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Enttäuschend

Rolf Wenkel25. Januar 2002

Das Bündnis für Arbeit hat nichts vorzuweisen, was eine Wende am Arbeitsmarkt bringen könnte. Ein Kommentar von Rolf Wenkel.

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Wunder passieren nicht immer. Wer geglaubt hatte, Bundeskanzler Gerhard Schröder werde die Teilnehmer der achten Spitzenrunde im Bündnis für Arbeit auf eine gemeinsame Linie in den bevorstehenden Tarifrunden einschwören können, so wie ihm das im Frühjahr 2000 gelungen ist, der hat die unversöhnlichen Positionen im Arbeitgeber- und Gewerkschaftslager unterschätzt. Damals war es dem Kanzler gelungen, beiden Parteien eine Erklärung abzuringen, die von maßvoller, beschäftigungsorientierter und langfristiger Lohnpolitik sprach. Und damals war das wirtschaftliche Umfeld noch weitaus besser als heute.

Doch heute, trotz vier Millionen Arbeitslosen, trotz drohender Rezession, trotz labiler Weltwirtschaft, haben ihm die Gewerkschaften die Gefolgschaft versagt. Ausgerechnet in jenem Jahr, in dem sich der Kanzler und sein Kabinett der Wiederwahl stellen müssen, haben sich die Gewerkschaften auf keinerlei Zugeständnis in der Tarifpolitik eingelassen. Dabei hat niemand von den Gewerkschaften verlangt, sich in den Bündnisgesprächen auf Leitlinien für die künftigen Lohnverhandlungen verpflichten zu lassen. Tarifpolitik, das weiß inzwischen jedes Kind, wird zwischen den autonomen Tarifpartnern ausgehandelt und nicht in einer Kanzlerrunde.

Andererseits muss in einem Bündnis, das Beschäftigung sichern soll, über ökonomische Rahmenbedingungen gesprochen werden, und dazu gehören nun mal die Löhne. Und die Frage, ob eine Forderung von 6,5 Prozent, wie sie die IG Metall mit ihren 2,8 Millionen Mitgliedern quasi den anderen Gewerkschaften als Marschroute vorgibt, nicht als Konjunkturrisiko schlechthin anzusehen ist. So ist es kein Wunder, dass Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt das Ergebnis des Spitzengespräches enttäuschend nennt und von einem Boykott der Gewerkschaftsvertreter spricht. Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes Dieter Schulte nimmt dagegen einen ganz anderen Eindruck mit nach Hause: Für ihn seien die Gepräche fruchtbar gewesen.

Und der Kanzler? Er wäre nicht Kanzler, wenn er nicht versuchen würde, enttäuschende Gesprächsrunden in halbe Erfolge umzumünzen. Er beschwor die Erfolge der vorangegangenen sieben Gesprächsrunden und kündigte die Intensivierung bereits bekannter Maßnahmen an, mehr aber auch nicht. Keine Frage, die Verstetigung der öffentlichen Investitionen, die schnellere und effizientere Vermittlung von Arbeitslosen, das alles mögen richtige Maßnahmen sein - aber der große Durchbruch sind sie nicht, genausowenig wie die Ausdehnung der fragwürdigen Lohnsubventionen, bekannt als Mainzer Modell, auf ganz Deutschland.

Im Grunde hat der Kanzler nichts vorzuweisen, jedenfalls nichts, was erkennbar eine Wende auf dem Arbeitsmarkt bringen könnte bis zur Bundestagswahl im September. Das könnte sich rächen. Für eine wirkliche Wende hätte man noch in guten Zeiten, um die Jahreswende 2000/2001 etwa, die Weichen stellen müssen, durch beherzte Strukturreformen am Arbeitsmarkt. Dass Deutschland hier Defizite hat und inzwischen das Schlusslicht in Europa bildet, kann man bei der OECD, beim IWF oder der EU-Kommission nachlesen. Die Regierung hat das aber bislang ignoriert. Das ist das wirklich Enttäuschende am Bündnis für Arbeit.