zeljko Peratovic. Danach schmiedete Tudjman eine Allianz kroatischer Gegner Jugoslawiens auf der einen und ehemaliger kommunistischer Funktionäre wie Josip Perkovic auf der anderen: Für das unabhängige Kroatien.

Josip Perkovic bei seiner Festnahme Anfang des Jahres (Foto: STR/AFP/Getty Images)
Josip Perkovic bei seiner Festnahme Anfang des JahresBild: STR/AFP/Getty Images

Strippenzieher schon vor dem Jugoslawienkrieg?

Seit Beginn der Affäre Perkovic wird darüber wieder heftig diskutiert. An eine Frage aber trauen sich nur wenige wie der unabhängige Journalist Peratovic heran: Was, wenn das Ende Jugoslawiens 1987, und damit vor den Kriegen, schon besprochen war - zumindest unter den Geheimdienstmitarbeitern, die es gewohnt sind Strippen zu ziehen und auch in einem unabhängigen Kroatien ihre Macht sicherstellen wollten? Doch Nachfragen dazu hatte Josip Perkovic vor dem Gespräch mit der DW ausgeschlossen.