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Energieversorger: Das große Zittern geht weiter

Jan-Henrik Petermann, dpa1. Januar 2016

Ein Ende der Dauerkrise am Strommarkt ist nicht in Sicht: Eon, RWE & Co. kämpfen auch 2016 mit den Folgen der Energiewende. Konzerne werden umgebaut, Jobs drohen verloren zu gehen. Gelingt ein Neustart?

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Kraftwerk Industriestandort mit Abgasen
Bild: picture-alliance/dpa

Deutschlands Stromversorger werden sich 2016 durch ein weiteres Krisenjahr zittern. Bei Eon und RWE sollen radikale Umbauten die Wende im chronisch schwachen Geschäft mit konventionellen Kraftwerken bringen. Doch die Unsicherheit um die Folgen der Energiewende bleibt.

Das Grundproblem: Kohle und Gas bringen immer weniger ein

Der Absturz der Strom-Großhandelspreise macht die Erzeugung selbst in modernsten Gas- und Kohlekraftwerken zum Verlustgeschäft. Immer mehr Ökostrom aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse fließt ins Netz – eine klaffende Lücke zwischen Börsenstrompreisen und Einspeisevergütungen für die Erneuerbaren ist die Folge. Doch die Fossilen sind nötig, um die Versorgung angesichts der schwankenden Öko-Träger und mangelnden Speicherkapazitäten zu sichern.

Bei Eon stand 2014 unterm Strich ein Rekordminus von 3,2 Milliarden Euro. RWE lag 1,7 Milliarden Euro im Plus - aber vor allem, weil man 2013 Abschreibungen vorgezogen hatte. Unrentable Kraftwerke drückten auch EnBW und Vattenfall in die roten Zahlen. Der RWE-Kraftwerkchef, Matthias Hartung, warnte im Juli: "Unabhängig von Länder- und Spartengrenzen: Es geht ums Überleben."

Die Reaktion: Radikaler Umbau

Die Großen suchen ihr Heil in weitreichenden Strukturreformen, sie wollen die zukunftsträchtigen erneuerbaren von den herkömmlichen Energien trennen. Zunächst kündigte Eon eine Radikalkur an: die Abspaltung fossiler Kraftwerke in die neue Gesellschaft Uniper - die erst auch die Nuklearsparte samt Atomkraftwerks-Rückbau bekommen sollte - und den Verbleib von Ökostrom, Netzen, Vertrieb und Atom im Hauptkonzern.

Umgekehrt macht es RWE: Erneuerbare auslagern, Konventionelle in der "alten" RWE behalten. "Wir zerschlagen den gordischen Knoten", sagte Konzernchef Peter Terium. Auch große Stadtwerke richten sich neu aus.

Der Kunde wird kaum entlastet

Die Stromkunden merken von den Börsen-Tiefstpreisen wenig, die Tarife für Verbraucher gaben bei vielen Anbietern 2015 nur leicht nach. Und 2016 müssen sie oft tiefer in die Tasche greifen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei Vergleichsportalen im Herbst ergab.

Nur wenige Versorger wollen die Preise senken, mehrere stellten dagegen Erhöhungen um im Schnitt drei Prozent in Aussicht. Immerhin: Eon-Finanzchef Michael Sen kündigte an, den Endverbraucher-Strompreis über den Jahreswechsel hinaus stabil zu halten. Auch RWE deutete an, die Kosten in der Grundversorgung vorerst nicht anzuheben.

Sparen und abbauen

RWE spart an Sachausgaben und Personal. Zudem verkaufen die Essener ganze Firmen, die Öl-Tochter Dea besitzt nun der russische Milliardär Michail Fridman. Der Mitarbeiterstand war Ende 2014 auf knapp 60 000 Vollzeitstellen gesunken. Ähnlich Eon: Die Düsseldorfer bauten 10 500 Jobs in den letzten Jahren ab, weitere 1500 sollten 2015 entfallen.

Das bis zum 2011 beschlossenen Atomausstieg nur zögerlich ausgebaute Öko-Geschäft ist keine sichere Bank, der Umbau der Subventionen zu privaten Ausschreibungen statt pauschaler Förderung bedeutet weniger Garantien. Laut Bundesnetzagentur soll im April 2016 die Förderung von Windkraft an Land um 1,2 und von Biomasse um 0,5 Prozent fallen.

Innovationen dringend gesucht

Weg von der reinen Erzeugung, hin zu Dienstleistungen - das haben sich alle Versorger auf die Fahnen geschrieben. Einige hunderttausend "Smart Home"-Anlagen zur Steuerung von Licht und Heizung im Eigenheim hat RWE verkauft. "Smart Metering" - die bedarfsgenaue Abrechnung anstelle normaler Abschläge - ist ebenfalls ein Thema. Der Konzern versucht zudem, als Marktführer beim Ausbau des E-Auto-Ladenetzes zu punkten. Bei Eon haben sich die Marketing-Strategen skurril anmutende Angebote wie die Kopplung von Stromvertrag mit Schlüssel-Notdienst, PC-Datenrettung oder Schädlingsbekämpfung einfallen lassen.

Altlast Atomausstieg

Nach dem Schock von Fukushima 2011 erwischte der Beschluss zum Atomausstieg bis 2022 die Konzerne auf dem falschen Fuß. Sie hatten auf eine Laufzeitverlängerung gesetzt. Eon forderte wegen entgangener Gewinne 380 Millionen Euro Schadenersatz für das Atom-Moratorium nach dem Erdbeben und Tsunami, RWE 235 Millionen. Gegen die Steuer auf Kernbrennstoffe wehrten sich die Firmen ebenso.

Umstritten bleibt die Finanzierung von Rückbau und Entsorgung des Strahlenmülls. Kritiker fürchten, Milliarden-Rücklagen könnten nicht reichen. Ein Stresstest für das Bundeswirtschaftsministerium ergab vor kurzem aber, dass die bisherigen Finanzreserven der großen Vier wohl genügen dürften.

Und was passiert mit der Kohle?

Aus Klimaschutz-Gründen sollen RWE, Vattenfall und Mibrag ab Oktober 2016 mehrere Braunkohlekraftwerke schrittweise stilllegen. Die geschätzten Kosten von 1,61 Milliarden Euro belasten letztlich die Stromkunden - Gegner der Lösung sprechen von einem "Kohle-Soli". "Bundeswirtschaftsminister Gabriel schafft mit Milliardenkosten eine Kohlereserve, die niemand braucht", sagte Grünen-Politiker Oliver Krischer. Die Gewerkschaft IG BCE zeigte sich dagegen zufrieden: "Mit den Verabredungen geht die Zeit der Unsicherheit zu Ende", sagte ihr Chef Michael Vassiliadis. In Bereitschaft gehaltene Anlagen dienen auch als Sicherung der Versorgung - neben einer Reserve für Engpässe.