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Entgleiste Liebe

Nina Werkhäuser20. Oktober 2007

Sollen sie doch streiken - Bahnfahren ist ohnehin schon lange nicht mehr das, was es einmal war.

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Bild: DW

Die Lokführer streiken, in Berlin auch viele S-Bahnführer. Deswegen sind in der Stadt mehr Autos unterwegs als sonst. Ich stehe im Stau und denke: "Sollen sie doch streiken, ich fahre ohnehin kaum noch mit der blöden Bahn!" Aber dann schweifen meine Gedanken ab, und in den Trotz mischt sich etwas Wehmut.

Früher war alles besser

Mir fällt die Zeit ein, als ich nichts auf die Bahn kommen ließ. Früher fuhr ich mit dem Zug überall hin und fühlte mich gut aufgehoben. Der Schaffner knipste Löcher in meine Fahrkarten, während ich Musik hörte und aus dem Fenster träumte. Ich las dicke Romane und hoffte auf interessante Gespräche mit anderen Autobahn-Vermeidern. Meine absolute Lieblings-Strecke war die am Rhein entlang.

Heute habe ich dieses warme Gefühl nicht mehr. Ich höre nur "Bahn" und bin schon genervt. Jedes Jahr werden die Fahrkarten teurer. Für immer mehr Geld komme ich immer langsamer an. Dass sich die Ankunft wegen einer technischen Störung verzögert, erlebe ich auf jeder zweiten Fahrt.

Schockgefrostet oder überheizt

Wenn ich zufällig mal einen pannenfreien ICE erwische, dann wirft sich garantiert jemand vor den Zug. Dafür kann die Bahn dann nichts. Aber sie könnte dafür sorgen, dass die Wagen weder schockgefrostet noch völlig überheizt sind. Und etwas kulanter sein, wenn etwas schief geht.

Ok, das ist jetzt einseitig und ungerecht. Nicht selten komme ich pünktlich an, der Wagen war wohltemperiert und auch sonst alles bestens (vom Kaffee im Zug abgesehen). Aber die Selbstverliebtheit des Bahn-Vorstands missfällt mir trotzdem, der für die vielen Mängel nicht gerade steht - so als sei Bahnfahren natürlicherweise mit Unwägbarkeiten verbunden, trotz der hohen Preise. Deswegen kann ich auch die streikenden Lokführer verstehen - und stehe für den längeren Weg zur Arbeit morgens gerne eine Viertelstunde früher auf.