1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Entführungen in Tschetschenien an der Tagesordnung

10. Februar 2005

Russische Menschenrechtler haben am 7. Februar einen Bericht zur Lage in Tschetschenien vorgelegt. Darin kritisieren sie offizielle Angaben. Ferner machen sie auf die Machtlosigkeit der dortigen Miliz aufmerksam.

https://p.dw.com/p/6EDj
Auch Patrouillen bieten keinen SchutzBild: AP


Nach Angaben der russischen Generalstaatsanwaltschaft sind in den letzten drei Jahren in Tschetschenien 1749 Strafverfahren wegen Entführung eingeleitet worden. In diesen Fällen handelt es sich um etwa 2300 verschwundene Menschen. Vor mehr als zwei Jahren standen auf der Liste verschwundener Menschen, die von einer Arbeitsgruppe der Regierung Tschetscheniens erstellt wurde, mehr als 2800 Personen. Heute erklären offizielle Vertreter, die Anzahl entführter Menschen sei um ein Vielfaches zurückgegangen.

Zweifel an offiziellen Angaben

Nach Angaben von Mitarbeitern der Menschenrechtsorganisation Memorial sind Straftaten dieser Art im Vergleich zu den Vorjahren tatsächlich zurückgegangen, aber nicht um mehr als 20 bis 40 Prozent. Das sei unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass die Menschen sich bemühten, mit den Entführern selbst zu verhandeln, ohne die Miliz einzuschalten. Oft würden sich die Menschen aus Angst an niemanden wenden.

Miliz kann nichts unternehmen

Aleksandr Mnazakanjan, Vertreter der Internationalen Helsinki-Föderation, meint, heute herrsche ein Konflikt zwischen bewaffneten Einheiten Ramsan Kadyrows, dem Sohn des ums Leben gekommenen Präsidenten Achmed Kadyrow, und tschetschenischen Milizionären. Das ist dem Nordkaukasus-Experten zufolge die Hauptursache der Nöte, mit denen die Zivilbevölkerung der Republik zu kämpfen habe. Die Vertreterin der Helsinki-Föderation, Tatjana Lokschina, sagte, die tschetschenischen Milizionäre würden oft genau wissen, wer verschwunden sei. Auch wüssten sie, wo sich die Entführten befinden. Aber unternehmen könnten sie dennoch nichts.

Fahndung nach Kadyrow-Kämpfern

Im tschetschenischen Wwedenskij-Bezirk und in Gudermes, wo sich vor kurzem die Menschenrechtler aufgehalten haben, reden die Menschen offen über die Willkür der föderalen Behörden. Sie möchten aber nicht über die Kadyrow-Leute sprechen. Das ist nach Ansicht von Tatjana Lokschina bezeichnend. In Kadyrows Reihen befinden sich ihr zufolge 86 Personen, nach denen die föderalen Behörden fahnden. Die genaue Anzahl der Kadyrow-Kämpfer könne niemand nennen. Es werde vermutet, dass sogar zwei Einheiten existieren.

Aleksandr Mnazakanjan berichtete, dass Kadyrow Junior einen Vorsitzenden eines Bezirks Tschetscheniens des Amts enthoben habe, ohne darüber mit Präsident Alchanow zu sprechen. Er sei mit seinen Kämpfern in das Bezirkszentrum einmarschiert und habe dort von den Bezirksleitern und der Leitung der Abteilung des Innenministeriums eine Rücktrittserklärung innerhalb von 24 Stunden gefordert.

Angehörige Maschadows entführt

Ein weiteres Problem ist die Entführung Angehöriger von Aslan Maschadow. Nach zahlreichen Erklärungen offizieller Vertreter, darunter auch von General Schabalkin, die das Verschwinden jener Menschen bestritten hatten, teilte die Staatsanwaltschaft schließlich mit: „Die vorliegende Straftat könnte von unbekannten Personen mit dem Ziel verübt worden sein, zu provozieren oder Geld zu fordern.“ Memorial stellte bis heute fest, dass acht Angehörige Maschadows entführt worden sind. Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft ist nach Ansicht der Menschenrechtler im Rahmen von Ermittlungen in Entführungsfällen typisch.

Jekaterina Abramowa

DW-RADIO/Russisch, 7.2.2005, Fokus Ost-Südost