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Entdecken, genießen, erleben

14. August 2009

Die Fee mit den drei Wünschen! Wir alle hoffen ihr einmal zu begegnen. Und wir alle denken oft darüber nach, was wir uns den wünschen würden.

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Porträt Burkhard Spinnen
Burkhard SpinnenBild: privat

Ich tue das auch. Allerdings habe ich es noch nicht geschafft, bei den Wünschen Eins und Zwei eine gewisse Originalität zu entwickeln. Immer läuft es auf erstens: Weltfrieden und zweitens: Gesundheit und Wohlstand für mich und die Meinen heraus. Nicht sehr kreativ, ich weiß.

Mein dritter Wunsch

Mein dritter Wunsch aber wäre etwas spezieller. Ich wünschte mir nämlich, die Verben entdecken, erleben und genießen würden samt ihrer Nomina sofort aus der deutschen Sprache ausgeschlossen und ihre Benutzung unter strengste Strafe gestellt. Das würde ich mir wünschen.Und dann sähe ich mir an, was passiert! Umgehend würden in jedem Werbe- oder Marketingtext an den wichtigsten Stellen tiefe Lücken klaffen. Denn seit langem schon gibt es dort nur noch ein Wort für die Art und Weise, auf die ein Konsument an die Ware kommt: er entdeckt sie. Nur noch ein Wort dafür, wie deren Konsum sich vollzieht: als ein Genießen. Und nur noch ein Wort dafür, was Endeckung und Genuss für den Kunden bedeuten: ein Erlebnis.

Eine Troika beherrscht den Konsum

Spam, Spiced Ham in Originalverpackung
Genuss aus der Dose?Bild: AP

Die Troika Entdecken, Genießen, Erleben beherrscht heute alles Sprechen über Konsum. Werbeagenturen kassieren Millionen dafür, dass sie so raffinierte Werbesprüche wie "Entdecken Sie X!" prägen. Jeder Besuch in einer Einkaufsmall soll ein Erlebnis sein, auch wenn man nur Dosensuppen kauft. Und diese Dosensuppen kann man gar nicht mehr einfach in sich hinein löffeln, sondern nur noch genießen, egal woraus sie hergestellt worden sind.

Entdecken, das hieß früher einmal: aussuchen. Genießen ist ein neues Wort für essen oder trinken. Und dass das alles ein Erlebnis sein soll, also eine eminente Steigerung des Lebens – das ist nichts als eine Behauptung der Werbung. Man könnte also darüber hinwegsehen.

Aber man kann nicht. Die aufgeblasene Troika beherrscht über den Konsum das Denken. Die Schlagwörter erschlagen das eigene Urteil. Die Phrasen vernebeln die Wahrnehmung. Und deshalb wünsche ich mir, so diktatorisch das scheinen mag, ein Verbot dieser Worte. Ich möchte die deutsche Sprechergemeinschaft dazu zwingen, die Dinge wieder beim passenden Namen zu nennen. Und wenn denn einer schon Werbung machen will, wogegen ich gar nichts habe, dann soll er sich gefälligst etwas ausdenken. Etwas Sinnvolles, etwas Treffendes, etwas Pfiffiges. Und er soll auf keinen Fall bloß nachplappern, was ihm die anderen vorplappern.

So! Das war mein dritter Wunsch. Und jetzt muss ich mich verabschieden. Ich darf nämlich die Fee nicht verpassen.

Burkhard Spinnen, geboren 1956, schreibt Romane, Kurzgeschichten, Glossen und Jugendbücher. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Spinnen ist Vorsitzender der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises. Zuletzt ist sein Kinderbuch "Müller hoch Drei" erschienen (Schöffling).

Redaktion: Gabriela Schaaf