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Entspannen mit den Öko-Pionieren

3. August 2011

Das Reiseland Deutschland glänzt durch historische Städte, regionale Küche und Naturlandschaften. Jetzt kommt noch eine weitere Seite dazu: Touristen können das Land auf der Fährte seiner erneuerbaren Energien entdecken.

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Solarfaehre Reichenau-Mannenbach (Foto: Richard Fuchs)
Urlaub mit der Kraft der Erneuerbaren EnergienBild: DW
Solarfähre Reichenau-Mannenbach (Foto: Richard Fuchs)
Tourismus und Umweltschutz passen gut auf ein BootBild: DW

Tom Geiger liebt den Klang der Wellen. Im Sommer hört er ihn jeden Tag, wenn er draußen auf dem tiefblauen Wasser des Bodensees herumschippert. Seine kleine Fähre kreuzt Deutschlands größten Binnensee am dünnen Ende, verbindet damit das Schweizer und das Deutsche Ufer. Rund 20 Minuten dauert die Fahrt auf dem Boot mit zwei länglichen Schwimmkörpern. Es hat in der Mitte ein Sitzdeck für zwölf Passagiere. Zwanzig ganz besonders erholsame Urlaubsminuten seien das, schmunzelt der braungebrannte Mittfünfziger, dessen Kopf wenig Haare aber eine große, dunkle Sonnenbrille ziert. "Da hört man einfach ganz toll das Wasser plätschern und der Motor ist ganz leise", sagt der Kapitän der "RA-33 Reichenau", einem Boot, das nur mit der Kraft der Sonne fährt.

Mit Sonnenkraft über Deutschlands größten See

Solarkapitän Tom Geiger von der Insel Reichenau am Bodensee (Foto: Richard Fuchs)
Solarkapitän Tom Geiger hat mit 16 Jahren sein erstes Boot gesteuertBild: DW

Dröhnende Schiffsdieselmotoren sind Tom Geiger fremd. Seine Fähre schnurrt leise über den See, die Energie liefern blau glitzernde Solarmodule. Die strecken sich über den Köpfen von Kapitän und Passagieren gen Himmel, spenden dadurch Schatten und produzieren Strom. Dieser Strom landet in sechzehn kleinen Lastwagenbatterien im Rumpf, die dann die beiden beinahe geräuschlosen Elektromotoren antreiben. "Ich kann wochenlang ohne Steckdose herumfahren, wenn ich sparsam fahre", erklärt der Kapitän einer Gruppe von zwölf internationalen Touristen an Bord. "Dann verbrauche ich höchstens 20 Prozent meines Stroms bis zum Ende des Fährbetriebs jeden Tag." Am nächsten Morgen seien die Batterien wieder geladen. Mit Sonnenenergie vollgetankt fährt das Boot bei bewölktem Wetter bis zu 45-mal über den See, bei Nacht immerhin noch 30-mal. Das sind drei volle Fährtage umweltschonender Tourismus am Stück.

Insel Mainau im Bodensee; Foto: Insel Mainau GmbH
So mediteran ist es in Deutschland sonst nirgends: Ferienparadies BodenseeBild: Mainau GmbH

Kunst-Windparks, Solar-Cafés und Öko-Hotels

Reiseführer 'Deutschland Erneuerbare Energien entdecken' (Foto: Richard Fuchs)
Der Reiseführer 'Deutschland – Erneuerbare Energien entdecken'Bild: DW

Buchautor Martin Frey will Menschen wie Tom Geiger ins Rampenlicht eines nachhaltigen Tourismus rücken. Zusammen mit dem Baedecker-Verlag gibt er den Reiseführer "Deutschland – Erneuerbare Energien entdecken" heraus. Tom Geigers Solarfähre ist dabei eines von 160 Reisezielen, bei denen Entspannung und Neugier auf neue Energiequellen zusammenkommen, sagt der Autor. Touristen wollten schließlich etwas erleben, was gerade im Bereich der erneuerbaren Energien nicht schwer sei. Denn egal in welcher Himmelsrichtung in Deutschland, überall habe die Energiewende ihre Spuren hinterlassen. So öffnen heute CO2-neutrale Klosteranlagen ihre Tore, ebenso wie Touristen inzwischen hautnah zu Offshore-Windparks reisen oder sich im Ökohotel in Hamburg verwöhnen lassen. Ein Blick in den neuen Reiseführer soll vor allem eines zeigen, sagt Martin Frey: "Mit erneuerbaren Energien kann unser heutiger Tourismus noch einmal aufgewertet werden."

Von Öko-Spinnern zu grünen Visionären

Der Ökoenergie-Fan Martin Frey hat sieben Touren zusammengestellt, auf denen Touristen sich erholen und dezentrale Energieversorgung mit Wind, Sonne, Wasser und Bioenergie kennen lernen sollen. So verschmelzen rund um Hannover Kunst und Windkraft miteinander, in Oberbayern traditionelle Architektur und Solarenergie. Unterwegs sind die Naturenergie-Touristen natürlich umweltfreundlich - mit Elektroautos, Elektro-Bikes oder mit der Bahn.

Internationale Besuchergruppe an Bord der Solarfähre (Foto: Richard Fuchs)
Internationale Gäste haben Freude am Urlaubserlebnis durch SonnenkraftBild: DW

Das Einzige, was sie wirklich brauchen, sei ein wenig Zeit, rät der Autor des 200-Seiten-Buches, denn "die Gespräche mit den Menschen vor Ort sind natürlich immer am interessantesten". Es sei besonders, die Leute kennen zu lernen, denen über Jahrzehnte Steine in den Weg gelegt worden seien. "Erst jetzt erfahren diese Pioniere der Energiewende eine ganz andere Wertschätzung in der Gesellschaft."

Wer bei Tom Geigers Solarfähre auf dem Bodensee einsteigen will, kann das in den Sommermonaten beinahe jeden Tag tun. 2000 sonnenbetriebene Fährfahrten macht er jede Saison, über 20.000-mal ist er in den vergangen zehn Sommern schon auf dem "Schwäbischen Meer" gefahren. Dass er arbeitet, wo andere Urlaub machen, ist dem Solarkapitän bewusst. Und doch hat sich der Ökopionier darüber gefreut, was ihm Deutschlands ehemaliger Umweltminister Klaus Töpfer am Ende einer Abendrundfahrt mit auf den Weg gab: "Sie haben den schönsten Job der Welt", sagte der. Und gab ihm einen Klaps auf die Schulter.

Autor: Richard Fuchs

Redaktion: Michael Borgers