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Hausgemachter Engpass

Gui Hao2. Februar 2008

Massive Schneefälle legen China lahm. Doch am Engpass bei der Energieversorgung trägt der Staat eine Mitschuld. Hohe Kohlekosten bei fixen Strompreisen machen Kraftwerken den Wettbewerb schwer.

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Ein Arbeiter versucht einen umgekippten Strommast zu reparieren, denn Strom muss in China bald wieder fließen (Foto: AP)
Strom muss bald wieder fließenBild: AP
Der kälteste Winter seit rund 50 Jahren hat China fest im Griff. Nach dem heftigen Schneefall war die Eisenbahnverbindung zwischen Nord und Südchina unterbrochen. Gründe dafür waren die vereisten Gleise und der Engpass der Stromversorgung. Vielerorts gingen die Lichter aus. Der plötzliche Wintereinbruch passiert zu einem ungünstigen Zeitpunkt: unmittelbar vor dem chinesischen Neujahr, dem Frühlingsfest am 7. Februar 2008. Und so sitzen Millionen Wanderarbeitern an den Bahnhöfen und Flugzeugen fest. Dass es ausgerechnet im Rekordwinter zu einer Strom-Versorgungskrise kommt, liegt aber nicht nur an der Kälte.

"Ich entschuldige mich"

Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao persönlich hat die Wetterlage zur Chefsache erklärt und hat am Hauptbahnhof der zentralchineischen Stadt Chang Sha um Verständnis gebeten: "Ich entschuldige mich, dass alle hier auf die Reise nach Hause warten müssen. Die Reparaturarbeiten dauern an. Wenn das Stromnetz wieder hergestellt wird, können schon bald Züge fahren."

LKW-Stau: Stillstand auf den vereisten Straßen in den betroffenen Regionen (Foto: AP)
Stillstand auf den vereisten Straßen in den betroffenen RegionenBild: AP
Das chinesische Staatsfernsehen zeigt rund um die Uhr die Reparaturarbeiter im Dauereinsatz und umgestürzte Strommasten. Doch allein der Schnee kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass 17 der 31 Provinzen und Großstädte von den Stromausfällen betroffen sind. Allein in der Stadt Chenzhou in der Zentralprovinz Hunan haben 800.000 Menschen seit Tagen weder Strom noch Wasser. Zhu Hongren von der nationalen Kommission für Entwicklung und Reform, zuständig für die Wirtschaftspolitik, sagt, dass strengere Sicherheitskontrollen in den Kohle-Zechen durchgeführt worden sind. "Der Betrieb aller Gruben in einigen Regionen wurde daraufhin eingestellt. Davon hatten einige ein hohes Sicherheitsrisiko, es gab auch welche, die ohne Bedenken hätten weiter fördern können", sagt Zhu Hongren.

Kohle und Kernenergie liefert den Strom

78 Prozent der Elektrizität in China werden aus Kohle und Kernenergie gewonnen, landesweit sind insgesamt vier Atommeiler im Betrieb. Weitere 20 Prozent Strom werden in China aus Wasserkraft gewonnen. Erneuerbare Energien wie Windenergie oder Sonneenergie werden in der Statistik gar nicht erfasst und gehören mit weniger als zwei Prozent in die Rubrik "Sonstiges".

Fixe Strompreise bei steigenden Kohlekosten

Wenn die Autobahnen wegen Schnee gesperrt sind und die Züge nicht fahren können, wird der Transport von Kohle beeinträchtigt. Die amtliche Agentur Xinhua meldet, dass die Kohlereserven nur für eine Woche ausreichen. Das Wetter sei schuld.

Das aber stimmt nicht ganz, erklärt Professor He Zhou von der City Universität Hongkong, Kohle sein genug vorhanden. Doch während den Kraftwerken die Kohlereserven ausgehen, lagerten in anderen Umschlagssilos Braun- und Steinkohle in ausreichenden Mengen. "Die Händler sind nicht bereit, die Kohle zu dem jetzigen Preis zu verkaufen, weil die Preise von Kohle im vergangenen Jahr durchschnittlich um 10 bis 20 Prozent pro Monat gestiegen sind", sagt He Zhou. Außerdem betreibe der Staat unterschiedliche Politik gegenüber der Kohle- und Stromversorgung: Der Kohlepreis bildet sich auf dem Markt, der Strompreis werde dagegen staatlich festgesetzt. "Die Kraftwerke wollen das nicht länger mitmachen, weil sie den Strom zum festen Preis bei steigenden Produktionskosten verkaufen müssen."

Kurzum: Planwirtschaft prallt hier auf Marktwirtschaft. Derzeit kostet pro Kilowattstunde Strom in den Städten umgerechnet sieben Cent. In der nächsten Zeit ist mit einer Preiserhöhung nicht zu rechnen, weil die Regierung aus Inflationsängsten den Preisanstieg unterbunden hat.

Staatlicher Netzbetrieb und Wettbewerb der Kraftwerke

Im Jahr 2000 hat der chinesische Staatsrat die so genannte Kraftwerk-Netz-Separation durchgeführt. Daraufhin wurde 2002 die staatlich kontrollierte State Grid Cooperation, kurz SGCC, gegründet. Die Gesellschaft ist für den Netzbetrieb sowie dessen Ausbau zuständig. Die Kraftwerke dagegen sind nicht in staatlicher Hand. Marktanalyst Li Chaolin vom chinesischen Dachverband der Kohlebergbauindustrie meint darum: "Energie ist ein gewinnträchtiger Markt. Die Gewinne müssen jedoch staatlich gesteuert werden. Die Kraftwerke sind einer starken Konkurrenz auf dem Markt ausgesetzt, viele schreiben rote Zahlen. Der Staat muss, um die Stromversorgung zu sichern, dafür sorgen, die Gewinne zwischen Netzen und Kraftwerken auszugleichen."

Doch der Staat denkt ebenfalls an die eigenen Gewinne. Gewinnorientierte Energiesicherheit sei die höchste Priorität des chinesischen Staats, erläutert Gu Xuewu, Politologieprofessor der Universität Bochum. China folge auf dem Energiemarkt nicht vollständig den Marktmechanismen, sondern setzt dafür auf die starke Hand des Staats. "Er greift mit Verordnungen im Inland ein und stellt durch bilaterale Regierungsabkommen die Energieversorgung aus dem Ausland sicher, mit Russland, mit Afrika oder mit Ecuador. Die Strategie schreibt der Staat fest."