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Der klare Flop im Wettbewerb

19. Februar 2010

Im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale gab es bisher viele düstere Filme und einen Aufreger. Und nun haben die Filmfestspiele auch ihren Flop: "Jud Süß – Film ohne Gewissen" des deutschen Regisseurs Oskar Roehler.

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Filmausschnitt, Mann sitzt rechts in NS-UNiform, hinter ihm ein Film-Projektor
Joseph Goebbels (hier Moritz Bleibtreu) war der geistige Vater des Films "Jud Süß" (1940)Bild: Concorde Film 2010

"Jud Süß" wurde mit Spannung erwartet, doch kaum war der Vorhang auf, enttäuschte, langweilte und animierte er zum Fremdschämen. Roehlers Kinofilm befasst sich mit der Entstehungsgeschichte des wohl berühmt-berüchtigtsten Hetzfilms der Nazis - "Jud Süß" von 1940. Bis heute steht er auf dem Index und darf nur mit historischer Einführung gezeigt werden. Roehlers Film konzentriert sich nun auf den damaligen Hauptdarsteller Ferdinand Marian. Indem er sich nah an der Realität hält, zeigt er auf, warum dieser sich die Rolle des "Jud" gegen seinen Willen aufzwingen ließ.

Die Schlüsselfigur ist in Roehlers Film Propagandaminister Joseph Goebbels, 1940 geistiger Vater des Films. Goebbels bestärkt Marian darin, die Figur des "Jud" bewusst niederträchtig darzustellen. Marian brilliert, steht in Goebbels Gunst. "Jud Süß" von Regisseur Veit Harlan wird begeistert gefeiert. Doch der Publikumserfolg wird Marian zum Schicksal und lässt ihn letztendlich an der Rolle des "Jud" zu Grunde gehen. 1946 starb der Schauspieler bei einem Autounfall, vieles spricht für Selbstmord.

Erstklassige Besetzung fulminant gescheitert

Mann in weißem Anzug und Mann in schwarzem Anzug, gestikuliert wild
Moritz Bleibtreu (re.) mimt als Goebbels mal Brüllaffe, mal Clown - Tobias Moretti (li.) gibt sich stoischBild: Concorde Film 2010 / Petro Domenigg, filmstills.at

Roehler gießt den Stoff dieser dramatischen Schauspielergeschichte in die Form eines Melodrams mit historischem Anstrich, in dem sich die Hauptfigur schwülstig den Weg ins Verderben bahnt. Dabei ist Roehlers Besetzung so vielversprechend: Moritz Bleibtreu, Tobias Moretti, Martina Gedeck, Justus von Dohnanyi. Erstaunlicher Weise sollte Bleibtreu den Goebbels spielen. Doch einer, der sich lieber zwischen Kleinstadt-Ganove und Großstadt-Casanova bewegt, wird der Figur der cholerischen Nazi-Größe nicht gerecht. Bei seinen hysterischen Anfällen vom Kölsch ins Wienerische schlingernd, versucht er auf seinen kleinen Füßen tapfer glaubwürdig zu humpeln. Beim Schäkern wirkt er dann bloß noch wie der echte Bleibtreu an der Hotelbar.

Eine Halbjüdin gibt's noch dazu

Mann mit weißem Anzug mit Frau an der Seite, die anderem Mann die Hand zum Handkuss reicht
Selbst Martina Gedeck gibt als Anna Marian eine eher blasse Figur abBild: Internationale Filmfestspiele Berlin

Tobias Moretti spielt Ferdinand Marian. Wer bei Morettis Gesicht nicht an dessen Rolle in der deutschen TV-Serie "Kommissar Rex" denkt, dem kann sein Marian durchaus gefallen. Doch auch Moretti muss scheitern. Er kommt nicht an gegen Roehlers krampfhaften Versuch, einen Spiel- und keinen Dokumentarfilm zu drehen. Für das Spielfilm-Ambiente wurde etwa die historische Stofflage ein bisschen aufgehübscht. Ferdinand Marians Frau Anna wird zur Halbjüdin, in Wirklichkeit war sie lediglich in erster Ehe mit einem Juden verheiratet. Geschichtsfälschung? Ist doch nur ein Spielfilm, sagt Roehler.

Der deutsche Ausrutscher

Ein Mann mit Brille, Polohemd und Hut steht draußen vor blauem Himmel
Hat einen enttäuschenden Film abgeliefert: Oskar RoehlerBild: Concorde Film 2010

Spätestens bei der Szene, in der sich Marian mit einer von Goebbels geschickten SS-Ehefrau während eines Bombenangriffs vor einem offenen Hotelfenster auf vulgär-groteske Weise verlustiert - vor kitschig-blutrotem Himmel versteht sich -, da reicht es auch den Geduldigsten im Publikum. Die Buhrufe bei der Pressevorführung sind keine Überraschung mehr. Chancen auf einen der Bären dürfte dieser Ausrutscher keine haben - aber auf ein signalfarbenes Bändchen als peinlichster deutscher Beitrag.

Autorin: Ricarda Otte

Redaktion: Marcus Bösch