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Ende der Anarchie?

Maja Dreyer25. Februar 2005

Somalia ist ein Land, in dem ausschließlich Anarchie und Clan-Rivalitäten herrschen. Die Exil-Regierung plant nun ihre Rückkehr. Die Chancen auf staatliche Ordnung oder gar Frieden bleiben vage.

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Waffenhandel in MogadischuBild: dpa

Somalia ist heute das einzige Land der Welt ohne Zentralregierung. Seit mehr als einem Jahrzehnt herrscht Anarchie am Horn von Afrika - und das meist weit ab vom Interesse der Weltöffentlichkeit. Aber in den letzten Wochen ist Somalia wieder in den Schlagzeilen: mit dem Mord an einer britischen Journalistin und einem Bombenanschlag, der vermutlich gegen eine Delegation der Afrikanischen Union gerichtet war und zwei Menschen in den Tod riss. Dennoch plant die somalische Exilregierung, die sich letztes Jahr im Nachbarland Kenia gebildet hat, unverdrossen ihren Umzug nach Somalia in den kommenden Wochen.

Wohin?

Der Umzug der Exilregierung in die somalische Heimat scheitert im Moment aber schon an einer ganz elementaren Frage: Wohin soll die Reise gehen? Denn Mogadischu, die eigentliche Hauptstadt Somalias, zählt seit Jahren zu den gefährlichsten Städten der Welt. Milizionäre verschiedener Fraktionen herrschen über die einzelnen Stadtviertel. Auf Lastwagen montierte Maschinengewehre prägen das Stadtbild und sind das Statussymbol von Kriegsherren und Geschäftsleuten gleichermaßen.

Nach vierzehn Jahren Krieg
Hoffnung für ein geschundenes Land?Bild: AP

Also wird Premierminister Ali Mohamed Gedi seinen Geburtsort Mogadischu wohl meiden, wenn er demnächst mit einer Delegation nach Somalia aufbricht, um dort nach einem neuen Sitz für seine Regierung zu suchen. Bei der Suche achte die Regierung vor allem auf eine unparteiliche Prüfung, wie Präsidentensprecher Yusuf Baribari versichert: "Diese Entscheidung wird nicht nach politischen Maßstäben getroffen, sondern aufgrund der Sicherheitslage und der logistischen Bedingungen."

200 Clans machen Politik

Yusuf Baribari ist überaus bemüht um sachliche Aussagen. Denn die politischen Befindlichkeiten innerhalb der Übergangsregierung sind sensibel - die Wahl des Regierungssitzes ist dabei nur ein Beispiel. Über 200 Clans sind in Somalia politisch aktiv. Anfang der 1990er Jahre taten sich mehrere Gruppen zusammen, um den Diktator Siad Barre zu stürzen. Anschließend zerbrach die Koalition wieder und die Clans kämpften wieder gegeneinander. Selbst den Truppen der UN und der USA gelang es nicht, den Bürgerkrieg zu beenden.

Die neue Regierung ist das Resultat des mittlerweile 14. Versuchs der Warlords, Frieden zu schließen. Zwei Jahre hat es gedauert, bis sich die Stammes- und Religionsvertreter im kenianischen Exil geeinigt haben - mit einem diplomatischen Ergebnis: Für jeden Warlord einen Posten. Deshalb hat Premierminister Gedi jetzt fast 90 Minister und Vizeminister.

Viele Köpfe - viele Meinungen. So auch über die Frage der Friedenstruppen, die Präsident Abdullahi Yusuf angefordert hat, um die Regierung bei ihrer Rückkehr nach Somalia zu schützen. Eine überwältigende Mehrheit des Kabinetts hat einen Einsatz von Truppen der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga befürwortet.

Gefahr Friedenstruppe

Die Einigkeit könnte allerdings täuschen. Ein Minister hat sich bereits offen gegen den Einsatz von Friedenstruppen ausgesprochen. Auch die Islamisten um Scheich Hassan, ein mächtiger Warlord in Mogadischu, wehren sich gegen ausländische Truppen. Sie sind zwar noch eine recht kleine Gruppe, aber als einzige Kraft, die nicht am Friedensprozess beteiligt war, könnte sie nun zur größten Gefahr werden. Das ist die Einschätzung von Matt Bryden, Somalia-Kenner der in Brüssel basierten Internationalen Krisengruppe. "Ich denke, die wirkliche Gefahr ist, wenn Äthiopien, einer der Front-Staaten, mit einer Friedenstruppe in Somalia eingesetzt wird." Das könne den Islamisten eine weitreichende Unterstützung einbringen und die Möglichkeit, sich mit anderen Gruppen zu verbinden. "Dann könnte der Bürgerkrieg mit einem bisher noch nicht gesehenen Terrorismus wieder ausbrechen", befürchtet Bryden.

Erst vor wenigen Wochen demonstrierten Tausende Somalis aufgebracht gegen den Einsatz äthiopischer Truppen. Sie trauen dem Nachbarland nicht. Grenzstreitigkeiten und die Unterstützung somalischer Warlords vergiften schon lange das Vertrauen am Horn von Afrika. Auch der neue Präsident und ehemalige Warlord Yusuf soll von der äthiopischen Hilfe profitiert haben. Deshalb zweifeln viele Beobachter daran, ob es gerade ihm gelingen wird, die vielen Fraktionen in Somalia im Frieden zu vereinen. Der Weg dahin ist noch weit und gesäumt von brisanten politischen Entscheidungen: "Es sind noch 18 Monate übrig, bis eine föderale Struktur für Somalia in Kraft sein sollte", sagt Bryden. Außerdem muss eine neue Verfassung ausgearbeitet werden, genau wie Regelungen für eine Wahl. Und natürlich die Wiederherstellung der grundlegenden Dienstleistungen. Es gibt also eine Menge Arbeit zu erledigen.