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Endspurt im Annäherungsmarathon

Richard A. Fuchs / Kay-A. Scholz (mit Agenturen)25. November 2013

Bis Mittwoch soll ein Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD stehen. Viele bezweifeln, dass das gelingen wird. Zu groß ist die Liste der Streitfragen. Kompromisse sollen jetzt die Parteichefs finden.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel (Foto: John MacDougall/AFP/Getty Images)
Bild: John MacDougall/AFP/Getty Images

Koalitionsverhandlungen vor Showdown

Seit dem frühen Nachmittag verhandeln Unionsparteien und SPD erneut, um über strittige Fragen zur Bildung einer großen Koalition zu sprechen - dieses Mal in einer 15-köpfigen Runde in der CDU-Parteizentrale im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. Der Runde gehören an: die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD), außerdem die Generalsekretäre und Fraktionsvorsitzenden sowie weitere Führungskräfte der Parteien. Teilweise sollen auch Fachpolitiker hinzustoßen. Sie sollen Kompromisse finden, wo zahlreiche Arbeitsgruppen in den vergangenen vier Wochen zu keiner Einigung fanden. So konnte sich die schwarz-rote Regierung in spe noch nicht endgültig auf einen gesetzlichen Mindestlohn verständigen. Auch bei der Arbeitsmarktpolitik, bei Veränderungen des Rentensystems und bei der Einführung einer doppelten Staatsbürgerschaft sind Kompromisse zur Stunde noch nicht absehbar.

Zu Beginn war von beiden Seiten dennoch vorsichtiger Optimismus zu hören. "Ich hoffe, dass wir alle miteinander die nächsten Tage Vernunft walten lassen, dann wird's am Ende", sagte CSU-Chef Horst Seehofer. "Wir wollen den Erfolg, aber ob wir es schaffen, das steht noch aus", sagte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Zwar stünde der Koalitionsvertrag zu 90 Prozent, so Heil. "Aber die harten 10 Prozent liegen noch vor uns." Der bisherige Entwurf des Koalitionsvertrags umfasst 177 Seiten. Noch gibt es darin offene Passagen und in eckige Klammern gesetzte Abschnitte.

Offene Fragen - und ein bisschen Einigkeit

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hatte vor Beginn der neuen Verhandlungsrunde noch einmal Druck auf die Union gemacht, in zentralen Fragen auf SPD-Linie einzuschwenken. Er kündigte auf einem Gewerkschaftstreffen am Sonntag an, einem Koalitionsvertrag nur dann zuzustimmen, wenn darin ein flächendeckender Mindestlohn von 8,50 Euro verbindlich vereinbart würde. Zwar haben sich Union und SPD im Prinzip bereits auf die Einführung eines Mindestlohnes in Deutschland verständigt, streiten allerdings noch über dessen genaue Höhe und den Termin der Einführung einer solchen Lohnuntergrenze. "Es wird - wenn es zu erfolgreichen Koalitionsverhandlungen kommt - zu einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn kommen", sagte die Kanzlerin am Montag in Frankfurt am Main auf einem Gewerkschaftskongress. Sie äußerte sich allerdings erneut besorgt, "dass das auch Arbeitsplätze kosten kann".

Will hart bleiben bei den Verhandlungen: SPD-Chef Sigmar Gabriel (Foto: Thomas Peter)
Will hart bleiben bei den Verhandlungen: SPD-Chef Sigmar GabrielBild: Reuters

Alexander Dobrindt, Generalsekretär des kleinsten Verhandlungspartners CSU, verwahrte sich in der Montagsausgabe der "Bild"-Zeitung erneut gegen das beständige Aufstellen neuer Forderungen von Seiten der SPD. Die Unionsparteien seien als klare Wahlsieger aus der Bundestagswahl im September hervorgegangen, so Dobrindt. Deshalb solle die SPD keine weiteren Bestellungen mehr zu Lasten der Steuerzahler abgeben, von Steuererhöhungen Abstand nehmen und der Einführung einer PKW-Maut auf deutschen Straßen zustimmen, nur so könne es eine große Koalition geben.

Die SPD hält die von der CSU geforderte PKW-Maut für unrealistisch. Im Kern geht es darum, ob wie geplant gewährleistet werden kann, dass nur ausländische und nicht auch deutsche Autofahrer die Autobahn-Nutzungsgebühr bezahlen müssten. Merkel hatte der CSU am Wochenende noch einmal Unterstützung für eine Maut zugesagt. Sie aber auch an die Bedingung geknüpft, dass "kein deutscher Autofahrer stärker belastet wird".

Kanzlerin Merkel auf dem Gewerkschaftstreffen in Frankfurt (Foto: Kai Pfaffenbach)
CDu-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel, hier auf dem Gewerkschaftstreffen in FrankfurtBild: Reuters

Schwarz-Grün bleibt als politische Option möglich

Während in Berlin eine Große Koalition um Kompromisse ringt, beginnen auch im Bundesland Hessen Koalitionsverhandlungen. Diese könnten die bisherige Farbenlehre bei Regierungsverhandlungen in Deutschland auf den Kopf stellen, denn dort verhandeln CDU mit den Grünen zur Bildung einer Landesregierung. "Ich freue mich auf diese Verhandlungen und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir sie auch erfolgreich führen", sagte CDU-Landesvorsitzender Volker Bouffier am Montag vor Beginn der Verhandlungen.

Koalitionsverhandlungen vor Showdown

Während CDU-Spitzenpolitiker auf Bundesebene wiederholt betont haben, dass dies keine Auswirkungen auf die schwierigen Verhandlungen in Berlin haben wird, werfen viele politische Beobachter schon ihren Blick voraus. Scheitern die Verhandlungen zwischen Union und SPD in dieser Woche, dann könnte auch im Bund über ein schwarz-grünes Regierungsbündnis verhandelt werden. Bislang galten in Deutschland Bündnisse zwischen den traditionell eher links-orientierten Grünen und den konservativen Unionsparteien als politisch nicht durchsetzbar.

Eine Verlängerung der Gespräche?

Noch richten sich alle Augen aber auf die Verhandlungen von Union und SPD. Für EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), ist dies die richtige Regierungskonstellation. "Eine große Koalition kann unser Land so stark und stabil halten, dass es seine Führungsaufgabe in Europa erfüllen kann“, sagte der EU-Parlamentspräsident der Zeitung "Passauer Neue Presse". Noch könnte die große Koalition aber auch am Widerstand der SPD-Parteimitglieder scheitern. Über den jetzt ausgehandelten Koalitionsvertrag sollen rund 470.000 Sozialdemokraten bis Mitte Dezember abstimmen.

Der Abschluss der Koalitionsverhandlungen ist für Mittwoch (27.11.2013) geplant. Dann wird sich zum vorerst letzten Mal eine große Runde von 75 Verhandlungsteilnehmern treffen. Von Seiten des kleinsten Verhandlungspartners CSU wird bereits eine Verlängerung der Gespräche in Spiel gebracht, um die vielen offenen Fragen noch zu klären. "Wir sind mitten in der zweiten Halbzeit der Koalitionsverhandlungen", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der "Bild"-Zeitung am Montag. "Vielleicht müssen wir sogar in die Verlängerung." SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte dagegen dem Sender N24, es werde "keine Verlängerung" der Koalitionsverhandlungen geben, denn dafür sei "kein Spielraum".