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Enttäuschung über Fußballer und Politikstar Romário?

Philipp Lichterbeck Rio de Janeiro
22. September 2018

Ex-Fußballstar Romário wurde gefeiert, als er 2010 in das brasilianische Parlament gewählt wurde. Nun will er Gouverneur des Bundesstaats Rio werden. Doch die Menschen vertrauen ihm nicht mehr so sehr wie früher.

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Romario, ehemaliger Fußballstar jetzt Senator
Bild: Getty Images/E.Sa

Die Euphorie war riesig, als der Ex-Fußballstar 2010 für die Sozialistische Partei Brasiliens (PSB) ins brasilianische Parlament einzog. Damals versprach er, den Mut und die Zielstrebigkeit, die ihn als Spieler ausgezeichnet hatten, in die Politik einzubringen.

Als Stürmer hatte Romário mehr als 1000 Tore geschossen, er wurde 1994 mit Brasilien Weltmeister und holte die Landestitel in den Niederlanden, Spanien und seiner Heimat. 1996 war er der bestbezahlte Fußballer der Welt. 

Kaum im Abgeordnetenhaus angekommen, sorgte er auch dort für Aufsehen. Er attackierte den korrupten brasilianischen Fußballverband (CBF) und die Fifa. Gleichzeitig setzte er sich für den Breitensport und die Rechte von Behinderten ein - als Vater von vier Töchtern, von denen eine das Down-Syndrom hat.   

Viele Brasilianer mochten das Rückgrat und die Authentizität Romários. Er sagte, was er dachte und schien sich nicht an der in Brasília üblichen Korruption zu beteiligen. 2011 gehörte er zu den fleißigsten Parlamentariern und war sogar Anwärter auf den Prêmio Congresso em Foco. Im Jahr darauf zierte sein Foto die Titelseite des brasilianischen "Rolling Stone", dazu die Zeile: "Was der Abgeordnete denkt, der das System herausfordert". Romário war vom Fußballhelden zum Politikstar geworden.

Der typische "Carioca"

Nun will Romário Gouverneur des Bundesstaats Rio de Janeiro werden. Es ist seine Heimat, er stammt aus der Stadt Rio de Janeiro, wuchs hier in den ärmeren Vierteln Jacarezinho und Vila da Penha auf. Nun geht er zum Wahlkampf auf Märkte, in Favelas und Krankenhäuser. Die Menschen erkennen ihn und sind freundlich, aber von der einstigen Euphorie ist nicht mehr viel zu spüren.  

Diese Ernüchterung lässt sich auch in den sozialen Netzwerken ablesen. Bei Twitter hat Romário fast 2,6 Millionen Follower, aber seine täglichen Tweets werden im Durchschnitt von gerade mal 50 Leuten "gemocht".

Vielleicht ist so ein Sturz in die Normalität nichts Ungewöhnliches, wenn einer so steil gestartet ist. Seit acht Jahren macht Romário nun schon Politik, zuletzt als Senator. In dieser Zeit hat sich der 52-Jährige angepasst - und zwangsläufig auch viele Hoffnungen enttäuscht. Auf Twitter schrieb ein Nutzer über ihn: "Romário ist der typische Carioca (Einwohner von Rio de Janeiro, Anm. d. Red.): Fußballer, Gauner, Frauenheld, er hat faszinierende Geschichten zu erzählen, hat im Leben viel Mist gebaut, ist streitlustig, hält sich für den Größten und glaubt jetzt, er könnte Gouverneur Rios werden, indem er auf anständigen Bürger macht." 

Vom Sport in die Politik

Immerhin Platz zwei

Es spricht für den Kämpfer Romário, dass er trotz solcher Kritik in den Umfragen auf Platz zwei liegt. Den ersten Platz belegt Eduardo Paes, Rio de Janeiros Ex-Bürgermeister. Paes wird zwar der Korruption verdächtigt, aber er ist exzellent vernetzt und wird von vielen Menschen mit den großen Infrastrukturprojekten der letzten Jahre in Verbindung gebracht. Romário hat dagegen nicht viel Konkretes vorzuweisen. Sein Markenzeichen ist bis heute der Einsatz für den Sport und die Integration Behinderter. Regierungserfahrung hat er aber keine.  

Dafür macht er umso mehr Ankündigungen und Versprechen: Er wolle rigoros gegen die Korruption vorgehen, die Rio de Janeiro an den Rand des Kollapses gebracht hat, und außerdem die öffentliche Sicherheit, das Bildungs- sowie das Gesundheitssystem verbessern. Also verspricht er, was derzeit fast alle Politiker in Brasilien versprechen. Wie er seine Vorhaben aber umsetzen will, verrät er abgesehen von der Berufung einer "großen Mannschaft, eines Teams aus Profis" nicht.

Romário hat an Glaubwürdigkeit verloren   

Ein Problem Romários scheint zu sein, dass ihn viele Menschen nicht mehr für glaubwürdig halten. Er hat den Mund zu oft zu voll genommen. So ärgerte er sich vor der Fußball-WM über die Gesetze, die der Fifa umfassende Freiheiten zusichern sollten: "Ich werde bis zum Umfallen kämpfen, damit die Fifa in Brasilien keinen Staat im Staate errichtet." Die Gesetze wurden dennoch verabschiedet.

Weiterhin ist Romário in verschiedene Skandale verwickelt. Es geht um Korruption und Vetternwirtschaft, das Ganze begann, als gegen einen seiner Freunde und Berater Mordvorwürfe laut wurden. Romário entließ ihn auch dann nicht, als sich der Verdacht erhärtete.

Brasilien Fußball Weltmeister 1994 - Romario
Torjäger Romário bei der WM 1994 Bild: picture-alliance/L. Perenyi

Dann brachte er ein halbes Dutzend Freunde und Verwandte in Rio de Janeiros Sportverwaltung unter, deren Chef auf seine Empfehlung hin ernannt worden war. Weiterhin versuchte Romário einen Großteil seines Vermögens zu verbergen, indem er es bei seiner Schwester und Mutter deponierte. Offenbar wollte er der Zwangseinziehung von Schulden entgehen. Aber der Versuch scheiterte. Unter anderem beschlagnahmte die Justiz einen Porsche auf seinem Anwesen, der im Namen seiner Schwester registriert war. 

Über dem Gesetz

Weiterhin scheint Romário manchmal zu glauben, er stehe über dem Gesetz: Dreimal weigerte er sich, einen Alkoholtest zu machen, nachdem ihn die Polizei im Auto angehalten hatte. Seit Januar 2016 ist er deswegen den Führerschein los. Dennoch wurde er auch danach mehrfach am Steuer erwischt. 

Nicht zuletzt verspielte Romário viele Sympathien während des Impeachment-Verfahrens gegen die Ex-Präsidentin Dilma Rousseff im Jahr 2016. Schon damals gab es den Verdacht, dass es vielen Politikern darum ging, durch die Absetzung Rousseffs die Lava-Jato-Ermittlungen zu bremsen. Dennoch stimmte Romário dem Impeachment zu und ermöglichte es dem unbeliebten Michel Temer, an die Macht zu gelangen.

Romário verteidigt sich offensiv gegen alle Vorwürfe: "Ich hatte meine Probleme, ich habe meine Probleme. Sie werden alle gelöst. In der Politik sollten sie keine Rolle spielen." Seinem Selbstbewusstsein scheinen die Affären nicht geschadet zu haben: "Ich werde einer der großen Gouverneure Rios sein". Viele Cariocas glauben das nicht.