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Enttäuschung über Lugo

4. Januar 2011

Groß war die Euphorie als Fernando Lugo 2008 Präsident von Paraguay wurde. Von dem linken Bischof versprachen sich viele eine Entschärfung der sozialen Konflikte. Doch viele einstige Anhänger sind heute enttäuscht.

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Wahlsieger Lugo am 14. August 2008 (Foto: AP)
Wahlsieger Lugo im August 2008: Heute gilt Paraguays Präsident als angeschlagenBild: AP

Als im April 2008 Bischof Fernando Lugo die Präsidentschaftswahlen gewann, war die Begeisterung groß. 60 Jahre lang hatte in Paraguay die rechte Colorado-Partei geherrscht, die meiste Zeit davon mit dem Diktator Alfredo Stroessner. Mit dem Sieg des Kandidaten der Liberalen Partei und einiger linken Gruppen sollte endlich eine Landreform in Angriff genommen werden, hoffte Julia Franco, Sprecherin der Landfrauen-Organisation Conamuri. "Wir haben Lugo unterstützt, um die Colorados zu vertreiben. Aber auf die Agrarreform warten wir immer noch". Lugo verfügt über keine Mehrheit im Parlament und kommt gegen die mächtige Lobby der Sojabauern nicht an.

Sprecherin der Landfrauen-Bewegung Conamuri (Foto: DW/ Gaby Weber)
Warten auf die Agrarreform: Landfrauen-Aktivistin Julia FrancoBild: Dw/Weber

Julia Franco nimmt ihm besonders die Ausrufung des Ausnahmezustandes und das neue Anti-Terrorgesetz übel. Lugos Innenminister Rafael Filizzola wolle nach kolumbianischem Vorbild die Bauernbewegung vernichten, glaubt die Aktivistin. Auf dem Land sei die Gewalt allgegenwärtig. "Bewaffnete Wächter der Großgrundbesitzer geben sich als Parkwächter aus und schießen gezielt auf unsere Anführer", sagt Franco. Zur Rechenschaft werde niemand gezogen.

"Wir wollen Land, vor allem Land"

Das Stadtbild von Asunción hat sich wenig geändert. Im Zentrum von Paraguays Hauptstadt wird Billigelektronik und Markenkleidung feilgeboten, viel davon ist geschmuggelt oder nachgemacht worden. Auf der Plaza Uruguay campieren seit 22 Tagen Guaraní-Indianer aus Caaguazú. Sie fordern Land – wie schon immer. Und eigentlich hatte Lugo versprochen, ihr Territorium zu demarkieren und damit ausschließlich ihnen zu überlassen. Doch Land im Überfluss, das verteilt werden könnte, gibt es schon lange nicht mehr. Die Großbauern verteidigen jeden Zentimeter. "Wir wollen Land, Erziehung und Gesundheit. Vor allem Land", sagt Eduardo, einer der protestierenden Indianer vor einem provisorischen Zelt, "warum will die Regierung die Millionen in ihrer Haushaltskasse nicht ausgeben?"

Am 17. April 2008 feierten Tausenden in Asuncíon Lugos Wahlsieg (Foto: AP)
Am 17. April 2008 feierten Tausenden in Asuncíon Lugos WahlsiegBild: AP

"Wir haben 30.000 Hektar Land an Landlose übergeben, und wir arbeiten eng mit Siedlern zusammen, die von der vorigen Regierung Grund und Boden erhalten haben", meint der stellvertretende Landwirtschaftsminister Andres Wehrle. Die Bauern brauchen technische Hilfe. Sonst wiederhole sich das Drama der vergangenen Jahrzehnte, als den Landlosen Land übergeben wurde, die es lediglich für die Selbstversorgung benutzten. Nach wenigen Jahren verließen sie das Grundstück und zogen in die Slums von Asunción. Oder besetzen an anderem Ort ein Stück Boden. Man habe, so Wehrle, tausenden Siedlern beigebracht, wie sie ihre Felder anlegen und bewässern müssen, um einen Überschuss zum Verkaufen zu erwirtschaften. Von Milizen hat der Minister gehört, will jedoch keine keine Position beziehen. Für Wehrle war es Präsident Lugo, der den sozialen Konflikt eingeschränkt habe. Gefragt, warum die Regierung kein Kataster angefertigt habe, weicht der Minister aus. Keine Mehrheit mehr im Parlament zu haben, darauf kann sich die Regierung in diesem Fall nicht berufen. Für die Änderung des Katasters braucht sie keine Mehrheit. "Leider verfügen wir bislang nur über wenig Informationen", sagt Wehrle, "aber das Kataster ist aber ohne Zweifel eine Priorität."

"Wer hat den ersten Stein geworfen?"

Die Großbauern wehren sich gegen ein nationales Kataster. Praktisch der gesamte Ostteil des Landes gehört Brasilianern, die oft Grundstücke durch Korruption erlangt oder besetzt haben. Im Falle einer systematischen Revision der Landkäufe fürchten sie eine effizientere Besteuerung und sogar Enteignungen. Die Sojabauern spielen das Thema der Milizen herunter. Auch er will davon gehört haben, meint der Verbandschef der Getreideproduzenten Héctor Cristaldo, "aber wer hat den ersten Stein geworfen und den ersten Schuss abgegeben?", fragt er. Heckenschützen hätten auf Landwirte geschossen, die zeitweise mit kugelsicheren Westen auf dem Traktor saßen, behauptet er. Der Amtsantritt Lugos habe den Landlosen Auftrieb gegeben, spontan seien damals 200 Höfe besetzt worden.

Landwirtschaftsminister Andres Wehrle (Foto: DW/ Gaby Weber)
"Lugo hat sozialen Konflikt eingeschränkt": Landwirtschafts-Minister WehrleBild: DW/Weber

Inzwischen habe sich die Situation beruhigt, Innenminister Fillizola leiste "gute Arbeit". Dank seines harten Durchgreifens seien im Moment weniger als ein halbes Dutzend Höfe von landlosen Bauern besetzt oder von Besetzung bedroht. Das sei, so Cristaldo, sehr positiv. Nur bei der Vetternwirtschaft sei eine Lösung nach wie vor "weit entfernt".

Und die versprochene Landreform? In den Diskussionen über Landübergabe verliere man nicht nur kostbare Zeit sondern auch Produktivität, so Cristaldo. Das Bruttosozialprodukt wachse jährlich um zwölf Prozent, wozu die Kleinbauern so gut wie nichts beitragen. Größer als die Macht der Sojabauern sei die Macht des Marktes: "Die Landlosen sind keine Landwirte und lassen einfach tausende Hektar brach liegen." Statt sie auf einem Stück fruchtbaren Bodens auszusetzen, solle man ihnen lieber Umschulungen finanzieren. Doch die einzigen Berufe, die in Paraguay ein bescheidenes Auskommen versprechen, sind der Drogenhandel und der Schmuggel.

Autorin: Gaby Weber

Redaktion: Sven Töniges