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Gesundheitsreform

5. Oktober 2006

Die große Koalition hat ihren lang anhaltenden Streit über die Gesundheitsreform zumindest vorerst ausgeräumt. Komplizierte Kompromisse, Verschiebungen und mögliche höhere Beiträge sind das Ergebnis.

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Gesundheitsreform: Die Koalition präsentiert sich in Einigkeit: Beck, Merkel, Stoiber (v.l.)
Gesundheitsreform: Die Koalition präsentiert sich in Einigkeit: Beck, Merkel, Stoiber (v.l.)Bild: AP
Zahnersatz: Wer soll das bezahlen?
Wer soll das bezahlen?Bild: AP

Nach monatelangem Tauziehen haben sich die Spitzen der großen Koalition auf die geplante Gesundheitsreform geeinigt. In einem siebenstündigen Ringen vereinbarten sie in der Nacht zum Donnerstag (5.10.2006) allerdings, das Kernstück der Reform, den für den 1. Januar 2008 geplanten Gesundheitsfonds, um ein Jahr zu verschieben. Grund sei, dass erst dann der neue Finanzausgleich der Krankenkassen sowie das neue Vergütungssystem für Ärzte eingeführt werden. In den Fonds sollen die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge sowie ein Steuerzuschuss fließen. Er soll mehr Transparenz gewähren.

Bei den Zusatzbeiträgen setzte sich die SPD mit ihrem Beharren auf die Begrenzung auf ein Prozent des Haushaltseinkommens durch: Die Krankenkassen bekommen aus dem Fonds einheitliche Pauschalbeträge zugewiesen. Kommen sie dennoch mit dem Geld nicht aus, dürfen sie einen Zusatzbeitrag erheben. "Dieser Zusatzbeitrag darf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens nicht übersteigen", heißt es im neuen Beschluss. Für Beträge unter acht Euro gilt das aber nicht: Sie dürfen von den Kassen ohne Einkommensprüfung erhoben werden.


Neue Regelungen für privat Versicherte

Die privaten Krankenkassen müssen künftig einen so genannten Basistarif anbieten, der in etwa so viel abdeckt wie die gesetzliche Krankenversicherung. Diesen Tarif erhalten ehemalige Privatversicherte, die ihren Versicherungsschutz verloren haben, sowie freiwillig Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Privatversicherungen dürfen die Beitragshöhe weiterhin von Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand abhängig machen. Er darf nur nicht höher sein als der Höchstbeitrag der gesetzlichen Versicherung - derzeit gut 500 Euro im Monat.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ist zufrieden mit dem Gesundheitskompromiss
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ist zufrieden mit dem GesundheitskompromissBild: AP

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nannte den Gesundheitskompromiss eine "wirklich große Reform". "Es sind sehr weit reichende Strukturmaßnahmen, die eben die Qualität der Versorgung verbessern sollen." Schmidt verteidigte zugleich die Verschiebung des Gesundheitsfonds auf den 1. Januar 2009. Bis dahin trete auch der neue Risikostrukturausgleich in Kraft. Zudem hätten die gesetzlichen Krankenkassen ausreichend Zeit, sich zu entschulden.


Kanzlerin ist zufrieden

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die Einigung ziele auf eine weit reichende Reform, "die Deutschlands Gesundheitswesen umgestalten wird". Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck sagte: "Es ist ein guter Kompromiss." CSU-Chef Edmund Stoiber sprach von einer der größten Systemumstellungen der vergangenen Jahre. Er behielt sich jedoch eine Prüfung des Kompromisses vor, weil er im Zuge des Länderfinanzausgleiches Mehrbelastungen von 1,7 Milliarden Euro für Bayern befürchtet.

Der Gesunheitsfonds soll für mehr Transparenz bei den Kosten für Behandlungen sorgen
Der Gesunheitsfonds soll für mehr Transparenz bei den Kosten für Behandlungen sorgenBild: AP

Die Opposition hingegen kritisierte den Gesundheitskompromiss: Grünen-Chef Reinhard Bütikofer nannte die Einigung eine "Verhohnepiepelung" der Wähler: "Es hat mit Handlungsfähigkeit überhaupt nichts zu tun, wenn man um jeden Preis an einem faulen, vermurksten Kompromiss festhält", sagte er in der ARD. Die Ankündigung, die Bürger würden nicht zusätzlich belastet, nannte er "unwahr". Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast sagte: "Der Fonds ist tot. Zum geplanten Einführungszeitpunkt 2009 darf man davon ausgehen, dass es die große Koalition sehr wahrscheinlich nicht mehr geben wird."

"Bundesagentur für Gesundheit"

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle kündigte an, dass der Fonds aus "politischen, organisatorischen und verfassungsrechtlichen Gründen das Licht der Realität nicht dauerhaft erblicken" werde. Die FDP würde die "Bundesagentur für Gesundheit" spätestens nach der Bundestagswahl im Herbst 2009 wieder abschaffen. Wie wenig die Koalition von ihrer Vereinbarung überzeugt sei, zeige auch der Vorbehalt, unter den CSU-Chef Edmund Stoiber das ganze Paket gestellt habe.

Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer sieht in dem Kompromiss eine Einigung auf den "kleinen Nenner". Den Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung nannte er eine "kleine Kopfpauschale", die das Risiko von Kostensteigerungen auf die Versicherten abwälze. (ina)